Hamburg. Der Kostendruck zwingt die Schifffahrt zu Fusionen. So will sich nun auch die Hamburger Reederei Hapag-Lloyd retten. Die Auswirkungen.
Es geht um Marktanteile, Routen, Kostenreduzierung – und Macht. Auf den Weltmeeren tobt derzeit ein heftiger Kampf. Nach mehr als sieben Jahren Schifffahrtskrise suchen immer mehr Containerreedereien ihr Heil in Zusammenschlüssen, um ihre Marktposition zu stärken und sich in größeren Einheiten den Widrigkeiten der Branche zu stellen. Auch Deutschlands größte Reederei Hapag-Lloyd kann sich dem Trend nicht entziehen. Nicht einmal zwei Jahre nach dem Zusammenschluss mit dem chilenischen Konkurrenten Compañía Sudamericana de Vapores (CSAV) planen die Hamburger die nächste Fusion: Diesmal mit der von arabischen Staatsfonds getragenen United Arab Shipping Company (UASC). Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu den Hintergründen und zu den Auswirkungen der Pläne.
Worin besteht das Problem der Schifffahrt?
Die Globalisierung hatte den Reedereien einst goldene Zeiten beschert. Die internationale Arbeitsteilung und das wirtschaftliche Erstarken der Schwellenländer führte zu einem sprunghaften Anstieg des weltweiten Warentransports per Schiff. Wuchs die Weltwirtschaft zuvor jährlich um drei oder vier Prozent, nahm die Containerschifffahrt plötzlich um das Dreifache zu. Der Transportraum auf Schiffen war knapp, die Transportpreise, die sogenannten Frachtraten, schossen in die Höhe. Um die steigende Nachfrage zu bedienen, bestellten die Reedereien immer neue Schiffe. Doch mit der internationalen Finanzkrise 2007, die viele Länder wirtschaftlich an den Rand des Abgrunds führte, waren diese goldenen Zeiten vorbei. Selbst bei den Wachstumstreibern USA und China kühlte sich die Konjunktur ab. Die Transportnachfrage sank. Plötzlich gab es viel mehr Schiffe als tatsächlich benötigt wurden. In der Folge brachen die Frachtraten ein – und zwar so stark, dass die Einnahmen zum Teil nicht einmal mehr den Betrieb der Schiffe deckten.
Wie reagierten die Reeder auf die Krise?
Um trotz der sinkenden Frachtraten profitabel zu bleiben, bestellten die Schifffahrtsunternehmen immer größere Schiffe. Denn sie versprachen auf Dauer Kostenersparnisse. Trotz bereits vorhandener Überkapazitäten starteten sie einen Wettlauf um die größten Containerschiffe der Welt. Und dieser Trend hält weiter an. Vor allem auf der Rennstrecke Asien-Europa hat das fatale Folgen, da die Nachfrage sinkt. Zahlreiche Reedereien sind aufgrund der mageren sieben Jahre inzwischen hoch verschuldet. Sie werden von finanziell stärkeren Konkurrenten aufgekauft oder dienen sich ihnen an, um zu überleben. Die größten chinesischen Reedereien, China Shipping und Cosco, schlossen sich kürzlich zusammen. Und die Nummer drei der Welt, die französische CMA CGM, wird die Nummer elf, American President Lines (APL), mit Sitz in Singapur, übernehmen.
