Hamburg. Die Hamburger Reederei konnte ihren Gewinn 2022 fast verdoppeln. Doch dieses Ergebnis wird sich nicht wiederholen. Die Gründe.

Die diesjährige Bilanzpräsentation der Hamburger Traditionsreederei Hapag-Lloyd sollte für die Nachwelt aufbewahrt werden. Sie zeigt exemplarisch, wie außergewöhnlich stark sich die Corona-Pandemie auf das Wirtschaftsleben ausgewirkt hat, aber auch, wie schnell sich die Lage wieder beruhigte. Als weltweit Lieferketten abrissen, die Häfen in den Lockdown fielen und Schiffe aussperrten, zahlte der Handel Fabelpreise, um Transportkapazitäten zu ergattern. Bereits für das Jahr 2021 konnte Hapag-Lloyd aufgrund hoher Frachtraten einen exorbitanten Gewinn von 9,1 Milliarden Euro verkünden. Und im vergangenen Jahr stiegen die Frachtraten weiter, und der Gewinn legte auf mehr als 17 Milliarden Euro unter dem Strich zu. Das waren noch einmal knapp acht Milliarden Euro mehr.

Doch schon im vierten Quartal 2022 kühlte sich die Nachfrage ab, die Störungen in den Lieferketten beruhigten sich, und die Frachtraten sanken deutlich. Und so wird es wohl auch weitergehen. Rolf Habben Jansen, der Vorstandschef des Unternehmens, fasste es bei der Vorstellung der Hapag-Lloyd-Bilanz für 2022 am Donnerstag so zusammen. „Solche außergewöhnlichen Zahlen werden wir eine lange Zeit nicht wieder sehen.“

Was er damit gemeint hat, offenbart seine Erwartung an den Geschäftsverlauf in diesem Jahr: Schließlich prognostiziert Habben Jansen einen Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) zwischen zwei und vier Milliarden Euro. Das wären im Bestfall nicht einmal ein Viertel dessen, was sein Unternehmen im vergangenen Jahr erwirtschaftet hat. „Die Konjunktur hat sich abgekühlt, und ein deutlicher Ergebnisrückgang bleibt unausweichlich“, sagte der Manager. Zwischen dem Rückblick und dem Ausblick des Schifffahrtskaufmanns vom Ballindamm liegen somit Welten. Angesichts des andauernden Krieges in der Ukraine und weiterer geopolitischer Konflikte sind die Prognosen allerdings mit Unsicherheiten behaftet.

Transportnachfrage „müssen wir im Auge behalten“

Als Gefahr sieht Habben Jansen, dass die Transportnachfrage aufgrund zahlreicher während der Corona-Pandemie in Auftrag gegebener neuer Schiffe dem Angebot nicht folgen wird: „Das Angebot wird sicher eine Weile über der Nachfrage liegen. Das müssen wir im Auge behalten.“ Erschwerend muss der Manager sich mit hohen Transportkosten pro Stahlbox auseinandersetzen, die nicht zuletzt wegen der hohen Treibstoffpreise im vergangenen Jahr um 18 Prozen

t gestiegen sind. Vorsorglich kündigte er Sparmaßnahmen an. „Wir werden Kosten herausnehmen, wo es nötig und möglich ist“, erklärte er.

Bei allen diesen Problemen wäre Habben Jansen Ende dieses Jahres auch mit dem prognostizierten Ergebnis von zwei bis vier Milliarden Euro voll zufrieden: „Es wäre das drittbeste Ergebnis in unserer 176-jährigen Firmengeschichte“, sagte er. Der Vergleich mit dem Vor-Corona-Jahr 2019 zeigt, warum: Damals blieben Hapag-Lloyd nach Abzug aller Verbindlichkeiten 373 Millionen Euro übrig. Und schon das löste zu jener Zeit einen steigenden Aktienkurs an der Börse aus.

Hafen Hamburg: Hapag-Lloyd erwartet deutlichen Gewinnrückgang

Aber was einmal war, interessiert Anleger nicht, sondern nur das, was kommt. Am Donnerstag drehte die Akte ins Minus, wenn auch nur minimal um weniger als ein Prozent. Am Nachmittag stand das Wertpapier bei 281 Euro.

Dass der prognostizierte Gewinneinbruch keine Verkaufsorgie an der Börse lostrat, ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass das Unternehmen seine Anteilseigner wieder einmal glücklich macht: 63 Euro Dividende schlägt der Vorstand pro Aktie zur Ausschüttung vor, elf Milliarden Euro insgesamt. Für die Stadt Hamburg, die 13,9 Prozent am Unternehmen hält, sind damit 1,5 Milliarden vorgesehen, für den Großaktionär Klaus-Michael Kühne mit seinen 30 Prozent 3,3 Milliarden Euro. Die Gefahr, dass das Unternehmen zu viel ausschütten könnte, sieht Habben Jansen nicht. „Warum auch? Wir sind immer noch schuldenfrei und haben immer noch viel Geld auf der Bank.“

Hapag-Lloyd investiert seine Gewinne zum einen in die Ausstattung seiner Containerflotte mit Sendern, damit sie überall auf der Welt verfolgt werden können. Eine dreistellige Millionensumme kostet das. Zum anderen hat das Unternehmen seinen konjunkturellen Aufschwung dazu genutzt, um weitere Terminalbeteiligungen zu erwerben und seine Präsenz in den Häfen zu erhöhen. Weltweit ist das Unternehmen jetzt in 20 Häfen engagiert – von der Westküste Südamerikas bis zur Ostküste Indiens. In Deutschland am Hamburger Containerterminal Altenwerder und am Containerterminal Wilhelmshaven. Und da reichlich Bares übrig ist, denkt Habben Jansen an eine Ausweitung: „Wir wollen unser Terminalportfolio ausbauen, wenn sich die Möglichkeiten dazu bieten und es sinnvoll erscheint.“

Hapag-Lloyd will an Tonnagesteuer festhalten

An der Tonnagesteuer, die Reedereien massiv entlastet, möchte Habben Jansen am liebsten festhalten. Sie führt dazu, dass Reedereien nicht nach den Gewinnen, sondern der Größe ihrer Schiffe besteuert werden. Dass Hapag-Lloyd auf seine Milliardengewinne aufgrund dieser Erleichterung wohl nicht mehr als ein Prozent Steuern zahlt, dürfte ihn freuen. Aber selbst wenn die diskutierte globale Mindeststeuer von 15 Prozent eingeführt würde, hätte die Reederei damit kein Problem: „Das könnten wir selbstverständlich bezahlen“, so Finanzvorstand Mark Frese.

Auf die aktuelle Diskussion, ob Hamburgs Hafen zu teuer ist, ging Habben Jansen nicht direkt ein. Den Hamburger Hafen fordert er aber zur engeren Kooperation mit den anderen deutschen Seehäfen auf. „Ich sage, die deutschen Häfen sollten enger zusammenarbeiten. Nicht nur um ihre Kosten zu senken, sondern auch um ihre Leistung zu steigern. Das ist notwendig, damit die Häfen ihre Position im europäischen Wettbewerb nicht weiter verlieren.“

Hapag-Lloyd gilt mit einer Flotte von 251 Containerschiffen und einer Transportkapazität von 1,8 Millionen TEU als die fünftgrößte Reederei der Welt. Das Unternehmen beschäftigt 14.500 Mitarbeiter in 135 Ländern.