Hamburg. Hamburg-Konvent hat Debatte angestoßen, wie sich die Stadt entwickeln soll. Heute: Malte Siegert, Vorsitzender Nabu-Landesverband.
Der Hamburg-Konvent diskutiert seit einigen Monaten mit Bürgern und Experten die Zukunft der Stadt. An dieser Stelle wird das Hamburger Abendblatt in den kommenden Wochen Gastbeiträge zum Thema veröffentlichen. Den Auftakt macht Malte Siegert vom Nabu.
Das von politischen Entscheidern, Hafenwirtschaft und Handelskammer häufig verwendete Narrativ „Der Hafen ist Hamburg, und Hamburg ist der Hafen“ ist wirkmächtig. Die gegenwärtige Erzählung geht so: Der Hafen wächst, produziert zukünftig klimaneutralen Wasserstoff, baut Landstromanlagen für Teile der Kreuz- und Handelsschifffahrt und siedelt maritime Start-ups an. Ansonsten reicht „business as usual“ für den Erfolg. Verkauft wird die Erzählung über den Hafenentwicklungsplan, der in diesem Jahr erstellt werden soll.
Die Digitalisierung verändert global die Produktion
Narrativen ist zu eigen, dass sie konstruiert sind. Die Wirklichkeit sieht eher so aus: Die Digitalisierung verändert global Produktion, Transport und Logistik. Nicht nur Chinas Neue Seidenstraße endet in Piräus. Weil kurze Wege mit vollbeladenen Großcontainerschiffen aus Asien rentabler für die Reeder sind, bauen Häfen im Mittelmeerraum Terminal-Kapazitäten aus.
Mit der Folge, dass zukünftig verstärkt kleinere Feeder-Schiffe die Nordsee-Häfen ansteuern. Die Entwicklung ist unschön, wird aber öffentlich beharrlich ignoriert. Dabei beteiligen sich die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd sowie Terminalbetreiber HHLA nebst Marktbegleiter Eurogate vorsorglich an mediterranen Häfen.
Stagnation auf niedrigem Niveau
Weil die südeuropäischen Länder Bahn-Hinterlandanbindungen inklusive Alpentunnel entwickeln, rollt ein Teil der Boxen fortan auf der Schiene von Süden nach Nordeuropa. Eine Studie der Wirtschaftsbehörde vom letzten November lässt die Entwicklung im Mittelmeerraum gänzlich unberücksichtigt und zeichnet für den Hamburger Hafen eine verhaltene Umschlagsprognose von jährlich elf bis 14 Millionen Container bis 2035.
Wahrscheinlicher ist eher Stagnation auf niedrigem Niveau. Deswegen ist die Umsetzung der Elbvertiefung nicht nur ökonomisch fahrlässig. Denn die kostspielige Sediment-Baggerei nebst unklarer Verklappung nimmt durch die Strombaumaßnahme massiv zu. Sondern ökologisch unverantwortlich, weil die Tideelbe absehbar unnötig, aber irreversibel geschädigt wird.
Hamburg braucht ein klimaneutrales Hafen-Kapitel
Der Welthafen scheint am Wendepunkt. Deswegen braucht Hamburg ein klimaneutrales, ökologisch stimmiges und nachhaltiges Hafen-Kapitel. In dem weder Größe noch Umschlag entscheidend sind, sondern einzig Qualität und Konzentration auf das Wesentliche. Dazu gehört die bessere Kooperation mit deutschen Nachbar-Häfen sowie die gesetzliche Verpflichtung, den schlechten Zustand des Flusses zu verbessern.
Zudem spielen Lärm-, Luft- und Lichtbelastung wegen 24/7-Hafenwirtschaft sowie das Thema Flächennutzung eine herausragende Rolle. Beispiel Kleiner Grasbrook. Warum nur einen Teil bebauen? Warum nicht das ganze, durch Verschiffung von Autos ohnehin schlecht genutzte Areal zugunsten von Wohnen und alternativen Wertschöpfungsoptionen aus dem Hafengebiet entlassen? Diskutiert werden muss zudem, ob das von Shell zurückgekaufte Filetstück Kattwyk-Halbinsel sinnvoller zu entwickeln ist, als es durch den Bau der A 26 Ost entwerten zu lassen.
Ohne maximale Expansionsmöglichkeiten geht die Hafenwirtschaft unter
Das wäre angesichts negativer Klimaeinflüsse durch die betonlastige Dinosaurier-Autobahn ohnehin geboten. Die Mobilitätswende darf keine politische Plattitüde bleiben. Mit Blick auf Hamburgs Klimaverpflichtungen müssen Einsparpotenziale im Verkehrssektor konsequent ausgeschöpft werden. Ein Weniger heute ist ein Mehr für morgen.
So ist Moorschutz dann kostenloser Klimaschutz, wenn wertvolle Restmoorflächen als Kohlenstoffsenken sowie andere Grünbereiche in und um den Hafen erhalten bleiben. Und nicht durch Gewerbeflächen oder aus der Zeit gefallene Verkehrsinfrastrukturprojekte zerstört werden, deren Einflüsse auf Klima, Natur und Artenvielfalt im Nachgang auch noch teuer kompensiert werden müssen.
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Den Hafen wirklich neu zu denken, kollidiert jedoch mit einem anderen wirtschaftspolitischen Narrativ: Ohne maximale Expansionsmöglichkeiten geht die Hafenwirtschaft unter. Andere, positive Erzählungen wie die des Abschieds von der autogerechten Stadt für mehr Lebensqualität oder innovativen Entwicklungsoptionen im Hafen haben es dagegen schwer. Und brauchen eine Stimme. Deswegen ist es überfällig, mit der gesamten Stadtgesellschaft ein gemeinsames Narrativ zu entwickeln, in dem der Hafen ein Kapitel schreiben darf, nicht aber die ganze Geschichte.