Das russische Unternehmen Pella Shipyard bietet fünf Millionen Euro und will 400 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Eine Entscheidung soll wohl bis Mitte Februar getroffen werden.
Hamburg Neue Hoffnung für Sietas in Neuenfelde. Nach Informationen des Abendblatts gibt es für Hamburgs ältesten Schiffbaubetrieb ein konkretes Kaufangebot der russischen Werft Pella Shipyard in St. Petersburg. Die Russen haben sich über das Hamburger Unternehmen Rosflot an den Insolvenzverwalter von Sietas gewandt. Sie bieten insgesamt fünf Millionen Euro für die Hamburger Werft und wollen die Kapazität in Neuenfelde nach eigenen Angaben in den kommenden sechs Monaten auf 50 Prozent und bis Mitte 2015 sogar wieder auf 100 Prozent hochfahren. Rund 400 Mitarbeiter und Fachkräfte sollen dafür in den kommenden Monaten zusätzlich eingestellt werden. Derzeit sind auf der insolventen Werft noch gut 100 Beschäftigte tätig.
Pella Shipyard hat unter anderem schon für den Mineralölkonzern Rosneft und die russische Marine gearbeitet. Die Werft baut zum Beispiel Schlepper und Lotsenboote. International genießt das Unternehmen einen guten Ruf. Die Liste der Referenzen auf der Internetseite ist lang. Die Werft hat bereits Aufträge aus Norwegen, Litauen und Italien erhalten und erfolgreich abgearbeitet. Weder Sietas-Insolvenzverwalter Berthold Brinkmann noch die Hamburger Wirtschaftsbehörde wollten sich zu dem Kaufangebot auf Nachfrage äußern. Fakt ist: Die Zeit für eine mögliche Übernahme drängt. Bis Mitte Februar wollen die Russen möglichst eine Entscheidung des Insolvenzverwalters haben.
Die noch verbliebenen Mitarbeiter bei Sietas sind mit der Endausfertigung des bislang letzten Neubaus der Werft beschäftigt. Das Offshore-Windkraft-Errichterschiff „Aeolus“ für das niederländische Wasserbauunternehmen Van Oord soll bis spätestens März abgeliefert werden. Weitere Neubauaufträge hat Sietas bislang nicht.
Zumindest offiziell ist nach wie vor auch der chinesische Stahlbaukonzern ZPMC an einer Übernahme von Sietas interessiert. Die Chinesen verhandeln seit dem vergangenen Frühjahr mit dem Insolvenzverwalter, im Oktober hatte eine Delegation von ZPMC die Werft besucht. Die Mitteilung von Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz von Anfang Dezember, ihm sei in China eine positive Entscheidung noch bis zum Jahresende signalisiert worden, war bei den Beteiligten in der Wirtschaftsbehörde und beim Insolvenzverwalter mit einer gewissen Irritation aufgenommen worden. Tatsächlich zeichnet sich mit ZPMC – der Konzern ist unter anderem Weltmarktführer beim Bau von Containerbrücken – mit Blick auf Sietas bislang keine Einigung ab. Auch ein Interessent aus Indonesien hatte die Gespräche über Sietas im vergangenen Jahr nicht vertieft.
Generell waren Investoren und Interessenten aus Russland im deutschen Schiffbau in den vergangenen Jahren mit Skepsis betrachtet worden. Der russische Unternehmer Andrej Burlakow hatte die Wadan-Werften in Wismar und Rostock-Warnemünde 2009 in die Insolvenz geführt. Unter dem Namen Nordic Yards allerdings entwickelte sich die Doppelwerft anschließend im Eigentum des ebenfalls russischen Geschäftsmannes Witali Jussufow zu einem der erfolgreichsten Schiffbauunternehmen in Deutschland. Nordic Yards baut im Auftrag von Siemens mehrere Umspannwerke für Offshore-Windparks in der deutschen Nordsee, zudem Spezialschiffe für russische Auftraggeber zum Einsatz in arktischen Fahrtgebieten. Das verschaffte dem deutschen Schiffbau in Russland neue Aufmerksamkeit und Reputation.
Auch für die derzeit ebenfalls insolvente Volkswerft in Stralsund hatten sich im vergangenen Jahr russische Investoren interessiert, bislang allerdings ohne Ergebnis. Bereits in der Zeit der deutschen Teilung waren DDR-Werften wichtige Hersteller für die russische, damals noch sowjetische, Flotte. Besonders Fischereifahrzeuge, aber auch Passagierschiffe und andere Typen wurden seinerzeit an den ostdeutschen Werftstandorten für die Sowjetunion gebaut.
Sietas wiederum ringt seit dem Jahr 2009 um eine wirtschaftliche Trendwende. Der Familieneigner Hinrich Sietas war seinerzeit, vor allem auf Druck seiner Hausbank HSH Nordbank, aus den Unternehmen gedrängt worden, um den drohenden Untergang zu verhindern. Ende 2011 musste Sietas dennoch Insolvenz anmelden. Bis dahin hatte die lange Zeit auf Containerschiffe konzentrierte Werft ein neues Programm von Spezialschiffen aufgelegt. Darunter ist auch die mehr als 120 Millionen Euro teure „Aeolus“ für Van Oord, die als das technologisch bislang anspruchsvollste Errichterschiff für Offshore-Windparks weltweit gilt. Eine Option für den Bau eines Schwesterschiffes zur „Aeolus“ hatte Van Oord Ende 2012 verstreichen lassen, weil der weitere Ausbau der Offshore-Windkraft insbesondere in der deutschen Nordsee zu jenem Zeitpunkt unklar war.