Hamburg. Der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg kritisiert die Standortpolitik der Hafenverwaltung scharf.

Zwischen Hafenwirtschaft und der Hamburg Port Authority (HPA) gibt es seit Langem Spannungen. Die Firmen werfen der Hafenverwaltung vor, zu hohe Mieten und Pachten für die städtischen Grundstücke zu verlangen, beim Ausbau der Infrastruktur zu langsam zu sein und die Wassertiefen der Schifffahrtswege und Hafenbecken nicht ausreichend von Verschlickungen zu befreien. Jetzt erreicht der Konflikt eine neue Eskalationsstufe. Der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH), Gunther Bonz, stellt im Abendblatt-Interview die Arbeit der HPA insgesamt infrage. Er fordert strategische – und personelle – Konsequenzen.

Hamburger Abendblatt: Herr Bonz, zu Beginn der Corona-Krise vor einigen Monaten befürchteten Sie, dass der Hafen Ladungsrückgänge um bis zu 50 Prozent verkraften muss. Wie sieht es nun tatsächlich aus?

Gunther Bonz: Wir können heute sagen, dass das schlimmste Szenario nicht eingetreten ist: In den Monaten April, Mai und Juni haben wir je nach Ladungsart durch Corona Rückgänge zwischen 20 und 30 Prozent verzeichnet. Aber immer noch gilt, dass die Reedereien bis zu 20 Prozent ihrer Schiffskapazitäten aus dem Markt genommen haben. Damit ist klar, die Krise ist noch nicht vorbei.

Womit rechnet die Hafenwirtschaft für den weiteren Verlauf?

Bonz: Die Unternehmen fahren derzeit auf Sicht. Wir wissen nicht, wie sich das Infektionsgeschehen international weiterentwickelt, wir wissen nicht, ob im Herbst eine zweite Welle kommt. Kurz gesagt, wir können keine verlässlichen Prognosen aufstellen.

Welche Folgen sind denn absehbar?

Bonz: Die Folgen werden mittelfristig zu spüren sein. Da die Unternehmen am Ende des Jahres weniger Ertrag haben, steht auch weniger Geld für künftige Investitionen zur Verfügung. Dazu zählen beispielsweise Ausgaben für neues Equipment, neue Techniken oder Weiteres. Viele Firmen denken jetzt in erster Linie daran, die Krise zu bewältigen und keine Arbeitsplätze abbauen zu müssen.

Selbst wenn der Hafen gut durch die Krise kommt, könnte das dicke Ende also noch folgen?

Bonz: Das ist nicht auszuschließen. Hamburgs Wettbewerber in Rotterdam und Antwerpen haben beispielsweise nicht so hohe Kostenblöcke, die die Ertragssituation weiter mindern. Diese können die Krise mittelfristig besser verkraften.

Sie sprechen die Mieten und Pachten für die städtischen Hafengrundstücke an?

Bonz: Seit Jahren versuchen die Hafenunternehmen der zuständigen Hafenverwaltung Hamburg Port Authority zu erklären, dass hohe Mieten und hohe Standortkosten uns im Wettbewerb schaden und mittelfristig technologischen Rückschritt nach sich ziehen, weil das Geld, das per Miete abkassiert wird, auch nicht für Innovationsinvestitionen zur Verfügung steht.

Aber die HPA hat doch coronabetroffenen Firmen eine Mietstundung zugesagt. Und der Senat hat angekündigt, die für 2020 geplante Anhebung der Mieten um 3,4 Prozent auf 2021 zu verschieben. Hilft das nicht?

Bonz: Doch. Die Stundung der Mieten für wirtschaftlich in Not geratene Firmen ist zweifellos hilfreich. Das bedeutet aber nichts anderes, als dass die Schuld später bezahlt werden muss. Die Frist hat sich nur verlängert. Die erst auf unseren Druck hin beschlossene Verschiebung der diesjährigen Mieterhöhung ist sehr hilfreich. Mietsenkungen oder ein Teilerlass der Mietschuld wie er anderen Firmen in der Corona-Krise gewährt wird, wird von uns nicht gefordert. Was wir aber im immer härteren Wettbewerb mit Antwerpen und Rotterdam dringend benötigen, ist eine Null-Linie bei den Mieten und Pachten, das heißt keine Mieterhöhungen in den nächsten fünf Jahren. Die Hafenfirmen in unseren europäischen Wettbewerbshäfen haben einen wichtigen Wettbewerbsvorteil: Sie müssen wesentlich geringere Mieten und Pachten bezahlen.

