Hamburg. Ladung für Hamburg hängt wochenlang in Elbmündung fest. Meldungen zur Hafenfusion im Norden sorgen zudem für Unruhe.

Autos, Maschinen, Technik, Chemie: Deutschland ist eine große Exportnation – und der Hamburger Hafen ist einer der größten Garanten des Exports. Doch nun droht er, seiner Aufgabe nicht mehr gerecht werden zu können. Der Containerstau nimmt ungeahnte Ausmaße an. Züge mit Exportladung werden nur noch eingeschränkt angenommen – und jetzt drohen die Hafenarbeiter auch noch mit Arbeitskampfmaßnahmen. „Wenn es dazu kommt, haben wir in Hamburg den Super-GAU“, sagt ein Reeder.

Dem Vernehmen nach plant die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di ab dem kommenden Dienstag Streikaktionen. Offiziell will sich die Tarifkommission dazu noch nicht äußern. Man sei noch in der Abstimmung, heißt es. In Bremerhaven haben Arbeitnehmervertreter bereits über soziale Netzwerke angekündigt, am North Sea Terminal Bremerhaven (NTB) die Arbeit einzustellen. Rechtlich wäre das möglich: Ver.di und Arbeitgeber streiten derzeit über neue Tarifverträge für rund 12.000 Beschäftigte in deutschen Häfen, davon 5000 in Hamburg. Die Friedenspflicht endete vor zwei Tagen. Und die Arbeitnehmer sind mit dem bisherigen Angebot der Arbeitgeber unzufrieden.

Hamburg: Schiffe warten seit Tagen auf Freigabe für den Hafen

Besonders betroffen wäre beim Streik der Containerterminal der HHLA am Burchardkai (CTB). Dieser leidet wie alle anderen Umschlaganlagen seit Monaten unter den seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie gestörten Lieferketten und den massiven Schiffsverspätungen. Container, die sonst nur Stunden oder Tage auf ihre Verladung warten, stauen sich deutlich länger. Die Lager sind randvoll. Die HHLA musste sogar zusätzliche Lagerflächen anmieten. Diese liegen aber weit entfernt, wodurch sich die Wartezeit auf Container verlängert. Zudem war ein Teil der Umschlaganlagen am Burchardkai wegen Bauarbeiten über Wochen gesperrt. Hier installiert die Hamburg Port Authority (HPA) im Auftrag des Senats Landstromanlagen. Die Folge: Schiffe werden nur noch mit deutlichen Verzögerungen und mit Wartezeiten abgefertigt.

In der Deutschen Bucht ist die Zahl der auf Einfahrt in den Hamburger Hafen wartenden Schiffe dem Branchendienst Freight Waves zufolge inzwischen auf 20 angewachsen. Darunter sind zwei Schiffe der großen singapurischen Containerreederei One (Ocean Network Express), die seit Tagen auf ihre Freigabe für Hamburg warten. „Die Lage ist sehr angespannt und muss sich schnell ändern. Wir reden täglich mit den Terminalbetreibern“, sagt Jan Holst, der Deutschlandchef von One. Manchmal ginge die Abfertigung in Hamburg schnell, aber manchmal müsse ein Schiff sogar bis zu 20 Tage warten.

Wartezeiten von zwei Wochen und mehr sind realistisch

„Die Wartezeiten in Hamburg sind unbefriedigend“, sagt auch Nils Haupt, Sprecher der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd. „Wir rechnen mit zunehmenden Liegezeiten in der Deutschen Bucht, insbesondere für unsere importstarken Fernostdienste.“ 14 Tage und mehr seien realistisch. Ursache sei aber nicht allein die Leistung der Terminalpartner, sondern auch die Auslastung der Hinterlandinfrastruktur. Aufgrund der langen Wartezeiten hat Hapag-Lloyd bereits einen Schiffsdienst aus China vorübergehend aus Hamburg abgezogen und nach Wilhelmshaven verlegt. Auch für andere Dienste plant die Reederei Doppel-Anläufe: in Wilhelmshaven zum Abladen, in Hamburg zur Aufnahme neuer Container.

Die Schiffsmakler warnen: „Wenn es nicht gelingt, die angespannte Situation in den nächsten Wochen aufzulösen, droht eine ,Kalifornisierung‘ nicht nur der deutschen, sondern auch der europäischen Häfen“, sagt der Geschäftsführer des Vereins Hamburger und Bremer Schiffsmakler, Alexander Geisler, mit Blick auf die kalifornischen Häfen von Los Angeles und Long Beach, wo sich zeitweise mehr als 100 Schiffe stauten.

Auch in den USA staut es sich in den Häfen

Zudem könnte es weitere Ladungsverschiebungen ähnlich wie in den USA geben, warnt Geisler. Dort könne man bereits eine Verlagerung von signifikanten Mengen weg von den Westhäfen, hin zur Ostküste beobachten. Sie finde statt, weil Reeder und Verlader befürchten müssen, dass auch die Tarifverhandlungen in den USA von Arbeitskämpfen begleitet werden könnten. Dies würde eine weitere Belastung für die Lieferketten bedeuten.

Allein beim Hafenkonzern HHLA sind es neun Schiffe, die derzeit in Warteposition gehalten werden. „Wir tun, was wir können, um die Probleme zu lösen“, sagt ein Unternehmenssprecher. „Wir stellen aber zunehmend fest, dass Importcontainer nicht abgeholt werden. Solange diese nicht weggebracht werden, fehlt der Platz für neue Exportcontainer.“ Über die Gründe könne man nur spekulieren, so der Sprecher. „Offenbar sind auch im Hinterland bei den Firmen die Lager alle voll. Zudem geht die Kauflust aufgrund der hohen Inflation zurück.“

Stau im Hamburger Hafen: Fusionsgespräche ausgesetzt

Die HHLA bemüht sich um Entlastung, indem sie derzeit ein zusätzliches Lager für Importcontainer mit 70.000 Quadratmetern einrichtet. Das entspricht ungefähr zehn Fußballfeldern. „Dort werden jetzt Licht- und Funkmasten gesetzt“, so der HHLA-Sprecher.

Unterdessen sorgen neue Meldungen in Hamburgs Hafenwirtschaft für Unruhe, wonach die Fusionsgespräche zwischen den beiden großen Terminalbetreibern HHLA und Eurogate ausgesetzt worden sein sollen. Hintergrund ist nach einem Bericht des Bremer Fernsehmagazins
„buten un binnen“, der Krieg in der Ukraine und dessen Folgen für die Häfen. Die Fusionsgespräche sollen nach dem Bericht zwar wieder aufgenommen werden, aber vorher müssten Unternehmensberater die beiden Terminalbetreiber neu bewerten. Wie berichtet, planen HHLA und Eurogate ihr Containerumschlaggeschäft in den deutschen Häfen zusammenzulegen. Bisher ohne Ergebnis.