Essen. Viggo Mortensens Herzensprojekt presst zwei Filme in einen. Vicky Krieps entpuppt sich als falsche Besetzung der einfachen Frau im wilden Westen.
In der Stadt hat es eine schwere Schießerei gegeben. Mehrere Männer sind tot, der Mörder konnte ungehindert entkommen. Der Sheriff war zu jener Zeit zu Hause auf seiner Farm, um seiner Frau im Todeskampf beizustehen. Jetzt bringt er sie unter die Erde, zahlt seine letzten Schulden zurück, gibt den Sheriff-Stern her und reitet mit seinem kleinen Sohn hinaus in eine ungewisse Zukunft.
Die ersten Minuten dieses neuen Wildwestfilms, der am 8. August in die deutschen Kinos kommt, markieren trefflich den melancholischen Unterton in der schmucklosen Bildgebung und die Bereitschaft zu brutaler Härte, sobald die Männer zum Schießeisen greifen. Man sieht Danny Huston in seiner Lieblingsrolle als korrupter Geschäftsmann und Bürgermeister. Solly McLeod ist Weston Jeffries, ein eiskalter Revolverheld, der alles, was ihm nicht passt, blindlings totmacht. Über allen strahlt mit desillusioniertem Gesicht Viggo Mortensen, der das Drehbuch schrieb, die Produktion stemmte und (zum zweiten Mal) Regie führte; er komponierte sogar die Musik zum Film. Keine Frage, hier hat einer sein Herzblut in ein Projekt gegossen und hält sich dennoch uneitel vor der Kamera zurück. Denn dieser Film, so ließ sich Mortensen im Vorfeld vernehmen, erzählt vor allem die Geschichte einer ganz normalen Frau im amerikanischen Westen in den 1860er-Jahren. Und damit fangen die Probleme dieses Films an.
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Zwei Filme, die keine Einheit werden
Vivienne le Coudy ist eine Kanadierin, die ihrem reichen Verehrer den Laufpass gibt und sich an der Barbary Coast, dem Hafenviertel von San Francisco, stehenden Fußes zum virilen Charme des dänischen Einwanderers Holger Olsen hingezogen fühlt. Die beiden werden ein Paar, und Vivienne folgt Olsen hinaus in die wilden Weiten östlich der Rocky Mountains. Sie erträgt es, dass er eine Farm im Nirgendwo bewirtschaftet, macht ihm das Zuhause schön und fügt sich auch dann in ihre eheliche Pflicht, als Olsen sich entschließt, mit den Unionstruppen gegen die Sklaverei zu kämpfen. Allein auf der Farm, bekommt Vivienne Besuch von einem Mann, der keinen Widerspruch duldet. Als Olsen aus dem Krieg zurückkommt, hat Vivienne einen Jungen zur Welt gebracht.
Vivienne, gebildet und feingeistig und dennoch bereit, mit ihrer Hände Arbeit den Lebensunterhalt zu bestreiten, ist die jüngste Rollenwahl der Luxemburgerin Vicky Krieps. Sie genießt international ein hohes Ansehen, beim deutschen Kinopublikum dagegen kann sie keine Kassenkraft entfalten. Ein bisschen liegt das auch daran, dass Krieps ihre Rollen, von der Muse eines Schneiders bis zu Kaiserin Elisabeth von Österreich, recht gleich anlegt. Sie strahlt stets kontrollierte Überlegenheit aus, was nicht zu der einfachen Frau passen will, die Viggo Mortensen vor Augen hatte. Das Scheitern der Vivienne ist ein Melodram, Olsens Weg ist der des Mannes, der tut, was er tun muss. Zwei Filme, die keine Einheit werden.