Düsseldorf. Das Schicksal der Düsseldorferin Gisa März sorgt für den Ruf nach neuen Gesetzen in Sachen „Schwarzfahren“. Beim Bund gibt es bereits Pläne.
Balu ist die Freude über die Rückkehr seines „Frauchen“ deutlich anzumerken. Der Vierbeiner tollt um Gisa März herum, lässt in den Räumen von „Fiftyfifty“ an der Höhenstraße in Düsseldorf-Oberbilk gar nicht mehr von der zierlichen Frau ab. Zu lange musste der Hund ohne die Düsseldorferin auskommen. Denn: Vier Monate saß die 56-Jährige in einem Gefängnis in Willich ein. Weil die Fiftyfifty-Verkäuferin zweimal in kürzeren Abständen beim Bahnfahren ohne Fahrschein erwischt wurde, wurde sie im Herbst zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Anfang November trat sie ihre Haft an.
Nachdem sie zwei Drittel der Strafe verbüßt hatte, kam die „berühmteste Schwarzfahrerin Deutschlands“, wie Oliver Ongaro von Fiftyfifty Gisa März bezeichnet, am vergangenen Donnerstag frei (NRZ berichtete). Weil sie nach ihrer Freilassung noch einige Botengänge zu erledigen hatte, konnte sie erst drei Tage nach der Haftentlassung ihren Hund wieder in die Arme schließen. „Ich habe den Hund erst am Sonntag abgeholt“, sagt die Zeitungsverkäuferin. Der zehnjährige Balu kam in den vier Monaten bei einem Bekannten unter, erzählt März weiter.
Gisa März: Man hat „willkürlich eine Strafe verhängt“
Die vier monatige Haft sei „krass gewesen“, berichtet die Frau. Zwei Wochen lang sei sie in ihrer Zelle ohne Fernsehen gewesen, in den letzten zwei Wochen habe man ihr ihren Wasserkocher abgenommen. Auch das Substitutionsprogramm sei für die Suchterkrankte nach nicht mal zwei Wochen Haft eingestellt worden: „Ich habe nach zehn Tagen kein Methadon mehr bekommen. Dann wurde ich abdosiert.“
Dass das Fahren ohne gültigen Fahrschein eine Straftat ist, wisse sie natürlich, so März weiter. Weil sie jedoch kaum Geld zur Verfügung habe, blieb ihr nach eigenen Angaben aber nichts anderes übrig: „Ich fahre natürlich nicht gerne schwarz. Aber für zweimal Schwarzfahren sechs Monate zu kriegen, ist nicht gerechtfertigt. Da hat man einfach willkürlich eine Strafe verhängt“, meint die Fiftyfifty-Verkäuferin.
Die Anteilnahme an ihrem Schicksal sei groß gewesen, erzählt März: „Die Unterstützung hat mir trotz der Haft sehr gut getan, und ich habe mich sehr darüber gefreut. Sei es aus Neuseeland, Berlin Hamburg, von Breiti von den Toten Hosen oder Wagenbauer Jacques Tilly: Ich habe gemerkt, dass ich nicht alleine bin.“ Auch ihre Kinder haben die ganze Zeit zu ihr gehalten, berichtet die Frischentlassene.
Forderung nach Abschaffung von Paragraf 265a
Pater Wolfgang Siefert, der beim NRW-Justizministerium erfolglos ein Gnadengesuch für die 56-Jährige stellte, habe sie auch im Gefängnis weiter unterstützt. Dass Gisa März im November tatsächlich ins Gefängnis musste, habe laut Siefert „eine Fassungslosigkeit in der Bevölkerung verursacht“. Der Geistliche könne nach eigenen Angaben bereits auf drei Jahrzehnte zurückblicken, in denen er mit Menschen „mit Knasterfahrung“ zusammengearbeitet und unterstützt hat.
Daher weiß er auch, dass die Gefängnisse in NRW voll sind mit Menschen, die wegen solchen Delikten einsitzen müssen: „In den Gefängnissen gibt es eine Überbelegung. Das liegt daran, dass viele Menschen inhaftiert werden, die viele kleine Straftaten begangen haben und eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen müssen.“
So wie Gisa März. Unverständlich für den Pater: „Das ist eine Bestrafung für Menschen, die in Armut leben oder davon bedroht sind.“ Deswegen gehöre der Paragraf 265a aus dem Strafgesetzbuch, dem „Erschleichen von Leistungen durch die Beförderung durch ein Verkehrsmittel ohne gültigen Fahrschein“, für Siefert „abgeschafft“
Zanda Martens: Bundesjustizministerium arbeitet an neuem Gesetzesentwurf
Die Düsseldorfer SPD-Bundestagsabgeordnete Zanda Martens pflichtet bei: „Gisa wurde stellvertretend für Zigtausende, die sich eine Fahrkarte nicht leisten können, verurteilt. Deswegen gibt es bei dem Umgang mit solchen Delikten für die Zukunft dringenden Handlungsbedarf.“
Fiftyfifty fordert daher, aus dem Fahren ohne gültigen Ticket eine Ordnungswidrigkeit zu machen. Auch im Bundestag kam das Thema zuletzt auf die Agenda, wie Martens verrät: „Es muss was passieren. Es ist auch bezeichnend, dass der Paragraf aus dem Jahr 1935 stammt, da weiß man welches Geisteskind dahinter steckt.“
In Berlin werde im Hintergrund deswegen auch an einem neuen Gesetz gearbeitet, berichtet Martens: Bundesjustizminister Buschmann arbeite derzeit an einem neuen Gesetzesentwurf. „Der soll unter anderem beinhalten, dass die Tagessätze, die auch auf solchen Strafen stehen, zumindest halbiert werden sollen.“ Dies wäre zumindest ein erster, kleiner Schritt, betont die SPD-Frau. Dennoch hofft die Bundespolitikerin, dass „wir Schwarzfahren durch neue Gesetze zu Ordnungswidrigkeiten abstufen können.“ Wann die Gesetzesvorlage kommen soll, stehe noch nicht fest. „Ich hoffe, dass das dieses Jahr noch passiert.“
Dass Gisa März erneut ohne Fahrschein erwischt wird, dürfte unwahrscheinlich sein – Fiftyfifty hat ihr ein Monatsticket besorgt.