Hamburg. Am 9. Februar fällt das Urteil zur Elbvertiefung. Zwischen Kaikante und Rathaus regieren Missgunst und Intrigen.

Der Angriff war gut vorbereitet. Als die Abgeordneten der Bürgerschaft im Wirtschaftsausschuss zusammenkamen, verlangte die Opposition zunächst, dass ein Wortprotokoll über den Verlauf der Sitzung angefertigt wird. Kurz danach legten CDU, FDP und Linke gemeinsam los: Warum der Zweite Geschäftsführer der Hafenbehörde HPA, Wolfgang Hurtienne, vorzeitig im Januar gehen musste, obgleich sein Vertrag ohnehin im Sommer geendet hätte, wollten sie wissen.

Wirtschaftssenator Frank Horch wandt sich bei seinem Antwortversuch: „Im Zuge der Umstrukturierung der HPA waren auch personelle Weichenstellungen notwendig. Die Regelung ist einvernehmlich mit Herrn Hurtienne getroffen worden“, sagte er. „Aber die Umstrukturierung ist noch ganz am Anfang.

Erwartungen an Jens Meier sind groß

Das ist doch keine Begründung für den plötzlichen Personalwechsel“, konterte der Wirtschaftsexperte der Linken-Fraktion, Norbert Hackbusch. „Was ist der wahre Grund?“, wollte Michael Kruse von der FDP wissen. „Ich habe alles gesagt, was dazu zu sagen ist“, antwortete Horch schmallippig. Auch wenn die Ausschusssitzung kein Licht ins Dunkel der mysteriösen Personalie brachte, so ist sie doch beispielhaft für den Zustand des Hafens, wo seit Monaten ein Machtkampf tobt, dessen Auswirkungen bis ins Zentrum der Macht, dem Rathaus, reichen.

Am 15. Dezember informierte der Aufsichtsrat der HPA Hurtienne dar­über, dass er vorzeitig seinen Job verliert. Er sei, so hört man, schwer enttäuscht gewesen. Nun schauen alle auf den ersten Geschäftsführer der städtischen Behörde, Jens Meier, der fortan alleine die Geschicke im Hafen bestimmen soll. Die Erwartungen an ihn sind groß.

HPA unter immensem Zeitdruck

Sollte das Bundesverwaltungsgericht am 9. Februar den Weg für die Elbvertiefung tatsächlich freimachen, steht die HPA mit ihm an der Spitze unter einem immensen Zeitdruck. Reeder, Hafenunternehmen, Lotsen, Spediteure – sie alle fordern nach den jahrelangen Verzögerungen schnellstens spürbare Entlastungen bei den Beschränkungen für den Schiffsverkehr auf der Elbe. Doch schon bevor das Gericht sein Urteil gesprochen hat, steht Meier massiv in der Kritik.

Teile der Hafenwirtschaft werfen der für die Bauausführungen zuständigen HPA vor, bei den Vorbereitungen geschlampt zu haben, weshalb die Elbvertiefung sich auch nach einer positiven Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts weiter verzögern könnte. Ausschreibungen seien nicht rechtzeitig erfolgt, wird kolportiert. Meier und Horch verweisen diesen Vorwurf ins Reich der Fabeln. „Wir sind in der Vorbereitung bis an die Grenzen des Machbaren gegangen“, sagt der Senator. Und Meier verspricht: „Sie können sicher sein, dass es ein halbes Jahr nach Baubeginn eine spürbare Verbesserung geben wird.“ Der Konflikt ist symptomatisch für das frostige Klima: Einen gemeinsamen Auftritt für das Megaprojekt gibt es nicht. Man arbeitet gegen-, statt miteinander.

Unterschiedliche Persönlichkeiten

Da ist zum einen die HPA, die mit ihren knapp 1800 Mitarbeitern vor allem für öffentliche Aufgaben wie den Erhalt von Brücken, Straßen und Bahngleisen im Hafen verantwortlich ist. Zugleich nimmt sie privatwirtschaftliche Aufgaben wahr, etwa die Vermietung von Logistikflächen und weitere Hafendienstleistungen, die sie sich bezahlen lässt. Auf der anderen Seite hat sich die Hafenwirtschaft positioniert, vertreten durch den mächtigen Verband UVHH, dessen Mitglieder zum Teil selbst gegensätzliche Interessen vertreten. Was sie eint, ist die Tatsache, dass sie auf eine gut funktionierende HPA angewiesen und seit einiger Zeit mit Meiers Behörde unzufrieden sind. Und sie setzen auf ihren starken Mann, den Präsidenten des UVHH, Gunther Bonz.

HPA-Chef Meier und UVHH-Präsident Bonz – zwei Persönlichkeiten, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Der eine ein forscher Optimist, der gerne mit neuen Ideen vorprescht. Der andere ein Stratege, der für die Belange der Hafenwirtschaft bedingungslos eintritt und keine Angst hat, Behörden anzugreifen und zu provozieren.

