Hamburg. Hamburger Reederei gehört zu Gewinnern der Pandemie. Mengen an Containern führen zu Staus vor Häfen, Terminals vielerorts überlastet.
Die Folgen der Corona-Pandemie haben die Schifffahrtsbranche in eine große operative Krise gestürzt. Das sagt der Chef der Hamburger Traditionsreederei Hapag-Lloyd, Rolf Habben Jansen. Hauptursachen seien eine explodierende Nachfrage nach Waren aus aller Welt, Engpässe bei Inland-Transporten und in den Häfen sowie eine Knappheit an Containern aufgrund langer Umschlagsdauer.
Es habe eine plötzliche Verschiebung des Konsumverhaltens der Verbraucher weg von Dienstleistungen hin zu Waren gegeben, sagte der Vorstandsvorsitzende der Reederei bei einer Videokonferenz mit Journalisten aus aller Welt. „Da das Reisen und Ausgehen während des Lockdowns nicht möglich war, wurde Geld für Waren und das Leben zu Hause ausgegeben.“ Dadurch sei die Nachfrage nach Transportkapazitäten massiv angestiegen.
Hapag-Lloyd: Gewinn 2020 um 60 Prozent gestiegen
Medizinischer Bedarf, Notebooks und Desktop-Geräte, Heimwerkerbedarf wie Farben, mechanische und elektrische Werkzeuge, Fitnessgeräte, Yoga-Ausstattungen, Fahrräder, Unterhaltungsgeräte wie Fernseher und Spielekonsolen, Möbel und Spielzeug würden derzeit überwiegend in Containern über die Weltmeere gefahren.
Die Schifffahrtsbranche hat bisher daran gut verdient und tut es derzeit auch weiter. Hapag-Lloyd hat das Geschäftsjahr 2020 mit einem Gewinnsprung von 60 Prozent gegenüber 2019 abgeschlossen. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) kletterte auf rund 1,3 Milliarden Euro – trotz Corona.
Reederei Hapag-Lloyd erwartet auch für 2021 Gewinnsteigerung
Auch für 2021 erwartet die fünftgrößte Reederei der Welt mit Hauptsitz am Ballindamm eine deutliche Gewinnsteigerung. Für das erste Quartal rechnet das Management mit einem Ebit von mindestens 1,25 Milliarden Euro. Im Vorjahreszeitraum lag der Wert mit 160 Millionen Euro mehr als deutlich darunter.
War die Transportnachfrage zu Beginn des Lockdowns im ersten Halbjahr 2020 noch eingebrochen, habe sich das Kaufverhalten im zweiten Halbjahr komplett gewandelt, so Habben Jansen. Allein in den USA seien die Einzelhandelsausgaben für Waren im vergangenen Jahr um sieben Prozent gegenüber 2019 angestiegen: „Niemand sah diese Entwicklung kommen oder sagte eine Steigerung des Konsums trotz der Pandemie vorher. Stattdessen wurden die wirtschaftlichen Vorhersagen weltweit drastisch gesenkt.“
Unterstützung der Regierungen begünstigte Konsumverhalten
Auch die Schifffahrtsbranche habe anfangs unter sinkenden Transportmengen gelitten. „Im April 2020 verlor Hapag-Lloyd im Vergleich zum März jeden Tag etwa sieben Millionen Dollar an Umsatz“, so Habben Jansen. Doch das dauerte nicht lange. Viele Konsumenten hätten weiterhin viel verfügbares Einkommen gehabt, nicht zuletzt durch eine massive finanzielle Unterstützung durch die Regierungen, etwa mit Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld. Das habe zu der „explodierenden“ Nachfrage geführt.
Die Transportkapazitäten würden nunmehr kaum ausreichen, um die Nachfrage zu bedienen. Die Zahl beschäftigungsloser Schiffe gehe gegen null. „Unsere Flotte an Standard-Containern war noch nie so stark ausgelastet wie im vierten Quartal 2020.“ Hapag-Lloyd habe sogar 52 zusätzliche Schiffe eingesetzt, um Hunderttausende leere Container an Orte mit hoher Nachfrage zu bringen.
Lange Staus vor Häfen führen zu langen Wartezeiten
Die Rekordmengen an Containern führen zu Staus vor den Häfen, weil Umschlagterminals vielerorts überlastet seien und weit über ihren Kapazitäten arbeiteten. Die Folge sind lange Wartezeiten. In europäischen Häfen wie Hamburg und Rotterdam sei das Problem nicht so groß, so Habben Jansen.
In anderen Häfen auf der Welt aber schon. Im zweitgrößten Hafen der USA, Long Beach in Kalifornien, würden seit Oktober mehr Schiffe vor der Einfahrt auf ihre Abfertigung warten als der Hafen Liegeplätze habe. Am 15. Januar seien 25 Schiffe im Hafen von Long Beach gewesen. Zusätzlich hätten aber 34 auf ihre Einfahrt gewartet.
Durch Corona: 36 Prozent der Hapag-Lloyd-Schiffe pünktlich
Das habe die Fahrpläne der Liniendienste durcheinandergewirbelt, sagte Habben Jansen. Seien 2019 noch annähernd 80 Prozent der Hapag-Lloyd-Schiffe innerhalb eines Tages pünktlich gewesen, wären es nunmehr nur noch 36 Prozent. Die Verspätung habe im Januar durchschnittlich bei gut fünf Tagen gelegen, in den am meisten betroffenen Fahrtgebieten Transpazifik und Fernost seien es sogar zehn beziehungsweise sieben Tage.
Hinzu kommt, dass die Verweildauer der Container bei den Kunden angestiegen ist, was auch mit den Folgen des Lockdowns zusammenhängt. Die durchschnittliche Containernutzung habe sich von 26 auf 29 Tage verlängert. Die Verfügbarkeit von Lkw ist wegen Corona weiterhin eingeschränkt, was die Knappheit an Containern noch verstärkt.
Hapag-Lloyd spart Kosten ein
Das alles sind Probleme, unter denen die Kunden leiden, die länger auf Ware aus Fernost warten müssen, sowie Verlader und Spediteure, die auf einmal mit hohen Transportpreisen zu kämpfen haben. Die Reedereien verdienen hingegen viel Geld.
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Habben Jansen führt die deutlich gestiegene Profitabilität der Hapag-Lloyd allerdings weniger auf die hohen Transportpreise zurück, sondern vor allem auf Kosteneinsparungen, die das Unternehmen als Risikovorsorge vorgenommen hat. Auch die Frachtraten seien zwar gestiegen, aber nur um etwa vier Prozent gegenüber 2019, betonte er bei dem Gespräch.
Transportkapazitäten absichtlich verknappt?
Vorwürfe von Verladern und Spediteuren, die Reedereien würden die Transportkapazitäten künstlich knapp halten, um die Frachtraten und die eigenen Erträge zu erhöhen, weist der Vorstandschef zurück: „Versender, die sich jetzt über zu hohe Raten beschweren, sind oft diejenigen, die aufgrund der vorherrschenden wirtschaftlichen Bedingungen Raten gezahlt haben, die höchstens kostendeckend waren.“
Hapag-Lloyd habe zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die eigenen Kunden zu unterstützen, beispielsweise mit Preisnachlässen bei Containergebühren. In der zweiten Jahreshälfte 2021 rechnet Habben Jansen deshalb auch mit einer Normalisierung des Marktes.