Geben die großen Terminals ihre Mietstundungen eigentlich an ihre Submieter weiter, oder müssen die den vollen Tarif bezahlen?

Bonz: Dass es bei den großen Terminals unterschiedliche Tochtergesellschaften gibt, spielt keine Rolle. Die Stundungen werden meines Wissens weitergereicht. Es gibt keine Mitnahmeeffekte.

Kürzlich haben auch Reedereichefs geklagt, dass Hamburg sehr teuer sei. Warum passiert da nichts?

Bonz: Die ganze Branche weiß, dass wir in Hamburg die höchsten Standortkosten haben. Ich predige der HPA gegenüber seit zehn Jahren, dass uns ein Problem bevorsteht. Das ist wie eine Schraube, die man immer fester dreht. Irgendwann ist sie überdreht und geht kaputt. Und genau so ist es mit der Mieterhöhung. In den vergangenen Jahren wurden die steigenden Forderungen der HPA noch irgendwie bedient. Aber jetzt ist das Ende der Fahnenstange erreicht. Das muss auch die HPA endlich einsehen, auch wenn es für sie schmerzhaft ist, weil der Druck auf die HPA, eigene Rationalisierungsprozesse durchzuführen, steigt.

Auch die Hamburger Werft Pella Sietas ist nicht gut auf die Hafenbehörde zu sprechen, weil ihr Zugang vom Estehafen zur Fahrrinne der Elbe so verschlickt, dass sie ihre fertigen Schiffe nicht abliefern kann.

Bonz: Was hier passiert ist standortschädigend und ein Stück aus dem Tollhaus. In der freien Wirtschaft würden dafür Köpfe rollen. Die Schifffahrtsverwaltung des Bundes wartet seit Monaten auf ein bei Pella Sietas fertig gebautes Baggerschiff, dass meines Wissens auch auf der Elbe eingesetzt werden soll. Die Werft würde das Schiff gerne übergeben und ausliefern. Seit acht Monaten muss sich die Werft mit der HPA über die Ausbaggerung der Este-Fahrrinne streiten. Die HPA versucht, ihre Baggerpflicht auf die Werft zu übertragen. Ein skandalöser Vorgang.

Wer ist denn dort für die Schlickbaggerung zuständig? Gibt es eine Verpflichtung der HPA, die Wasserstrecke frei zu halten?

Bonz: Im Rahmen des damaligen Baus des Este-Sperrwerks noch unter Bürgermeister Henning Voscherau sind die Aufgaben klar verteilt worden: Die Sietas Werft hatte 50 Prozent der Baukosten des Sperrwerks mit übernommen, die Stadt und heute die HPA ist für die Aufrechterhaltung der damals vereinbarten Fahrrinnentiefe zuständig. Diese Rechtsverpflichtung verletzt die HPA. Übrigens nicht zum ersten Mal. Der Hansaport-Terminal hatte vor Jahren vor Gericht klagen müssen, weil die HPA die vereinbarte Wassertiefe seines Hafenbeckens nicht herstellen wollte. Das Gericht gab dem Unternehmen recht und immer noch wollte die HPA nicht tätig werden. Erst bei Strafandrohung wurde sie dann tätig. So darf eine Hafenverwaltung nicht arbeiten. Als sich die Geschäftsführung von Pella Sietas vor wenigen Wochen aus der Not heraus – weil sie wegen der fehlenden Fahrrinnentiefe derzeit keine neuen Aufträge annehmen kann – mit der Bürgermeisterin von Flensburg und Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister dort einen Standort ansah, wurde sie mit offenen Armen empfangen. Was ist denn das für eine Standortpolitik in Hamburg?

