Hamburg. Wirtschaftssenator favorisiert Platz bei Insel Scharhörn, Umweltsenator fühlt sich übergangen. Und die Öko-Verbände schäumen.
Der Koalitionsstreit in Hamburg programmiert. Am Mittwochabend sollten sich die Senatsmitglieder treffen, um Unstimmigkeit in Haushaltsfragen zu klären. Schon zuvor kündigte sich eine Auseinandersetzung an, die zur Belastungsprobe für die rot-grüne Koalition werden könnte. Es geht um die zunehmende Verschlickung des Hamburger Hafens und um die Notwendigkeit, für die vier Millionen Tonnen Schlamm, die die Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA) jährlich aus den Hafenbecken baggert, einen neuen Abladeplatz zu finden.
HPA und die Wirtschaftsbehörde von Michael Westhagemann wollen den Schlick bei der Insel Scharhörn entsorgen und konnten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) auf ihre Seite ziehen. Doch Grünen-Umweltsenator Jens Kerstan sieht das anders. Schließlich liegt die geplante Unterwasserdeponie am Ende der Elbmündung neben dem Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer – ein Unesco-Welterbe.
Kerstan ist der Meinung, es gebe noch andere Optionen für den Schlick. Scharhörn sei nur eine. Am Mittwochmittag stellte er zudem klar, dass er mitentscheidet, wo eine neue Stelle zur Schlickverklappung eingerichtet wird: „Grundsätzlich ist für neue Verbringorte eine wasserrechtliche Genehmigung notwendig.“ Und die erteile seine Behörde.
Elb-Verschlickung: Affront gegen Wirtschaftssenator Wetshagemann
Das ist ein Affront gegen Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos). Der hatte am Vortag noch in einem größer angelegten Pressegespräch Scharhörn als „Plan B“ zur Lösung von Hamburgs Schlickproblemen angekündigt. Scharhörn gehöre zu Hamburg, zudem sei die Verbringstelle praktisch unbegrenzt nutzbar, weil die Sedimente von dort in die Nordsee hinaus getragen würden und nicht wieder zurück in die Elbe. „Dieser Plan B ist mit der Umweltbehörde abgestimmt“, sagte Wirtschaftsstaatsrat Andreas Rieckhof.
Dem widerspricht nur einen Tag später Kerstans Behörde. Zwar seien ihr die Pläne der HPA vorgestellt worden. Es gebe aber keine abgestimmten Überlegungen. „Eine Abstimmung ist bisher nicht erfolgt. Lediglich eine erste Information“, sagte ein Behördensprecher. Und Kerstan selbst ergänzte: „Es gibt im Senat noch keine abgestimmte Variante.“ Damit stellt sich der Grünen-Politiker nicht nur gegen die Wirtschaftsbehörde, sondern auch gegen Bürgermeister Tschentscher. Senatssprecher Marcel Schweitzer hatte nämlich erst vor wenigen Tagen verlauten lassen, dass der Bürgermeister die Pläne bereits „im Rahmen seines üblichen partnerschaftlichen Austausches“ mit dem Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Daniel Günther (CDU), angesprochen habe.
Umweltverbände warnen vor Klagen
Rückhalt bekommt Kerstan derweil von den Umweltverbänden. Diese äußerten sich am Rand der abschließenden Sitzung des Forums Tideelbe zu den Plänen. „Eine Schnapsidee“ sei das, sagte der ehemalige Vorsitzende des Naturschutzbunds Hamburg, Alexander Porschke. Nach Gutsherrenart sollte dieses Projekt auf Ebene der Ministerpräsidenten an den beteiligten Akteuren vorbei durchgesetzt werden. Porschke drohte mit einer juristischen Auseinandersetzung: „Wenn man sich nicht mit den Schwierigkeiten solcher Maßnahmen auseinandersetzt und glaubt, die davon Betroffenen übergehen zu können, dann findet man sich vor Gericht wieder.“
Und Manfred Braasch vom BUND ergänzte: „Wirtschaftsbehörde und HPA steht das Wasser offenbar bis zum Hals. Anders ist nicht zu erklären, dass die einfachsten Regeln der Zusammenarbeit zwischen den Hamburger Behörden nicht eingehalten werden und die Wirtschaftsbehörde selbstherrlich erklärt, alles sei abgestimmt.“
Elbe: Schlickmengen nehmen zu
Westhagemanns Behörde gerät damit unter Druck. Sie hatte gehofft, ihren Plan B möglichst schnell umsetzen zu können, weil die Zeit drängt. Bisher hat sie den Hafenschlick an zwei Stellen verklappen lassen: Einmal beim Seezeichen „Tonne E3“ – südöstlich von Helgoland – und auf Hamburger Gebiet in der Elbe bei Neßsand. Beide Verbringstellen bereiten aber als Plan A massive Probleme: Die Verklappung des Schlicks bei der Tonne E3 muss 2022 enden, weil dann die mit Schleswig-Holstein vereinbarte Menge erreicht ist. Wird der Schlick bei Neßsand abgekippt, drückt ihn der Flutstrom rasch wieder zurück.
„Wenn ich bei Neßsand etwas verklappe, dann habe ich das in vier bis sechs Wochen wieder im Hafen“, sagte Westhagemann. Ohnehin kämpft der Hafen mit steigenden Schlickmengen. Wegen geringerer Regenmengen führt die Elbe weniger Wasser am Oberlauf. Das führt dazu, dass die von der Nordsee mit der Flut in den Hafen gespülten Sedimente bei Ebbe nicht wieder hinausgetragen werden. So muss man immer mehr baggern.
Forum Tideelbe legt Bericht vor
Wegen der Auseinandersetzung geriet die eigentliche Nachricht ins Hintertreffen: Nach vier Jahren Arbeit stellte das Forum Tideelbe am Mittwoch seinen Ergebnisbericht vor. Das Forum in dem alle Anrainer der Elbe, also die drei Länder Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, der Bund sowie die Kreise, Kommunen, Umweltverbände, Fischer und Sportboothäfen aus der Region zusammenarbeiteten, sollte Strombau-Maßnahmen entwickeln, die der Tideelbe mehr Raum geben und zugleich den starken Tidehub dämpfen und so dem Schlickproblem entgegenwirken.
Priorisiert wurden am Ende zwei Maßnahmen: Einmal die Öffnung der Alten Süderelbe zum Köhlfleet und die Anbindung der Haseldorfer Marsch ans Tidegeschehen. Zusammen würden diese Eingriffe weit mehr als eine Milliarde Euro kosten. Enttäuscht zeigten sich die Teilnehmer, dass sie über Hamburgs Pläne zu Scharhörn nicht vorher eingebunden worden waren. Westhagemann konterte: „Das hat mit dem Forum Tideelbe nichts zu tun.“ Die Stimmung ist auch hier gereizt.