Berlin. Die EU will Privatanleger ermutigen, in die Modernisierung von Straßen, Schienen und Stromtrassen zu investieren. Was für Erträge winken.

Nicht erst der spektakuläre Einsturz der Dresdner Carolabrücke hat deutlich gemacht, dass Deutschlands Infrastruktur erneuert werden muss. Milliardenausgaben, die Bund, Länder und Kommunen überfordern: Der namhafte Freiburger Ökonom Lars Feld schätzt den Investitionsbedarf allein für Autobahnen und Bundesfernstraßen für die kommenden drei Jahre auf über 57 Milliarden Euro. Der Schienenverkehr benötige im gleichen Zeitraum etwa 82 Milliarden Euro, prognostiziert er und beruft sich auf Schätzungen des zuständigen Bundesverkehrsministeriums. Mehr als 150 Milliarden Euro dürfte seiner Erhebung nach bis 2037 der Inlands-Ausbau des Stromnetzes verschlingen.

„Deutschlands Infrastruktur lebt fast nur noch von ihrer Substanz“, mahnt Feld. In eine ähnliche Kerbe schlägt die unlängst veröffentlichte Untersuchung des World Economic Forums, in dessen Infrastruktur-Statistik Deutschland von Rang drei in 2006 auf Rang zwölf im Jahr 2018 plumpste. Den weltweiten Nachrüstungsbedarf schätzen die Vermögensberater der Allianz Global Investors bis 2040 auf satte 94 Billionen Dollar.

Kleinanleger sollen sich an Straßen und Schienen beteiligen können

Ähnlich wie bei der Energiewende scheint es unmöglich, solche Summen allein aus dem Steueraufkommen zu stemmen. Deswegen sollen zunehmend private Investoren ran, auch Kleinanleger: Über gezielte Fondsmodelle könnten diese einen wertvollen Beitrag leisten, versprechen die Entwickler von Infrastrukturfonds, die die Milliarden zusammensammeln sollen. „Angesichts des hohen finanziellen Bedarfs ist es notwendig, die Potenziale privaten Kapitals zu erschließen“, ist auch Feld überzeugt.

„Fondsgesellschaften bringen das vorhandene Geld dahin, wo es eingesetzt werden sollte. Deswegen werden sie künftig eine wichtige Rolle bei der Finanzierung von Infrastruktur spielen“, sagt Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment, der Vermögensanlagetochter der genossenschaftlichen Bankengruppe.

ELTIF: Über dieses Instrument können Privatanleger an Infrastrukturprojekten partizipieren

Als Vehikel dienen sogenannte ELTIF: Die Abkürzung steht für Europäische Langfristige Investmentfonds. Diese sollen Privatkunden Zugang verschaffen zu Anlagen in Beteiligungen und Infrastrukturprojekte, die bisher institutionellen Anlegern vorbehalten waren. Infrastruktur sei kein Thema mehr ausschließlich für Profis, sagt Reinke. Über ELTIF beteiligten sich Privatanleger zum Beispiel an einem Unternehmen, welches eine Mautstraße betreibt oder eine Zugflotte, erklärt er.

Die EU sieht ELTIF als Instrument, Infrastrukturausgaben und langfristige Projekte zu fördern. Rechtliche Grundlage ist eine Verordnung aus dem Jahr 2015. Deren Zulassungsvoraussetzungen erwiesen sich zunächst aber als zu kompliziert und unpraktikabel.

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Fondsbetreiber erwarten Renditeniveau wie bei Aktienanlagen

Seit Januar gilt eine überarbeitete Fassung. Sie ermöglicht unter anderem geringere Mindestanlagebeträge. „Nie war es einfacher für Privatkunden regulierte, überwachte und breit gestreute Infrastrukturanlagen, zu erwerben“, lobt Reinke. Seit März bietet Union Investment einen Infrastruktur-ELTIF für Privatanleger an. Investiert werde vorwiegend in Energie, Transport, Kommunikation, Versorgung und Soziales. 

Rechnen soll sich das Investment in Stromnetze, Rechenzentren oder Solarprojekte für die Anleger auch, das Renditeniveau sei vergleichbar mit Aktienanlagen, betonen die Fondsbetreiber. Dafür schwanke die Wertentwicklung deutlich weniger und in Krisenzeiten erweise sich der Infrastrukturbereich oft als stabiler. Reinke rät deshalb, bestehende Aktienanlagen mit Infrastrukturanlagen zu kombinieren.

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Diese Risiken drohen bei den Infrastruktur-Fonds

Für den Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) liegt die Attraktivität vor allem in der langfristigen Stabilität und einer guten Vorhersehbarkeit der Cashflows. Anleger könnten ihr Portfolio damit breiter aufstellen, erklären auch die Vermögensberater der Allianz GI.

Natürlich ist nicht jedes komplexe Infrastrukturprojekt ein Erfolg. Deshalb gibt es Risiken: wenn der Bau stockt, oder wenn für einen Fonds gerade keine interessanten Anlagen am Markt sind. Dann werde das vorhandene Geld in der Kasse gehalten, sagt Reinke: „Es muss klar sein, dass es sich bei einer Investition in Infrastruktur um eine langfristige Anlage handelt“, betont er. Anleger müssten bereit sein, über Jahre hinweg investiert zu bleiben. „Wir empfehlen mindestens sieben Jahre“.

Die typischerweise geringe Liquidität und die lange Haltedauer könne für Privatpersonen ungeeignet sein, mahnt der Sparkassenverband. „Eine Windkraftanlage kann nicht mal eben verkauft werden“, sagt Reinke.

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In Frankreich und Italien werden die Fonds gefördert

Im September gab Allianz GI die Auflage ihres ersten ELTIF bekannt. Auch dessen Schwerpunkt liegt auf Trendthemen wie Dekarbonisierung, Digitalisierung oder Demografie – Windparks, Anlagen für grünen Wasserstoff, Rechenzentren, Wasserwirtschaftsunternehmen, Züge: Der neue Infrastructure ELTIF werde ausdrücklich nicht ohne Beratung angeboten, meldet der Anbieter. Anleger sollten sich des spezifischen Risikoprofils bewusst sein.

Nach Beobachtung des DSGV halten sich die Deutschen beim Zukunftsthema ELTIF bislang eher zurück – zumindest im internationalen Vergleich. In Frankreich oder Italien profitierten Anleger von gezielten Förderungen. So würden dort ELTIF als fondsgebundene Lebensversicherung angeboten, ab einer bestimmten Haltedauer winken steuerliche Erleichterungen: „Mit neuen attraktiven Produktangeboten und ähnlichen Fördermaßnahmen wie in Frankreich oder Italien könnte die Nachfrage nach derartigen Produkten auch in Deutschland zunehmen“, erwartet der DSGV. Sparkassenverbände und Landesbanken arbeiteten an Lösungen für den deutschen Markt.