Hamburgs Traditionsreederei kann sich dem Trend zur Größe nicht entziehen. Ende 2014 erfolgte der Zusammenschluss mit der chilenischen Reederei CSAV, die inzwischen größter Einzelaktionär des Unternehmens vom Ballindamm ist. Dieser Zusammenschluss diente dazu, Hapag-Lloyd insgesamt zu stärken und profitablere Linien im Südamerikahandel hinzuzugewinnen – also jenseits des ruinösen Wettbewerbs auf der Asien-Europa-Strecke. Der nun angestrebte Zusammenschluss mit UASC hat eine andere Ausrichtung, gleichwohl kann Hapag-Lloyd damit zwei Ziele verfolgen: Das Unternehmen kann sich eines Konkurrenten entledigen, der mit extrem niedrigen Frachtraten den Wettbewerb ruinierte. Denn UASC galt bisher neben Maersk als einer der Treiber niedriger Frachtraten. Zum anderen werden die Hamburger über UASC Zugriff auf die außergewöhnlich großen Containerschiffe bekommen. Hapag-Lloyd ist nämlich in den Wettlauf um immer größere Schiffe bisher gar nicht eingestiegen. Die größten Schiffe in der Flotte haben eine Tragekapazität von 14.000 Standardcontainern (TEU). UASC betreibt dagegen bereits Schiffe mit einer Kapazität von 18.800 Containern, weitere Großfrachter sind bestellt. Die gesamte Flotte von UASC hat Transportkapazitäten von knapp 547.000 Standardcontainern, Hapag-Lloyd hat 924.000 TEU. Zusammen mit den Arabern kommen die Hamburger auf 1,47 Millionen TEU, sie rücken so weltweit vom 6. auf den 5. Platz vor und können den Konkurrenten Evergreen deutlich hinter sich lassen.
Wie betrifft die geplante Fusion für Hamburg Süd?
Für Hamburgs zweite große Reederei, Hamburg Süd, ist die geplante Fusion nachteilig. Die Tochterfirma des Oetker-Konzerns hatte sich bereits an UASC gehängt, um ebenfalls von deren Großschiffen zu profitieren und dort Ladung unterzubringen. Zudem war die Kooperation mit UASC für den Südamerika-Spezialisten die Chance, in die Ost-West-Verkehre einzusteigen. Jetzt steht das Hamburger Unternehmen wieder ohne Partner da – und zwar in einer ohnehin angespannten Geschäftssituation. Am Mittwoch hatte Hamburg Süd gemeldet, dass das Linienergebnis 2015 hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei und „als eher unbefriedigend“ bezeichnet werden müsse.
Um ihre Mega-Schiffe besser auszulasten, haben die weltgrößten Reedereien Transport-Allianzen geschlossen. Darin können sich die Partner gegenseitig Ladung vermitteln sowie Schiffe gemeinsam betreiben und den Kunden somit mehr Vielfalt anbieten. Die erste Allianz war die 2011 geschlossene G 6. Hapag-Lloyd hatte sich darin mit APL, Hyundai, MOL, NYK und OOCL zusammengetan. Die beiden marktführenden Reedereien Maersk und MSC fahren gemeinsam in der 2 M. UASC hatte sich bisher mit China Shipping und CMA CGM zur Ocean 3 zusammengefunden. Infolge der Fusionen brechen die alten Allianzen jetzt auseinander: APL fällt durch die Übernahme durch CMA CGM als Partner von Hapag-Lloyd weg. Gleiches gilt für die Reederei OOCL, die auch eine Partnerschaft mit den Franzosen sucht. Diese wiederum nehmen die chinesische Cosco mit ins Boot. Hingegen steht die UASC nach der Neuordnung der Ocean 3 ohne Partner da. Nach der Fusion mit den Arabern wird sich Hapag-Lloyd neue Gefährten suchen müssen.
Wie verändert sich Hamburgs Hafen?
Allianzen ordnen als erstes ihre Dienste neu. Dabei wird festgelegt, welche Häfen in welchem Rhythmus von den Schiffen angelaufen werden. Die gestarteten Änderungen der Kooperationen werden mit Sicherheit Auswirkungen auf den Hamburger Hafen haben. Mindestens ein Konflikt ergibt sich dadurch, dass China Shipping und CMA CGM zusammengehen. Die chinesischen Schiffe wurden bisher bei Eurogate abgefertigt, die französischen bei der HHLA. Die neue Allianz muss sich jetzt für einen der beiden Terminals entscheiden. Ein zweites Konfliktfeld sind die neuen Großschiffe. Hapag-Loyd hat seine Schiffe bisher am Containerterminal in Altenwerder abgefertigt. Die Riesenfrachter von UASC werden dort nicht anlegen können, weil sie auf dem Weg dorthin nicht unter der Köhlbrandbrücke hindurchpassen. Laufen sie nun Wilhelmshaven an?