Berlin. Der Berliner Regisseur Dominik Galizia erzählt im Kino von einem Kirmesboxer aus Herne. Warum das Ruhrgebiet ein idealer Drehort ist.
Der Filmemacher Dominik Galizia, 35, gilt als Beobachter des einfachen Lebens. In seinem vielgelobten Kinofilm „Heikos Welt“ hat er der deutschen Kneipenkultur ein Denkmal gesetzt. Jetzt bringt er das Actiondrama „Rock’n’Roll Ringo“ ins Kino, die Geschichte eines Kirmes-Boxers aus Herne. Vorab sprach Galizia mit uns über die Cranger Kirmes, die Schönheit des Reviers und seine besonderen Menschen.
Herr Galizia, wieso kommt ein Berliner für Dreharbeiten ins Ruhrgebiet?
Das hat mit meiner Kindheit zu tun, ich bin in Trier aufgewachsen. Ich habe mir schon vor Jahren vorgenommen, einen Film in der Welt der Schausteller zu machen, und das funktioniert nur in Nordrhein-Westfalen. Die Kirmes-Kultur, wie sie im Ruhrgebiet zelebriert wird, kennt man in Berlin ja gar nicht so.
Welche Erinnerungen haben Sie?
Als Kind war ich immer mit meinem Opa auf der Kirmes. Schon damals hat mich die Box-Bude fasziniert, auch wenn wir nie reingegangen sind. Das war eine Attraktion schon bevor man die Attraktion betritt. Ich habe oft überlegt: Was sind das für Leute, die durch Deutschland reisen und sich prügeln? Das ist bis heute so geblieben. Themen der Oberschicht haben mich nie interessiert.
Worum geht es?
Ringo, den Martin Rohde spielt, hat seinen Job als Gerüstbauer verloren und heuert als Boxer auf dem Rummel an. Er muss Geld verdienen, weil er seiner Tochter versprochen hat, mit ihr an die Nordsee zu fahren. Der Film begleitet seine Odyssee als „Rock’n’Roll-Ringo“. Das Thema ist ernst, aber es gibt auch viele heitere Szenen.
Wo haben Sie gedreht?
Wir waren auf der Cranger Kirmes und der Düsseldorfer Rheinkirmes und haben dort bei offenem Betrieb gedreht. Das war schon allein deshalb eine Herausforderung, weil es so laut und voll war. Aber für mich ist Authentizität extrem wichtig. Ich arbeite ja auch gern mit Laiendarstellern. In Herne haben wir die offizielle Eröffnungsfeier samt Steigerlied mit der Kamera festgehalten, ein Riesen-Rambazamba. Und eine tragende Rolle spielt die Box-Bude „Fight-Club“ von Charly Schultz, der im Film auch mitwirkt. Er hat früher mal im Vorprogramm von Muhammad Ali gekämpft und ist der letzte noch lebende Boxbuden-Betreiber.
Gibt es noch weitere Schauplätze in NRW?
„Rock’n’Roll Ringo“ strotzt vor Ruhrgebiet, zumal wir viel draußen gedreht haben: Mehr NRW im Film geht nicht.
Wo zum Beispiel?
Ringo stammt aus Herne, da waren wir in der Eckkneipe „Schaun ma mal“; dort und in den Straßen drumherum sind einige Szenen entstanden. Auch in Bochum auf dem Tippelsberg haben wir gefilmt – dort trainiert Ringo für seine Kämpfe. In Bottrop waren wir auf einem Schrottplatz, in Dortmund in einem Fitness-Studio. Und in Gelsenkirchen haben wir ewig nach einer passenden Straße gesucht, von der aus man einen perfekten Blick auf die Zeche Consol 349 hat. Um das Gebäude vor dem Nachthimmel hervorzuheben, haben wir es mit 58.000-Watt-Scheinwerfern beleuchtet. Ich hatte vorher Bilder im Internet gesehen, auf denen die Zeche angestrahlt war, aber das wurde wohl aus Kostengründen gestrichen. Da haben wir es selbst gemacht.
Wie haben Sie das Ruhrgebiet wahrgenommen?
Die Gegend ist reich an Schönheit, auch wenn manche etwas anderes sagen. Es hat etwas Poetisches, wenn man die Weite der Landschaft sieht und dazu die alten Kraftwerke. Das ist deutschlandweit einzigartig. Wir haben unseren gesamten Film auf 35mm gedreht, das sorgt für eine besondere Magie.
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Was hat Ihnen am besten gefallen?
Die Menschen! Egal, wo wir gearbeitet haben, sie haben uns danach nie gehen lassen. Da war eine unglaubliche Herzlichkeit. Ständig wurden wir zum Essen oder Trinken eingeladen.
Kommen Sie wieder?
Auf jeden Fall! Ab 5. September starten wir mit Martin Rohde und anderen Schauspielern zur großen Rock’n’Roll-Ringo-Ruhrpott-Tour. Die Weltpremiere ist in der Herner Filmwelt, da werden wir auch alle anwesend sein!
Kommen Sie denn auch zum Filmemachen wieder?
Ja bestimmt. In Berlin sind die Leute schon genervt, sobald wir eine Straße sperren müssen. Die sind immer froh, wenn wir wieder weg sind.