Hamburg. Die Unternehmen HHLA und Eurogate ringen um die Führung im neuen Gemeinschaftskonzern. Der Senat mischt ordentlich mit.
Der Hamburger Senat mischt jetzt doch massiv bei den Kooperationsgesprächen von HHLA und Eurogate mit. Noch vor wenigen Wochen hatten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) unabhängig voneinander gesagt, dass sie die Gespräche der beiden größten deutschen Hafenkonzerne über eine Zusammenarbeit begrüßen würden, dies aber Sache der Unternehmen sei. Die Politik wolle sich heraushalten. Nun gibt es einen Strategiewechsel im Rathaus.
Wie das Abendblatt exklusiv erfuhr, hat es am Donnerstag ein Spitzentreffen zwischen Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), Bremens Finanzsenator Dietmar Strehl (Grüne), der Bremer Hafensenatorin Claudia Schilling (Linke) sowie dem Vorstand und Aufsichtsrat des Eurogate-Anteilseigners BLG Logistics, dessen Mehrheitsgesellschafter die Hansestadt Bremen ist, gegeben.
Hamburgs Wirtschaftssenator Westhagemann, der sich wegen eines Corona-Falls in seinem beruflichen Umfeld in Quarantäne befindet, wurde lediglich zugeschaltet. Das Thema der Unterredung: die geplante Zusammenlegung des Containerumschlags von Eurogate und HHLA.
Hamburger Hafen: Fusion gerät ins Stocken
Wie berichtet hatte die HHLA Ende Mai öffentlich gemacht, dass die Unternehmen über eine Kooperation bis hin zu einem Zusammenschluss des Containergeschäfts Gespräche führen. Ziel ist es, die Kräfte der deutschen Nordseehäfen zu bündeln, um im harten Wettbewerb gegen die europäischen Konkurrenten etwa aus Rotterdam und Antwerpen zu bestehen. Seitdem ist es um die Verhandlungen still geworden. Noch am Montag dieser Woche hatte HHLA-Chefin Angela Titzrath versichert, es handele sich nur um Sondierungsgespräche mit Eurogate, die am Anfang stünden.
Auffällig ist, dass die beiden wichtigsten Verhandlungspartner, nämlich die Vorstände von HHLA und Eurogate, zu dem politischen Spitzentreffen in Bremen nicht eingeladen waren. Aus der BLG hieß es dazu, die Länder wollten sich über den Sachstand der Verhandlungen informieren. Tatsächlich handelte es sich aber um ein Krisentreffen. Denn es hakt gewaltig bei der Fusion.
Wie das Abendblatt aus dem Umfeld der beiden Unternehmen erfuhr, streiten HHLA und Eurogate um elementare Fragen. Offen ist unter anderem, wer die Mehrheit nach einem solchen Zusammenschluss des Containergeschäfts hält und wo der Unternehmenssitz der Gesellschaft sein wird. Behörden und BLG wollen als Vertreter in den Aufsichtsgremien der Hafenunternehmen ihre Interessen durchsetzen. Bestätigt wird dies offiziell selbstverständlich nicht. Aus der Wirtschaftsbehörde und der Bremer Hafenbehörde hieß es dazu am Donnerstagfrüh nur: „Wir bestätigen, dass es zum Gespräch in Bremen kommt. Zu den Inhalten sagen wir nichts.“
Senat will Hafenpolitik weiter aus Hamburg steuern können
Die Stadt Hamburg hält 69 Prozent an der HHLA, die BLG wiederum 50 Prozent an Eurogate. Die anderen 50 Prozent gehören der Firma Eurokai, deren Hauptgesellschafter Thomas Eckelmann ist, der zusammen mit Michael Blach auch die operative Führung bei Eurogate innehat. In diesen komplizierten Strukturen gibt es viele unterschiedliche Interessen. Kommt es zu der Deutschen Bucht AG, wie der Zusammenschluss der Containerumschlagsterminals genannt wird, ist für Hamburgs Senat wichtig, dass er auch künftig die Hafenpolitik der Stadt steuern kann. Die Vorstände der beiden Konzerne pochen wiederum darauf, die Führung zu übernehmen.
Schaut man sich HHLA und Eurogate genauer an, so sprechen Argumente für die eine wie die andere Sichtweise. Eurogate ist deutlich größer als der Hamburger Konkurrent. Das Unternehmen verfügt über 5,6 Quadratkilometer Terminalfläche in drei Häfen (Bremerhaven, Hamburg, Wilhelmshaven) sowie eine gesamte Kailänge von 8,8 Kilometern. Die HHLA hat in Deutschland nur die drei Containerterminals in Hamburg am Burchardkai, Altenwerder und Tollerort mit einer gesamten Betriebsfläche von drei Quadratkilometern sowie 5,4 Kilometer langen Kaianlagen.
HHLA verhandelt aus Position der Stärke heraus
Allerdings ist Eurogate aktuell wirtschaftlich schwächer als die HHLA, die Anlagen sind bis auf den Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven älter, und das Unternehmen steht finanziell schlechter da. So musste Eurogate erst vor wenigen Tagen mit Blick auf die Ertragslage einen massiven Stellenabbau ankündigen. Das Unternehmen hat in den ersten neun Monaten dieses Jahres insgesamt 23 Millionen Euro Verlust gemacht.
Die HHLA verhandelt aus einer Position der ökonomischen Stärke heraus. Sie hat zwar wegen der Corona-Krise auch massive Umsatz- und Gewinnrückgänge zu verzeichnen, schreibt aber schwarze Zahlen. So ist der Umsatz des Konzerns von Januar bis September im Vergleich zum Vorjahr zwar um mehr als acht Prozent auf 959,9 Millionen Euro zurückgegangen. Und auch das operative Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) schmolz um knapp 39 Prozent auf 107,1 Millionen Euro. Unterm Strich steht aber zumindest noch ein Gewinn von 37,2 Millionen Euro.
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Beide Unternehmen eint aber der Wille, dem Druck durch die Reedereiallianzen und den europäischen Konkurrenzhäfen etwas entgegenzusetzen. Deshalb besteht Einigkeit darüber, weiter zu verhandeln. Zugleich müssen beide Unternehmen sparen. Eurogate hat ein Programm aufgelegt, mit dem die Kosten um 84 Millionen Euro gesenkt werden. Und auch Titzrath sagte am Donnerstag: „Mit einem ambitionierten Effizienzprogramm wollen wir in den nächsten fünf Jahren deutlich Kosten senken, um auch künftig mit unserem Leistungsangebot wettbewerbsfähig zu sein.“
Mehrere mit dem Fusionsgesprächen vertraute Personen bestätigten dem Abendblatt, dass die HHLA nicht um jeden Preis einen Zusammenschluss anstrebe, aber bei entsprechenden Zugeständnissen bereit wäre, die Hälfte der Anteile am neuen Gemeinschaftsunternehmen den Bremern zu überlasen. Der Machtkampf hat begonnen.