Hamburg. Nachfrage nach Waren aus aller Welt sei in der Corona-Pandemie groß wie nie, sagt Rolf Habben Jansen: Statt zu reisen, wird gekauft.

Die Folgen der Corona-Pandemie haben die Schifffahrtsbranche in eine große operative Krise gestürzt. Das sagt der Chef der Hamburger Traditionsreederei Hapag-Lloyd, Rolf Habben Jansen. Hauptursachen seien eine explodierende Nachfrage nach Waren aus aller Welt, Engpässe bei Inland-Transporten und in den Häfen, sowie eine Knappheit an Containern aufgrund langer Umschlagsdauer.

Es habe eine plötzliche Verschiebung des Konsumverhaltens der Verbraucher weg von Dienstleistungen hin zu Waren gegeben, sagte der Reederei-Chef bei einer Videokonferenz mit Journalisten aus aller Welt.  „Da das Reisen und Ausgehen während des Lockdowns nicht möglich war, wurde Geld für Waren und das Leben zu Hause ausgegeben.“ Dadurch sei die Nachfrage nach Transportkapazitäten massiv angestiegen.

Hapag-Lloyd-Chef: "Niemand sah diese Entwicklung kommen"

Sei die Nachfrage zu beginn des Lockdowns zu Beginn der Pandemie im ersten Halbjahr 2020 noch eingebrochen, habe sich das Kaufverhalten im zweiten Halbjahr komplett gewandelt. Allein in den USA seien die Einzelhandelsausgaben für Waren im vergangenen Jahr um sieben Prozent gegenüber 2019 angestiegen. „Niemand sah diese Entwicklung kommen, oder sagte eine Steigerung des Konsums trotz der Pandemie vorher. Stattdessen wurden die wirtschaftlichen Vorhersagen weltweit drastisch gesenkt.“

Die Schifffahrtsbranche habe unter sinkenden Transportmengen gelitten. „Im April verlor Hapag-Lloyd im Vergleich zum März jeden Tag etwa sieben Millionen Dollar an Umsatz“, so Habben Jansen. Doch viele Konsumenten hätten weiterhin viel verfügbares Einkommen gehabt, nicht zuletzt durch eine massive finanzielle Unterstützung durch die Regierungen, etwa mit Arbeitslosengeld oder Kurzarbeitergeld. Das habe zur „explodierenden“ Nachfrage geführt.

Hapag-Lloyd-Containerflotte "noch nie so stark ausgelastet"

Transportkapazitäten seien deshalb knapp, sagte Habben Jansen. Die Zahl beschäftigungsloser Schiffe gehe gegen Null. „Unsere Flotte an Standard-Containern war noch nie so stark ausgelastet wie im vierten Quartal 2020.“ Hapag-Lloyd habe sogar 52 zusätzliche Schiffe eingesetzt, um Hunderttausende leere Container an Orte mit hoher Nachfrage zu bringen.

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Allerdings hat die Branche daran gut verdient und tut es derzeit auch weiter. Hapag-Lloyd hat das Geschäftsjahr 2020 mit einem Gewinnsprung von 60 Prozent gegenüber 2019 abgeschlossen. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) kletterte auf rund 1,3 Milliarden Euro – trotz Corona.  Auch für 2021 erwartet die fünftgrößte Reederei der Welt mit Hauptsitz am Ballindamm eine deutlichen Gewinnsteigerung.  Für das erste Quartal rechnet das Management mit einem Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) von mindestens 1,25 Milliarden Euro. Im Vorjahreszeitraum lag der Wert mit 160 Millionen Euro mehr als deutlich darunter.

Gestiegener Gewinn vor allem durch Einsparung bei Kosten

Habben Jansen führt die deutlich gestiegene Profitabilität vor allem auf Kosteneinsparungen zurück. Auch die Frachtraten seien zwar gestiegen, aber nur um etwa vier Prozent gegenüber 2019.

Vorwürfe von Verladern und Spediteuren, die Reedereien würden die Transportkapazitäten künstlich knapp halten, um die Frachtraten und die eigenen Erträge zu erhöhen, weist der Vorstandschef zurück: „Versender, die sich jetzt über zu hohe Raten beschweren sind oft diejenigen, die aufgrund der vorherrschwenden wirtschaftlichen Bedingungen Raten gezahlt haben, die höchstens kostendeckend waren.“ In der zweiten Jahreshälfte 2021 rechnet Habben Jansen aber mit einer Normalisierung des Marktes.