Deutsche Börse und Börsenbetreiber NYSE Euronext stehen vor Fusion. Aktien wurden ausgesetzt. LSE plant Übernahme von kanadischer TMX.

Frankfurt/New York. Mega-Fusionen in der Börsenbranche: Die Deutsche Börse steht vor einem Zusammenschluss mit ihrer US-Konkurrentin Nyse Euronext. Damit würde der in der Mainmetropole ansässige Börsenbetreiber zur weltweiten Nummer Eins aufsteigen mit Handelsplätzen in New York, Paris und Frankfurt. Zudem will die traditionsreiche Londoner LSE die kanadische TMX übernehmen.

Die Deutsche Börse und die Nyse Euronext teilten am Mittwoch mit, dass die Gespräche über einen transatlantischen Zusammenschluss bereits weit fortgeschritten seien. Sie bestätigten entsprechende Reuters-Informationen. Sollte die Fusion zustande kommen, entstünde ein Gigant mit einer gemeinsamen Marktkapitalisierung von 24 Milliarden Dollar. Damit würde das neue Unternehmen die Rohstoffbörse Chicago Mercantile Exchange (CME) mit einem Börsenwert von rund 20 Milliarden Dollar vom Thron stoßen.

Finanzkreisen zufolge planen Deutsche Börse und Nyse Euronext nach außen zwar eine Fusion „unter Gleichen“. De facto dürften die Deutschen allerdings das Sagen haben. Denn laut gemeinsamer Mitteilung sollen sie mit bis zu 60 Prozent die Mehrheit an dem fusionierten Börsenbetreiber halten. Mit einer Marktkapitalisierung von rund 15 Milliarden Dollar (elf Milliarden Euro) ist die Deutsche Börse derzeit auch deutlich mehr wert als die NYSE, die auf neun Milliarden Dollar kommt. Chef der neuen Super-Börse solle Nyse-Euronext-Chef Duncan Niederauer werden mit Sitz in New York. Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni werde künftig als Verwaltungsratschef von Frankfurt aus arbeiten. Die Synergien wurden auf rund 300 Millionen Euro beziffert. Finanzkreisen zufolge sind Stellenstreichungen wahrscheinlich.

Gerüchte über ein Zusammengehen der beiden Börsenbetreiber hatte es am Nachmittag bereits in den Handelsräumen gegeben, vorübergehend wurden die Aktien beider Unternehmen vom Handel ausgesetzt. Börsianer bejubelten die Nachrichten später: Die in New York notierten Papiere der Nyse Euronext schossen um 14 Prozent in die Höhe, die Aktien der Deutschen Börse kletterten am Abend im außerbörslichen Handel um knapp drei Prozent und notierten bei Lang & Schwarz bei etwa 60 Euro.

Der Stärkste überlebt

Experten lobten die Pläne. „Die Branche braucht Konsolidierung“, sagte Joseph Greco, Managing Director bei Meridien Equity Partners in New York. „Die Zeiten erinnern an Darwin: Der Stärkste überlebt“, sagte Michael Holland, Chairman vom Vermögensverwalter Holland & Co. Auf dem Frankfurter Parkett sorgten die Pläne für Aufruhr bei Händlern. „Das ist so, als wenn Inter Mailand und Real Madrid fusionieren, das ist ein totaler Hammer“, sagte ein Börsianer.

Es ist allerdings nicht das erste Mal, dass die Deutsche Börse ein Auge auf die Euronext geworfen hat. Bereits 2006 bot sie dem Börsenbetreiber mit damaligem Hauptsitz Paris Fusionsgespräche an. Allerdings entschied sich die Euronext dann doch für die ihrer Ansicht nach hübschere Braut aus Manhattan. Auch in den vergangenen Jahren agierte die Deutsche Börse in Sachen Expansion eher glücklos. So scheiterte zuletzt die Übernahme der Börse Warschau.

Weltweit stehen die Börsenbetreiber unter Druck, sich zu zusammen zu tun. Alternative Handelsplattformen laufen den klassischen Anbietern zunehmend den Rang ab, der Kostendruck steigt. Die LSE legte am Mittwoch im Wettstreit um internationale Investoren zunächst vor: Sie will die kanadische TMX mit Sitz in Toronto übernehmen und so den weltweit viertgrößten Handelsplatz und die Nummer eins im lukrativen Geschäft mit Rohstoffaktien schmieden.

Stimmen zu den Fusionsgesprächen von Deutsche Börse mit NYSE

Roland Pfaender, Commerzbank: „Wenn man sich auf ökonomische Rationalität konzentriert, dann macht das auf jeden Fall Sinn. Da entsteht der führende Kassa-Markt und die führende Derivate-Börse, und auch das Clearing wäre global besser aufgestellt. Es wird aber schwer sein, das umzusetzen – wenn man das von der politischen Seite betrachtet. Ich glaube, sie haben schon vor zwei und zweieinhalb Jahren miteinander gesprochen, und das war damals eine große Hürde, die sie nicht überwinden konnten. Aber ich denke, die Zeiten haben sich geändert.“

Christian Muschick, Silvia Quandt Research: „Ich denke, der mögliche Zusammenschluss würde für die Deutsche Börse Sinn machen, die den Kundenfokus ein bisschen verloren hat. Politisch betrachtet, wird es interessant sein zu sehen, wer wen übernimmt. Ich hoffe, der Marktplatz in Frankfurt wird nicht durch irgendeinen Deal beschädigt.“

Martin Peter, LBBW : „Selbst wenn eine Übereinkunft erreicht werden sollte, so bleiben die Schwierigkeiten riesig. Um ehrlich zu sein, ich kann mir nicht vorstellen, dass es zu solch einem Deal kommen wird, zumal die Deutsche Börse nicht unter verzweifeltem Druck steht. Man muss zudem die kulturellen Unterschiede im Blick behalten. Bei jedem Zusammenschluss wird die US-Seite versuchen die bestimmende Kraft zu sein.“

Herbie Skeet, Monso Visione : „Diese Fusion wäre eine massive, globale Entwicklung. Sie sind beim Kassa-Markt und bei den Derivaten groß aufgestellt, und daher werden sich das die Kartellwächter anschauen.“ (Reuters)