Hamburg. Eine Fraunhofer-Studie hat Hamburgs Wasserstraßen untersucht. Wie spezielle Schiffe künftig den Straßenverkehr entlasten könnten.

Gehören Transportschiffe auf den Hamburger Kanälen und auf der Alster bald zu Hamburgs Stadtbild? Und könnten sie damit den Straßenverkehr auch in der City von Lkw-Verkehr entlasten? Das Fraunhofer Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen CML (Fraunhofer CML) hat im Auftrag der Hamburger Wirtschaftsbehörde untersucht, ob die Revitalisierung innerstädtischer Wasserwege und damit die Nutzung als Transportwege eine Lösung auch für Hamburg sein könnte.

Laut Projektleiter Ralf Fiedler vom Fraunhofer Center wurden für die Machbarkeitsstudie verschiedene Gebiete in Hamburg untersucht, wo es noch schiffbare Wasserläufe gibt. Dort wurden sowohl das Angebot, also die bestehende Infrastruktur, als auch die Nachfrage nach so einer Transportmöglichkeit untersucht. „Wir haben die Bereiche der Alster, die Kanäle, darunter die Isebek und die Osterbek, aber auch den Bereich der Bille mit Billbrook, Hammerbrook, City Süd und den dortigen Kanälen mit ihren Verbindungen zur Elbe betrachtet“, sagt der Diplom-Ingenieur.

Lkw-Verkehr soll auf Hamburgs Kanäle verlegt werden

„Da findet auch Schifffahrt statt, vor allem in Billbrook, Hammerbrock, da gibt es Betriebe, die von ,normalen Binnenschiffen‘ angesteuert werden und wo Güter hintransportiert werden. Das heißt, das ist keine völlig neue Idee. Wir wollten aber in andere logistische Bereiche rein.“ Ziel bei alledem sei eine Verlagerung des Verkehrs und eine Entlastung der Straßen, so Fiedler.

Für die Studie haben die Wissenschaftler die Wasserwege genau kartiert. In innerstädtischen Bereichen gibt es laut Fiedler sehr unterschiedliche Uferbebauungen von unbefestigt bis hin zu Mauern und Böschungen. Diese Infrastruktur sei teilweise verbesserungsbedürftig, um einen sicheren Zugang zum Gewässer zu erreichen. Tief genug seien die Gewässer für den Gütertransporte, auch wenn es in vielen Kanälen einen Wartungsstau gebe, etwa was die Ausbaggerung von Sedimenten angeht.

Water Cargo Barge: Der neue Lkw fürs Wasser?

In der Studie entwickelten Fiedler und seine Kollegen auch einen Modellentwurf für ein mögliches neues Transportschiff, die sogenannte Water Cargo Barge (WaCaBa). Dessen Größe orientiert sich an den Abmessungen der Brücken und Schleusenbauwerke im Untersuchungsgebiet.

Die Forscher entwickelten zwei unterschiedlich große Schiffe, weil man ein großes vielleicht nicht immer auslasten könnte. Das größere Modell wurde mit 31 Metern Länge und 5,20 Metern Breite geplant, das kleinere wäre 18,80 Meter lang und 5,20 Meter breit. Der Tiefgang wurde bei beiden Schiffen mit 1,40 Metern berechnet. Als Zuladung wären beim größeren Schiff dann 107,70 Tonnen möglich, beim kleineren 64,09 Tonnen.

Nur ein beladenes Schiff ist wirtschaftlich zu betreiben

„Bei der Schifffahrt geht es ums Geld. Es geht auch darum, ein Schiff vollzuhaben und möglichst viel mitzunehmen bei einer Fahrt, weil es sonst unwirtschaftlich wird“, sagt Fiedler. Was genau dann damit transportiert würde, sei noch offen. Die Waren ließen sich auf Paletten, in Gitterboxen oder Containern befördern. Aber auch vorgepackte Lasten­räder wären denkbar.

„Wir halten hier viel von autonomer Schifffahrt, haben aber im ersten Entwurf davon abgesehen und ein Führerhaus vorgesehen“, sagt Fiedler. Ein wichtiges Thema, was es zu beachten gelte, sei nämlich die Akzeptanz eines solchen neuen Angebots. „Die Alster ist nicht nur ein Stück Natur mitten in Hamburg, sondern dient auch der Freizeitnutzung.“ Autonomen Systemen zu vertrauen, dass diese mit Paddlern und Schlauchbootfahrern umgehen können, sei so eine Sache.