Aber warum baggert die HPA denn nicht?

Bonz: Die HPA hat es versäumt, ein langfristige tragfähiges Entsorgungskonzept für das Baggergut zu entwickeln. Mehr noch: Sie hat sich selbst in ihren Baggerpflichten beschränkt indem sie beispielsweise mit der Umweltbehörde freiwillig vereinbart hat, auf Baggerarbeiten in den Sommermonaten zu verzichten. Ergebnis: Kürzlich teilte die HPA den Firmen mit, dass nurmehr im Winter die Garantie besteht, Teile des Schlicks an der westlichen Landesgrenze umzulagern. Gerade in den umschlagsstarken Monaten können also die von der HPA vertraglich geschuldeten Wassertiefen nicht garantiert werden. Davor hat die Hafenwirtschaft schon vor zehn Jahren gewarnt. Wir wurden mit unseren Vorschlägen, wie zum Beispiel der Entwicklung einer Ablagerungsstelle in der Außenwirtschaftszone, regelrecht abgebürstet. Jetzt ist das Kind in den Brunnen gefallen, allein das Genehmigungsverfahren für eine neue Verbringungsstelle in der Außenwirtschaftszone dauert circa sieben Jahre. Das hätte man schon vor zehn Jahren anschieben müssen.

Es gäbe viel zu tun für die HPA-Führung. Aber der zweite Geschäftsführer, Matthias Grabe, wurde unlängst vor die Tür gesetzt.

Bonz: Wir wissen nichts über die Hintergründe. Die Hafenwirtschaft kann sich dazu also nicht äußern. Wir können nur sagen, dass Herr Grabe bei allen Hafenfirmen sehr anerkannt war. Er galt als kunden- und problemlösungsorientiert. Die Pro­bleme der HPA, wie hohe Kosten oder fehlendes Entsorgungskonzept für Baggergut, sind schon vor vielen Jahren entstanden. Herr Grabe ist gerade einmal zwei Jahre dabei. Das ist unseres Erachtens ihm nicht anzulasten. Es gab schon vor ihm erhebliche strukturelle Defizite bei der HPA, strategischer und finanzieller Art.

Wenn das so ist, muss dann nicht der Senat bei der Hafenbehörde eingreifen?

Bonz: Nach dem Eindruck der Hafenwirtschaft hat der Senat die Kontrolle über die HPA verloren. Sie führt ein Eigenleben und wird nicht richtig gesteuert.

Das ist ein harter Vorwurf. Spricht da jetzt Gunther Bonz, oder die gesamte Hafenwirtschaft?

Bonz: Abgesehen von natürlichen Interessengegensätzen zwischen Hafenunternehmen und einer Hafenverwaltung gibt es nicht ein mir bekanntes Unternehmen im Hafen, dass mit der HPA zufrieden ist. Und auch aus der Bürgerschaft höre ich nicht nur von den Oppositionsfraktionen Missmut über die HPA.

Das klingt, als hätte die Hafenverwaltung ein Eigenleben.

Bonz: So ist es. Die HPA hat die Zahl ihrer Mitarbeiter über Jahre um 250 auf etwa 1850 erweitert. Aber die Leistung hat sich nicht verbessert. Wenn Abteilungen innerhalb der HPA für gemeinsame Projekte untereinander Verträge schließen und sich dann dafür einen Anwalt nehmen müssen, ist etwas grundsätzlich nicht in Ordnung.

Was fordert die Hafenwirtschaft?

Bonz: An allererster Stelle Offenheit darüber, wo die Defizite liegen. Ohne vernünftige Diagnose keine Therapie. Und dann muss über die Gründe der Fehlentwicklung reflektiert werden. Schließlich müssen die notwendigen Konsequenzen gezogen werden – hier darf es keine Tabus, weder strategischer noch personeller Art, geben.

Sie fordern die Absetzung von HPA-Geschäftsführer Jens Meier?

Bonz: Ich wiederhole: Die Hafenwirtschaft fordert eine schonungslose Analyse und notwendige Konsequenzen ohne jegliche Tabus.