Köln. Am Mittwochmorgen brannte ein Cafè in einem Wohnhaus im Stadtteil Pesch aus. Die Polizei glaubt bislang nicht an einen Zusammenhang zu anderen Vorfällen.
Das Ladenlokal ist vollständig ausgebrannt, die Schaufensterscheiben zerstört, Teile der zerfetzten Außenverkleidung hängen lose herunter: In Köln hat es erneut eine Explosion gegeben, diesmal in Pesch am Stadtrand. Anwohner berichteten in der Nacht um 2.45 Uhr von einem lauten Knall, wie die Polizei mitteilte. Kurz darauf stand das Café im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses in Flammen.
Explosion in Köln: 20 Menschen aus Wohnungen evakuiert
Polizei und Feuerwehr waren am Morgen mit einem Großaufgebot vor Ort. Als die Feuerwehr eintraf, war die Lokalität bereits stark beschädigt, wie ein Sprecher der Feuerwehr sagte. Etwa 20 Personen wurden aus ihren Wohnungen evakuiert. Ungefähr nach einer Stunde, gegen 4 Uhr, war das Feuer demnach gelöscht. Im Anschluss konnten die Bewohner in ihre Wohnungen zurückkehren. Zwei Bewohner wurden leicht verletzt und mit Verdacht auf eine Rauchgasvergiftung vor Ort behandelt. Anschließend wurden sie von den Rettungskräften wieder entlassen.
Der Tatort wurde mit rot-weißem Flatterband abgesperrt, die Ermittler sicherten Spuren. Das Café habe erst vor ein paar Monaten eröffnet, die Besitzer seien derzeit im Urlaub, so schilderte es die Mitarbeiterin einer nah gelegenen Bäckerei. Inwieweit auch andere Geschäfte und Wohnungen in dem Haus beschädigt wurden, ist der Polizei zufolge nicht bekannt. Die Ermittlungen dauern an, die Polizei sucht nach Zeugen.
Polizei prüft Verbindungen zu ähnlichen Fällen
Ob der Vorfall in Verbindung zu der jüngsten Explosionsserie steht, wird noch geprüft. Die Polizei teilte am Mittwoch mit, man sehe bislang keinen Zusammenhang mit anderen Anschlägen in jüngster Zeit in Köln.
Nach Angaben von Zeugen waren zwei unbekannte Personen gesehen worden, die weggelaufen waren. Am Nachmittag hatte sich dann ein Mann in Begleitung seines Anwalts bei der Polizei gestellt. Er war dringend tatverdächtig, die Explosion am Mittwoch zusammen mit einem Komplizen ausgelöst zu haben. Er habe eine Verbindung zu dem Café, hieß es zunächst seitens der Polizei. Allerdings bestritt er laut der Nachrichtenagentur AFP später die Tat und kam wieder auf freien Fuß.
Auch in seiner Wohnung seien keine Beweismittel gefunden, „die den für einen Haftbefehl erforderlichen dringenden Tatverdacht untermauern würden“, wie die Ermittler erklärten. Die Ermittlungen gegen den Mann, der aus dem familiären Umfeld des Cafébetreibers stammt, dauerten aber weiter an.
Einen Bezug zu anderen Explosionen in Köln und Umgebung, die mit Streitigkeiten unter Drogenhändlern in Verbindung gebracht werden, besteht laut Polizei in diesem Fall nicht.
Solingen: durch Wohnungstür geschossen
Eine spezielle Ermittlungsgruppe der Kölner Polizei übernahm derweil auch die Ermittlungen zu einem Vorfall in Solingen, bei dem in der Nacht zum Mittwoch durch eine Wohnungstür in einem Mehrfamilienhaus geschossen wurde. Verletzte gab es nach Angaben der Beamten nicht, Zeugen sahen zwei Männer aus dem Wohnhaus laufen und mit einer dunklen Limousine vom Tatort flüchten.
In diesem Fall gebe es „Bezüge“ zu der jüngsten Serie von Explosionen mit mutmaßlich kriminellem Hintergrund in Köln, erklärte die Polizei. Ermittler gingen davon aus, dass die Schüsse einem Menschen gegolten hätten, der bei den Ermittlungen „eine Rolle spielt“. Weitere Details nannten sie nicht.
Serie von Sprengstoff-Anschlägen in Köln
Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln zurzeit zu einer Serie von Sprengungen, die Köln zuletzt erschütterten. Der Kripochef Michael Esser sprach in der vergangenen Woche nach einer Explosion vor einem Modegeschäft von „beispiellosen Fällen der Gewalt- und Schwerkriminalität, die es bis dato so in Köln nicht gegeben hat“.
Begonnen hat sie im Frühsommer dieses Jahres mit einer Entführung in Rösrath und Hürth. Seitdem gibt es kaum eine Woche, in der nichts passiert. Mal knallt es in Düsseldorf, mal in Solingen oder Duisburg, nirgendwo aber so oft wie in Köln.