Meier gelobt Besserung

Immer wieder prallen die beiden aufeinander. Meiers Lieblingsthema ist seit Langem die Digitalisierung des Hafens. Smartport heißt das Projekt, das er mit viel Elan vorantreibt. Sein Problem: Zum Teil präsentiert er IT-Lösungen, die in Konkurrenz zu eigenen Programmen der Hafenfirmen stehen. So haben sich die Unternehmen zusammengetan, um Dakosy zu gründen: einen IT-Spezialisten, dessen Computerprogramme im Hafen geschätzt werden. Und nun tritt Meier mit seinen Ideen in den Wettbewerb zu Dakosy. Zoff ist programmiert.

Meier selbst gelobt Besserung: „Wenn man bei Trends vorne mit dabei ist, muss man immer mal wieder in den Rückspiegel schauen, dass man alle mitnimmt“, sagte er jüngst dem Abendblatt. Manchen erschienen seine Entscheidungen unverständlich, weil sie nicht ausreichend erklärt würden. „Wir haben uns auf die Fahnen geschrieben, unsere Partner im Hafen bei den Neuerungen mehr mitzunehmen. Das ist in den vergangenen Monaten vielleicht etwas zu kurz gekommen“, so Meier.

Monatelange Hängepartie

Zudem werfen die Hafenfirmen ihm vor, bei seinem IT-Enthusiasmus die Kernerarbeit zu vernachlässigen. Vor allem die monatelange Hängepartie bei der Verschlickung der Hafenbecken sorgte für Ärger. Meier wurde Aussitzen statt Tatendrang vorgehalten. „Die HPA wäre gut beraten, sich in den kommenden fünf Jahren auf ihre originären Aufgaben zu konzentrieren, anstatt digitale Luftschlösser und PR-Blasen zu produzieren“, sagt ein Manager aus dem Hafen, der lieber anonym bleiben möchte.

Nur selten einer
Meinung: Gunther
Bonz, Präsident des
mächtigen Unternehmensverbands
Hafen Hamburg (l.),
Wirtschaftssenator
Frank Horch (parteilos,
M.) und der
Chef der Hamburger
Hafenbehörde HPA,
Jens Meier
Nur selten einer Meinung: Gunther Bonz, Präsident des mächtigen Unternehmensverbands Hafen Hamburg (l.), Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos, M.) und der Chef der Hamburger Hafenbehörde HPA, Jens Meier © Bertold Fabricius

Und als hätte sich alles gegen Meier verschworen, hat auch noch der Präsident des UV Nord, Uli Wachholtz, beim Neujahrsempfang seines Unternehmensverbandes vor Kurzem einen Seitenhieb gegen die Verantwortlichen im Hamburger Hafen ausgeteilt. „Wenn wir uns etwas wünschen, dann einen sorgsameren Umgang mit dem Hafen – dem Herz der Stadt und dem größten Arbeitgeber“, sagte Wachholtz vor 600 Gästen, darunter Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig. Er wundere sich, dass es nur wenige Fortschritte bei der Verschlickung, dem Ausbau der digitalen Infrastruktur oder bei dem Thema Pachten im Hafen gebe, so Wachholtz. „Die Hamburg Port Authority könnte ihre Möglichkeiten unternehmensfreundlicheren Auftretens gerne noch weiter ausschöpfen.“

Nicht erst seit diesem Auftritt weiß auch die Politik, das etwas im Hafen nicht stimmt. Sie ist die dritte Kraft in dem Ränkespiel, vertreten durch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftssenator Horch und die SPD-Fraktion in der Bürgerschaft. Letztere mischt sich seit Anfang 2016 immer stärker in den Machtkampf ein. Und sie hat sich, so scheint es, in der Auseinandersetzung mit Meier auf die Seite des UVHH-Präsidiums geschlagen.

Auch Seeler geht auf Distanz zu Meier

Dafür stehen Namen wie Matthias Petersen, der ehemalige HHLA-Betriebsrat Arno Münster und Karl Schwinke, die sich regelmäßig mit Branchenvertretern im Hafen-Klub treffen. Aber auch der Name Joachim Seeler fällt immer wieder, ein ambitionierter Politiker, und zweifelsohne Kenner des Hafens. Seeler war früher Vorstand beim Schiffsfinanzierer Lloyd Fonds und ist Vorsitzender des Ausschusses Öffentliche Unternehmen in der Bürgerschaft. Zudem leitet er den Arbeitskreis Wirtschaft und Finanzen im Landesvorstand der SPD. Auch Seeler geht auf Distanz zu Meier.

