Hamburg. Verliert Hamburg massiv Geld nach dem Börsengang von Hapag-Lloyd? Experten zweifeln am Sinn neuer Schiffe. Die wichtigsten Antworten.
Nach dem Börsengang von Hapag-Lloyd am vergangenen Freitag ergeben sich viele neue Fragen. Nicht wenige Bürger befürchten, dass die Stadt massiv Geld verliert, weil die Aktie derzeit zu einem viel geringeren Preis gehandelt wird, als der Senat einst dafür bezahlt hat. Das Abendblatt hakt nach, was die Abwertung der Anteile bedeutet und wie es mit der Aktie an der Börse weitergehen könnte.
Warum ist der geringe Börsenwert von Hapag-Lloyd überhaupt ein Problem?
Auch nach dem Börsengang hält Hamburg noch immer 20,6 Prozent Anteile an der Traditionsreederei vom Ballindamm. Sie hat 2009 knapp 14,2 Millionen Anteile zu 51,10 Euro das Stück erworben und 2012 weitere 10,1 Millionen Anteile zu je 41,22 Euro. Insgesamt hatte die Stadt 1,14 Milliarden Euro ausgegeben. Legt man nun aber die 20,15 Cent zugrunde, zu denen die Aktie gestern an der Börse zu kaufen war, wäre der städtische Anteil nur noch 490 Millionen Euro wert.
Muss die Stadt den Wert ihrer Anteile jetzt abschreiben?
Nicht notwendigerweise. Die Stadt hat ihre Anteile an Hapag-Lloyd bei der städtischen Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement (HGV) geparkt. Für die HGV ist weder der Ausgabepreis noch der sich zum Jahresende ergebende Börsenkurs für die Bewertung ihrer Beteiligung an Hapag-Lloyd maßgeblich. Sie wird erst im kommenden Jahr auf Basis der aktualisierten Unternehmensplanung der Reederei beim Aufstellen des HGV-Jahresabschlusses 2015 entscheiden, ob und wenn ja in welchem Umfang von einer Wertminderung ihres Aktienbestandes auszugehen ist.
Nach welchen Kriterien geht sie dabei vor?
Da es sich um Anlagevermögen handelt, dessen Wert sich ändern kann, muss die Stadt bei der Bilanz nicht automatisch den niedrigsten Wert der Anteile ansetzen. „Vielmehr wird auf Grundlage einer aktualisierten Unternehmensplanung zu entscheiden sein, ob und falls ja, in welchem Umfang eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung vorliegt und damit eine Buchwertkorrektur notwendig sein wird“, sagt Daniel Stricker von der Finanzbehörde.
Was verändert sich in der Bilanz, wenn Hamburg seinen Anteil abwertet?
Die Bilanz weist auf der einen Seite Aktiva, auf der anderen Seite Passiva aus. Auf der Aktiva-Seite stehen die Vermögenswerte. Dieser Block würde nach eine Abwertung der Hapag-Lloyd-Anteile kleiner. Auf der Passiva-Seite stehen unter anderem die Verbindlichkeiten und das Eigenkapital. Unterstellt man nun, dass sich an den Verbindlichkeiten nichts ändert, würde das Eigenkapital geringer ausfallen. Die Höhe des Eigenkapitals ist für Kreditgeber eine wichtige Größe, um die Zinshöhe für neue Darlehen festzulegen. „Die Zinsen würden dann normalerweise steigen“, sagt Henning Vöpel, Direktor des Hamburger Forschungsinstituts HWWI, dem Abendblatt.
Allerdings sind die Zinsen derzeit am Markt so niedrig, dass die Auswirkungen wenn überhaupt nur marginal steigen dürften. Dass die Stadt Hamburg wegen der geringeren Eigenkapitalquote von Ratingagenturen eine schlechtere Bonität bekommen könnte, kann sich Vöpel nicht vorstellen. Dafür sei die Hapag-Lloyd-Abwertung zu unbedeutend. Im Jahresabschluss 2014 hat die HGV ihre Hapag-Anteile bereits einmal um 151,8 Millionen Euro abgewertet. Ergebnis laut Finanzbehörde: „Das führte zu einer entsprechenden Verminderung der anderen Gewinnrücklagen. Eine Erhöhung der Verschuldung ergab sich daraus nicht.“
Wird Hamburg beim Verkauf seiner Anteile Gewinn machen?
Das ist derzeit unwahrscheinlich. Schließlich müssten nicht nur der volle Kaufpreis sondern auch anfallende Zinsen erlöst werden. Dazu müsste sich der derzeitige Börsenwert der Aktie mehr als verdoppeln. Grundlage dafür wäre, dass sich die Containerschifffahrt erholt. Danach sieht es im Moment noch nicht aus. „Die allgemein schwierige Lage am Schifffahrtsmarkt wird sich in diesem und kommenden Jahr nach unserer Einschätzung nicht wesentlich verbessern“, sagt beispielsweise Dennis Dasselaar, Schifffahrtsanalyst der NordLB. Der Branchendienst Alphaliner erwartet, dass das dritte Quartal bei Hapag-Lloyd schwächer ausfällt. Denn schon im zweiten Quartal waren die durchschnittlichen Frachterlöse gegenüber dem ersten Quartal um fünf Prozent gesunken. Zudem melden derzeit alle Containerreedereien schwächere Erlöszahlen. Mittelfristig ist also nicht zu erwarten, dass die Hapag-Lloyd-Aktie stark steigt. Hamburg muss sich darauf einstellen, längerfristig auf seinen Anteilen zu sitzen. Aus der Finanzbehörde heißt es dazu: „Die Stadt setzt sich bei einem Verkauf ihrer Anteile nicht unter Zeitdruck.“
Wie sinnvoll ist es, trotz der schwierigen Lage neue Schiffe zu bestellen ?
Hapag-Lloyd will einen Teil des Erlöses aus dem Börsengang in den Kauf neuer Großfrachter mit einer Kapazität ab 19.000 Standardcontainern investieren. Experten halten diesen Schritt für zweifelhaft. So sagt NordLB-Analyst Dasselaar: „Was die Anschaffung der außergewöhnlich großen Schiffe betrifft, befindet sich Hapag-Lloyd in einer schwierigen Lage. Einerseits verstehen wir, dass das Unternehmen in diese Größenordnung einsteigen will, um keinen Wettbewerbsnachteil zu erleiden. Andererseits sind die Orderbücher gerade in diesem Segment üppig bestückt. Und ob das allgemeine Handelswachstum einen so großen Flottenwachstum benötigt, ist fraglich.“ Bisher galt der Grundsatz: Je größer das Schiff, desto geringer die Transportkosten pro Container. Doch so einfach ist die Rechnung laut Dasselaar nicht mehr: „Was bringt die Effizienzsteigerung der zusätzlichen Transportkapazitäten der riesigen Schiffe, wenn diese nur zu 70 Prozent ausgelastet sind?“ Insbesondere der Abschwung in Asien mache sich jetzt bemerkbar.