In der Nacht zu Mittwoch vergangener Woche werden die Menschen in der Kölner Ehrenstraße im Morgengrauen durch eine gewaltige Explosion aus dem Schlaf gerissen. Nach bisherigen Ermittlungen hatte der Täter die gläserne Eingangstür einer Filiale der Modekette LFDY eingeschlagen und eine Einkaufstüte mit einem Brandsatz in dem Geschäft platziert. Nur Sekunden später steht der Eingangsbereich in Flammen. Zeugen sehen einen etwa 1,80 Meter großen Mann davonlaufen.
Brandsatz vor einer Diskothek explodiert
Der Tatort liegt nur wenige Gehminuten entfernt vom Hohenzollernring, wo am Montagmorgen ein Brandsatz vor einer Diskothek explodiert war. In diesem Fall hatte der mit einem Kapuzenpullover bekleidete Tatverdächtige vermutlich eine Einkaufstüte mit Brandbeschleuniger vor dem Fenster des Clubs abgestellt und angezündet .
„Denen sitzt der Schreck immer noch in den Knochen“
Khan Mohammad Tariq, der ein paar Meter neben dem Modegeschäft seit über 20 Jahren einen Schmuckladen besitzt, hat dann auch nicht überlegt, ob er sofort wieder aufmacht. „Ich wohne ja nicht über dem Laden, ich habe von der Explosion nichts mitbekommen.“ Anders als die Familien über der LFDY-Filiale. „Denen sitzt der Schreck immer noch in den Knochen.“ Tariq kann das verstehen. „Ist ja ein Wunder, dass nicht mehr passiert ist.“ Angst hat er trotzdem nicht. „Aber besorgt bin ich doch“, gibt er zu. „Es wird ja immer schlimmer. Und niemand weiß, wer dahintersteckt.“
Die Polizei kann viele Fragen nicht beantworten
Die Polizei immerhin ahnt es, kann aber „aus ermittlungstaktischen Gründen“, viele offene Fragen derzeit nicht beantworten. 600 Hinweise gibt es laut Esser. „Die meisten sind digitaler Natur.“ Was es bisher in den aktuellen Fällen trotzdem nicht gibt, ist ein Ermittlungserfolg. Um das zu ändern, sei die Kölner Polizei mit „allen verfügbaren Kräften“ im Einsatz, heißt es. Mehr als 60 Ermittler aus dem Bereich der Organisierten Kriminalität (OK) seien zusammengezogen worden. Wie weit sie sind, sagt Esser nicht. „Ermittlungen der OK versprechen nur dann Erfolg, wenn ein hohes Maß an Geheimhaltung gewahrt bleibt.“
„Im Kern scheint es um 300 Kilo Drogen zu gehen, die verschwunden sind“, sagt der Kripo-Chef. Vermisst werden sie offenbar von einer Bande in den Niederlanden. Oder von einer Kölner Bande mit guten Kontakten nach Holland. Viele Spuren, räumen die Ermittler ein, führten ins Nachbarland. Explosionen vor Hauseingängen seien dort in Mafiakreisen ein oft angewandtes Drohmittel. Es gehe aber wohl auch um Rockerkriminalität. Ob überhaupt und wenn ja, inwieweit beide Komplexe zusammenhängen, sei noch nicht klar.
Ähnlicher Anschlag auf eine LFDY-Filiale in Amsterdam
Wie so vieles andere auch: Ist es Zufall, dass es vor gut vier Wochen einen ähnlichen Anschlag auf eine LFDY-Filiale in Amsterdam gegeben hat? „Können wir nicht sagen“, heißt es bei der Polizei. Und auch warum es von dem Verdächtigen des Anschlags am Montag trotz scharfer Videobilder keine Spur gibt, ist nicht bekannt.
Und es wird wohl so schnell auch nicht klar werden. Denn die bei verschiedenen Zugriffen in den vergangenen Monaten Festgenommenen schweigen ebenso wie ihre Opfer. Sie alle hätten „möglicherweise einen guten Grund, nicht offen mit der Polizei zu reden“, sagt Esser. „Die Aussagebereitschaft ist gering – ansonsten wären die Taten vermutlich leichter zu klären.“ Die Polizei sei deswegen insbesondere auf Hinweise der Bevölkerung angewiesen. „Jeder noch so kleine Hinweis kann der Durchbruch bei den Ermittlungen sein.“
30 Ermittlungsverfahren gegen 25 Beschuldigte
Mittlerweile gebe es 30 Ermittlungsverfahren gegen 25 Beschuldigte. „Wir haben schon etwas erreicht“, findet der zuständige Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Aber „etwas“ könnte dieses Mal zu wenig sein. „Wir müssen davon ausgehen, dass wir es mit einer neuen Dimension des Verbrechens zu tun haben“, macht sich Esser nichts vor. Natürlich werde man alles tun, um wieder Ruhe in die Stadt zu bringen. „Aber es kann auch anders kommen.“
Grund zur Angst besteht nach Einschätzung der Polizei dennoch nicht. Kriminalkommissar Wolfgang Baldes will nichts verharmlosen, stellt aber noch einmal klar: „Die Anschläge fanden zu Randzeiten statt. Wenn jemand größere Menschenschäden hätte anrichten wollen, hätte er das vermutlich anders geplant.“