Kurz vor Weihnachten hat der Arbeitskreis Wirtschaft unter Seelers Führung eine Denkschrift zur Weiterentwicklung des Hafens verfasst. Der Verteiler der Denkschrift war groß: Der Bürgermeister bekam das Papier, der Wirtschaftssenator, sein Staatsrat Rolf Bösinger – und weite Teile der SPD. Derjenige, den das Papier eigentlich am meisten interessiert haben dürfte, HPA-Chef Jens Meier, wurde nicht mit einem Exemplar bedacht. Dieses Beispiel steht exemplarisch für das Verhältnis zwischen der mächtigen SPD und Meier: es ist äußerst angespannt.

Konflikt nimmt skurrile Züge an

Wie sehr, konnte man feststellen, als sich vor Kurzem der SPD-Abgeordnete Markus Schreiber öffentlich über Meiers Nebentätigkeit aufregte: Der HPA-Chef sitzt nämlich auch im Aufsichtsrat des HSV. Als bekannt wurde, dass Meier Ambitionen auf den Vorsitz des Kontrollgremiums hat, wurde es der Fraktion zu viel. Schreiber stellte Meier öffentlich vor die Wahl: entweder HPA oder HSV. „Beide Aufgaben erfordern die volle Aufmerksamkeit, die kann man nicht parallel ausüben“, so Schreiber. Meier müsse sich entscheiden. Nur einen Tag später teilte dieser mit, dass er kein Interesse mehr auf den Aufsichtsratsvorsitz habe.

Inzwischen nimmt der Konflikt im Hafen skurrile Züge an: Mehrere Monate lang haben UVHH- und HPA-Führung gar nicht mehr miteinander geredet. Mehr noch: Der UVHH hat im Oktober den Wirtschaftssenator darüber informiert, dass eine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der HPA-Spitze fehle, wie das Abendblatt hinter vorgehaltener Hand erfuhr. Auch das ist bezeichnend für den Konflikt: offen möchte niemand darüber reden. Eine Kultur des Vertrauens sieht anders aus.

HPA fällt es schwer, sich zu wehren

Im Sommer 2015, als die Hafenbecken verschlickten, traf man sich sogar vor Gericht. Der Hansaport verklagte die HPA auf Wiederherstellung der vertraglich vereinbarten Wassertiefe. Die HPA reichte Gegenklage ein, wollte den Pachtvertrag mit Hansaport sofort kündigen. Inzwischen hat man sich verglichen. Zudem gibt es den Vorwurf, die HPA solle versucht haben, an der HHLA vorbei eigene Geschäfte mit einem Partner des Umschlagunternehmens, der Reederei Grimaldi, machen zu wollen.

Und nun lautet die Kritik: Fehler bei der Planung der Elbvertiefung. Der HPA fällt es als öffentliche Anstalt schwer, sich zu wehren. Es gebe eine natürliche Reibung zwischen HPA und UVHH, heißt es lediglich aus Kreisen der Hafenverwaltung. „Die Hafenbetriebe wollen ihre Mieten und Pachten so gering wie möglich halten, um ihre Gewinne zu erhöhen.

Horch reicht das bunte Treiben langsam

Die HPA will hingegen ihre Einnahmen aus Mieten und Pachten anheben, um den Steuerzahler weniger zu belasten.“ In dieser Diskussion werde versucht, die eigene Verhandlungsposition zu stärken und die des anderen zu schwächen. „Notfalls mit unfairen Mitteln“, so der Insider. Deshalb werde mehr über-, statt miteinander geredet. Weiteres Beispiel gefällig: Als der Pontonvermieter und Schutenbetreiber Arnold Ritscher im vergangenen Sommer den Schlick im Hafenbecken loswerden wollte, in dem seine Fahrzeuge parken, wandte er sich mit einem Brandbrief an Wirtschaftssenator Horch. Der Vorwurf: Die HPA ignoriere seinen Hilferuf.

Horch selbst, der lange mehr Zuschauer als Akteur in diesem Streit war, reicht das bunte Treiben nun langsam. Er befürchtet, dass der Hamburger Hafen-Zoff Konkurrenten wie Rotterdam und Antwerpen in die Hände spielt. Und dann der Vorwurf der Opposition, dass die HPA im Falle einer positiven Gerichtsentscheidung zur Elbvertiefung nicht ausreichend vorbereitet sei. Bürgermeister Scholz soll getobt haben, als er davon erfuhr.

Ungewöhnliche Personalentscheidung

So reagierte Horch unter Druck Ende Dezember mit jener überraschenden wie ungewöhnlichen Personalentscheidung in Bezug auf Meiers Vize Wolfgang Hurtienne, Nicht wenige in der Hafenwirtschaft nennen ihn ein „Bauernopfer“, hätten lieber gesehen, dass Meier seinen Job verliert. Das Machtspiel hinter den Kulissen der Kais und Hafenbecken dürfte noch nicht beendet sein.