Hamburg. Seit 2008 leitet das Mathematik-Genie die HPA, nun steht Meier unter Druck. Geht Senator Westhagemann auf Distanz zum Hafenchef?
Donnerstagnachmittag im Hamburger Hafen. Ein paar Journalisten stehen vor der defekten Rethe-Klappbrücke. Vor ihnen ist ein verbogener Hydraulikzylinder aufgebockt. Fotografen bauen Blitzlichtanlagen auf. Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) und der Geschäftsführer der Hamburg Port Authority (HPA), Jens Meier, haben ihr Kommen angekündigt.
Sie wollen sich über den Fortgang der Reparaturarbeiten an der Brücke informieren, die erst seit drei Jahren in Betrieb ist – und nun zum wiederholten Mal nicht richtig funktioniert. Ein Wagen fährt vor, der Senator steigt aus – dann die Überraschung: Westhagemann will nicht mit der defekten Brücke fotografiert werden. Also steht HPA-Chef Meier alleine im Fokus der Kameralinsen.
Geht Senator Westhagemann auf Distanz zu Meier?
Dann lässt sich der Senator von der Leiterin für Infrastrukturprojekte bei der HPA, Christine Muruszach, und einem Ingenieur ausgiebig erklären, wie es zu dem Schaden kommen konnte. Es folgt ein Fachgespräch unter drei Personen. Meier steht derweil daneben, kommt kaum zu Wort. Nach der Besichtigung verabschiedet sich Westhagemann. „Wir reden nachher noch über WhatsApp“, ruft ihm Meier zu. „Jaja“, sagt der Senator und steigt in seinen Dienstwagen. Meier bleibt alleine zurück.
Geht Westhagemann etwa auf Distanz zu seinem Hafenchef? Eine Behördensprecherin verneint. Der Senator habe sich lediglich über den Stand der Arbeiten informieren und den Eindruck vermeiden wollen, er erkläre die Rethebrücke zur Chefsache, begründet die Sprecherin Westhagemanns Weigerung, sich ablichten zu lassen.
HPA-Chef Meier steht unter Druck
Die Szene ist dennoch bezeichnend für das derzeit angespannte Klima zwischen den beiden. Meier steht unter Druck. Seit Wochen muss der Chef der HPA sich und seinen Betrieb gegen öffentliche Angriffe verteidigen. Er kann dies aber nicht selbst, weil ihm die Wirtschaftsbehörde verboten hat, sich öffentlich zu äußern. Westhagemanns Vertrauensbekundungen sind derweil alles andere als hart wie Granit.
Er stelle sich klar vor Jens Meier, hatte der Senator zwar unlängst im Gespräch mit dem Abendblatt gesagt. Und als Aufsichtsratsvorsitzender der HPA werde er die Arbeit ihres Geschäftsführers nicht bemängeln. Doch zugleich schränkte er seine Treue zu Meier mit dem Wörtchen „derzeit“ ein. Der Treueschwur könnte folglich schnell wieder zurückgenommen werden. Und aus der Behörde heißt es hinter hervorgehaltener Hand: „Meier muss endlich liefern.“
Auslöser der Debatte war ein Abendblatt-Interview des Präsidenten des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH), Gunther Bonz, in dem er die Führung der HPA öffentlich brüskierte. Er warf ihr Missmanagement und wettbewerbsschädigendes Verhalten vor: Sie habe kein Konzept zur Lösung des Schlickproblems, die Werft Pella Sietas werde in ihrer Arbeit behindert, und die Hafengebühren seien zu hoch, weshalb die Reedereien Hamburg meiden würden. Von der defekten Rethebrücke war da noch nicht einmal die Rede. Dem Senat unterstellte Bonz zugleich, er habe die Kontrolle über die HPA verloren. Ein schwerer Vorwurf, der Westhagemann nicht gefallen konnte.
Westhagemanns Taktik: Offensive ist angesagt
Dass das Verhältnis zwischen Bonz und Meier schlecht ist, weiß mittlerweile jeder im Hafen. Beide sind kluge, rhetorisch begabte und strategisch denkende Manager. Während Bonz allerdings keiner Auseinandersetzung aus dem Wege geht und der HPA offensichtliche Fehler gerne öffentlich unter die Nase reibt, verhält sich Meier eher still und versucht so, nicht in politischen Fallstricken hängen zu bleiben. Der Wirtschaftssenator hielt sich bisher aus dem Machtkampf im Hafen heraus. Solange er nicht betroffen war, konnte er sich das Gefecht von außen ansehen. Das hat sich nun geändert.