So sieht der Entwurf für die Water Cargo Barge ausVisualisierung: Fraunhofer CML
So sieht der Entwurf für die Water Cargo Barge ausVisualisierung: Fraunhofer CML © Fraunhofer CML | Fraunhofer CML

Transport auf dem Wasserweg ist für Paketdienste interessant

Es bringe auch nichts, ein neues Transportsystem aufzubauen, wenn es niemand haben möchte, sagt der Studienleiter. Neben einer Branchenanalyse in den Gebieten hätten sie auch eine umfangreiche Befragung durchgeführt. „Es gibt vorsichtiges Interesse“, sagt Fiedler. Man habe aber auch viel Skepsis erfahren.

An der Alster haben die Forscher Branchen wie Hotellerie und Gastronomie sowie Groß- und Einzelhandel in den Blick genommen. Grundsätzlich würden dort laut Studie viele ein Umschwenken befürworten, allerdings seien viele Lieferanten selbst nicht wassernah verortet. Interessant könnte der Transport auf dem Wasserweg für Kurier- und Paketdienste sein. „Sie haben Zustellungsprobleme in dicht besiedelten Gebieten wie der HafenCity und der Innenstadt. Da haben wir ein Interesse wahrgenommen. Aber da muss noch viel Vorarbeit geleistet werden“, sagt Ralf Fiedler.

Water Cargo Barge könnte zu Nutzungskonflikten führen

Zusammenfassend sei zu sagen, dass die Infrastruktur der innerstädtischen Wasserwege nutzbar sei, aber auch investiert werden müsste, um sie leistungsfähig zu machen, heißt es in der Machbarkeitsstudie. Die Water Cargo Barge könnte umweltfreundlich, weil elektrisch fahren und in der Innenstadt als Mikrodepot fungieren. Allerdings gebe es Nutzungskonflikte – besonders an der Alster, nicht nur von Anwohnern und Nutzern, sondern weil beispielsweise die Umweltbehörde andere Nutzungskonzepte verfolge, um die Schifffahrt zurückzudrängen.

„So ein Schiff wird im Bau 800.000 bis 900.000 Euro kosten. Da muss man eine konstante Nachfrage haben, die dieses Fahrzeug auslastet. Die Wasser­flächen sind da. Vielleicht ist es eine Möglichkeit, den Hamburger Straßenverkehr zu entlasten“, sagt Fiedler.

Projektleiter Ralf Fiedler, Fraunhofer CML
Projektleiter Ralf Fiedler, Fraunhofer CML © Fraunhofer CML | Fraunhofer CML

Transportschiffe auf der Alster: Hamburg feilt an neuem Konzept

Hamburg liegt damit im Trend. Auch andere europäische Städte würden derzeit an solchen Konzepten arbeiten, so der Forscher. In Utrecht beispielsweise sei die Belieferung von Betrieben in der Innenstadt aufgrund von Restriktionen fast unmöglich geworden. Dort sei die Stadt eingesprungen und ist Eigentümer eines Schiffs, das gechartert werden könne, um diese Betriebe zu beliefern. „Das ist ein spezieller Fall, nicht unbedingt übertragbar, aber eine Idee, dass da vielleicht über einen neutralen Akteur der gordische Knoten durchschlagen werden kann“, so der Projektleiter.

Die Machbarkeitsstudie des Fraunhofer CML wurde der Wirtschaftsbehörde inzwischen vorgelegt. Behördensprecherin Susanne Meineke sagt: „Die Motivation, eine Water Cargo Barge als Option für den Gütertransport in Hamburg zu analysieren, resultierte hauptsächlich aus zwei Überlegungen: zum einen die logistische Notwendigkeit, Versender und Empfänger in der Stadt Hamburg pünktlich und ohne Risiko einer starken zeitlichen Verzögerung zum Beispiel durch Stau zu erreichen, zum anderen einen Verlagerungseffekt des Güterverkehrs von der Straße auf dem Wasserweg mit dem damit einhergehenden positiven Umwelteffekt zu erzielen.“

Lkw fürs Wasser: Behörde stellt Förderantrag für Prototypen

Jede Berechnung der Wirtschaftlichkeit und Umwelteffekte seien aber vom Einsatzszenario abhängig. „Damit fällt die abschließende Beurteilung der WaCaBa im Rahmen dieser Studie nicht eindeutig aus, denn derzeit gibt es noch kein Betriebskonzept, das aus wirtschaftlicher Sicht einen Betrieb wettbewerbsfähig ermöglicht.“

Meinecke weiter: „An die Ergebnisse der Studie anknüpfend, wird angestrebt, gemeinsam mit Stakeholdern der Logistikbranche in Hamburg einen Prototypen aufs Wasser zu bringen, um die logistische Nutzung von Wasserwegen in Hamburg konkret erproben zu können. Dafür wurde im Rahmen des EU-Förderprogramms der Europäischen Union für Forschung und Innovation, Horizon 2020, ein Förderantrag vonseiten Hamburgs gestellt.“