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Denn mit dem Vorwurf, der Senat habe die Kontrolle über die HPA verloren, zielt Bonz auch auf ihn ab. Das kann sich der für den Hafen zuständige Westhagemann, der erst seit 2018 Wirtschaftssenator ist, nicht gefallen lassen. Bereits in seiner Zeit als Siemens-Nord-Chef und Vorsitzender des Industrieverbands Hamburg hatte er gute Kontakte sowohl zu Meier als auch zu Bonz – die drei duzen sich. Eines weiß der Neupolitiker Westhagemann aber ganz genau: Er will in dieser komplizierten Dreiecksbeziehung nicht zum Verlierer werden.
Deshalb ist er nun aktiv geworden und will zeigen, dass er durchaus noch die Kontrolle über die HPA hat. Seine Taktik: Schluss mit der defensiven Ausrichtung, Offensive ist angesagt. „Es ist richtig, dass wir bei der Infrastruktur noch besser werden müssen. Wir werden einige Veränderungen bei der HPA vornehmen, beispielsweise gibt es im Bereich Technik ein Projekt, das die Problemfelder angehen soll. Wir werden auch die Leitungsstruktur etwas verändern“, so Westhagemann zum Abendblatt. Ein gezielter Seitenhieb gegen Meier?
Meier galt 2008 als ideale Besetzung für den HPA-Chefposten
Dabei galt der freundliche, mit viel ökonomischen Know-how versehene Meier 2008 als die ideale Besetzung für den Chefposten bei der HPA. Sie war aus dem ehemaligen Amt für Strom und Hafenbau hervorgegangen, einem schwerfälligen, allerdings mit hervorragenden Fachleuten besetzten Verwaltungsapparat. Meier, das Mathematik-Genie, der bereits mit 40 Jahren durch den Verkauf von Firmenanteilen finanziell unabhängig wurde, war der geeignete Mann, um die Behörde auf Trab zu bringen.
Sogar Bonz, der als damaliger Staatsrat der Wirtschaftsbehörde zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Wirtschaftssenator Gunnar Uldall den Überflieger eingestellt hatte, war begeistert. „Meier hat die HPA modernisiert und in besonderer Weise die völlig veraltete IT auf Vordermann gebracht“, sagt der UVHH-Chef heute noch.
2013 bekam die Beziehung Risse, als Bonz zufällig erfuhr, dass Meier im HPA-Aufsichtsrat die Mietkonditionen für die Hafenfirmen anheben wollte. Meier wiederum nimmt Bonz heute noch übel, dass dieser im selben Jahr versuchte, Meiers Einzug in den HSV-Aufsichtsrat zu verhindern. Nur mit Engelszungen konnte Meier den damaligen Wirtschaftssenator Frank Horch dazu bewegen, ihm diesen Nebenjob zu genehmigen. Zwar ist Meiers HSV-Engagement – auch als Präsident – längst Geschichte, doch die Narben sind geblieben.
"Die HPA soll dafür sorgen, dass es im Hafen rundläuft“
Dass Westhagemann innerhalb der HPA-Führung durchgreifen will, zeigt sich auch daran, dass er den Vertrag des bisherigen zweiten Geschäftsführers, Matthias Grabe, auslaufen ließ. Damit lastet auf Meier aktuell noch mehr Verantwortung. Aus der Behörde verlautete dazu am Freitag: „Wir erwarten, dass der HPA-Chef die vor ihm liegenden Herausforderungen zügig abarbeitet.“
Meier selbst, dessen Vertrag noch vor eineinhalb Jahren bis 2025 verlängert wurde, will sich derweil nicht öffentlich äußern. Er möchte offensichtlich kein Öl ins Feuer gießen. Dafür redet die politische Opposition in der Bürgerschaft. „Die HPA braucht das Vertrauen der Hafenwirtschaft und der Politik. Im Hafen rumort es schon länger. Jetzt werden die Spannungen zwischen Wirtschaftsbehörde und HPA immer deutlicher“, sagt der CDU-Abgeordnete und Wirtschaftsexperte, Götz Wiese.
Diese Spannungen müssten endlich beendet werden. „Für die Wettbewerbsfähigkeit des Hamburger Hafens, der seit vielen Jahren kontinuierlich hinter seine direkten Konkurrenten zurückfällt, ist eine leistungsfähige und effiziente HPA von überragender Bedeutung. Die HPA soll dafür sorgen, dass es im Hafen rundläuft.“
Das wird bei der Rethebrücke noch dauern. Der Hydraulikschaden ist so schwerwiegend, dass die Brücke wohl erst Mitte November wieder in den Regelbetrieb geht. Westhagemann will solche Probleme künftig vermeiden und baut vor: Nach Abendblatt-Informationen hat seine Behörde Headhunter kontaktiert, die einen HPA-Technik-Chef als Nachfolger von Grabe suchen sollen. Ganz alleine will man Meier dann doch nicht mit den Problemen lassen.