Hamburg. Tausende Hamburger Objekte gelten in der Branche nicht mehr als lukrativ. Die Gründe sind vielfältig. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

Das Ende einer langjährigen Geschäftsbeziehung wurde höflich und ausführlich begründet schriftlich angekündigt – und kam völlig überraschend. „Wir haben uns entschlossen, den mit Ihnen geschlossenen Verwaltervertrag zum 31. Dezember 2023 zu kündigen“, heißt es in dem Schreiben, das im Frühjahr in den Briefkästen der Eigentümer von 16 Altbauwohnungen an der Kanalstraße auf der Uhlenhorst lag.

„Damit hatte keiner von uns gerechnet. Die Zusammenarbeit war immer vertrauensvoll und gut“, sagt Dagmar K., Miteigentümerin der kleinen Anlagen mit Vorder- und Hinterhaus, die sich im Beirat der 14-köpfigen Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) engagiert. Die Begründung des Wohnungsverwalters: „Wir sind gezwungen, unseren Objektbestand zu reduzieren.“ Dagmar K. und das zweite Beiratsmitglied sind jetzt auf der Suche nach einem neuen Verwalter. Das dürfte schwierig werden.

Immobilien Hamburg: Eigentümer von Altbauwohnungen suchen dringend Verwalter

Denn viele professionelle WEG-Verwalter nehmen nur noch größere Wohnanlagen neu in die Betreuung auf und kündigen die Verträge mit kleineren. Ganz neu ist dieser Trend nicht, doch bei den Anbietern hat sich die Definition des Begriffs „kleinere WEG“ deutlich nach oben verschoben.

„Anfang der 2010er-Jahre waren das noch Gemeinschaften mit bis zu zehn Wohnungen. Inzwischen gelten in vielen Verwaltungsunternehmen schon 25 Einheiten als klein, andere konzentrieren sich auf WEG mit mindestens 50 Wohnungen“, sagt Torsten Flomm, der Vorsitzende des Grundeigentümer-Verbands Hamburg. Dort gehen ständig Anfragen nach Verwaltern ein, die Objekte in der Größenordnung wie an der Kanalstraße übernehmen.

Tausenden Wohnungseigentümergemeinschaften in Hamburg droht ein Problem

Damit ist nun auch ein in Hamburg weit verbreiteter Haustyp von dieser Entwicklung betroffen oder könnte betroffen sein, wenn der Verwaltervertrag in den nächsten Jahren verlängert werden soll: In Stadtteilen wie Eimsbüttel und Ottensen, Eppendorf und Hoheluft liegen in vielen der vier- bis fünfstöckigen Altbauten aus der Gründerzeit zwischen zwölf und 18 Eigentumswohnungen. Die Zahl der WEG dürfte in die Tausende gehen. Vor ein paar Jahren galten sie in weiten Teilen der Verwalterbranche noch als mittelgroß, inzwischen als klein und nicht mehr lukrativ.

Die Mitgliedschaft in der WEG ist für jeden Eigentümer im Haus obligatorisch und die Gemeinschaft muss einen Verwalter benennen. Das muss zwar nicht zwingend ein Immobilienprofi sein, doch für Laien sind Aufgaben und Rechtsfragen in Häuser dieser Größenordnung zumeist zu kompliziert. Ein Teil der Branche hat die Umwälzungen auf dem Verwaltermarkt mittlerweile als Geschäftsfeld erkannt: Einige Anbieter in Hamburg werben offensiv damit, dass sie speziell kleine WEG betreuen.

„Es rechnet sich einfach nicht“, sagt der Verband der Verwalter

Wolfgang Mattern, der geschäftsführende Vorstand des Branchenverbands der Immobilienverwalter in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern (VDIV Nord), bestätigt, dass eine wachsende Zahl der Mitgliedsunternehmen keine kleinen und mittelgroßen WEG mehr als Neukunden akzeptiert oder ihnen gar kündigt: „Es rechnet sich einfach nicht“, sagt Mattern. Je mehr Wohnungen zu einer WEG gehören, desto geringer ist der Aufwand für den Verwalter pro Einheit.

Bezahlt wird der laufende Teil der Betreuung in der Regel mit einer pauschalen Monatsgebühr pro Wohnung. Nach einer Preiserhöhungsrunde in den vergangenen Jahren gilt inzwischen alles unter 30 Euro pro Monat als günstig, kleine WEG müssen teils 50 Euro pro Wohnung in Kauf nehmen. Damit sind aber zumeist nur die Standardaufgaben wie Heizungsabrechnung, Verwaltung der Konten für Hausgeld und Rücklagen, die Organisation der jährlichen Mitgliederversammlung bezahlt.

Bei Nachwuchskräften in der Immobilienbranche gilt die Haus- und Wohnungsverwaltung als angestaubter Job und kleine, hässliche Stiefschwester von Projektentwicklung und Makelei.
Bei Nachwuchskräften in der Immobilienbranche gilt die Haus- und Wohnungsverwaltung als angestaubter Job und kleine, hässliche Stiefschwester von Projektentwicklung und Makelei. © Getty Images/iStockphoto | Filmfoto

Zuständig ist die Verwaltung jedoch auch für die Beauftragung von Reparaturen und die Ausschreibung von größeren Bauvorhaben an dem Mehrfamilienhaus. Für die kann sie ein Honorar verlangen, das prozentual von den Kosten berechnet wird. Je teurer das Projekt, desto mehr bekommt die Verwaltung. „Ob eine Dachsanierung nur 30.000 oder 300.000 Euro kostet, macht aber für die damit verbundene Arbeit keinen Unterschied, der Aufwand ist gleich groß“, sagt Branchenverbands-Vorstand Mattern.

Immer neue Vorgaben wegen des Klimawandels

Die Rahmenbedingungen der Verwaltung von Immobilien hätten sich in den letzten fünf Jahren erheblich verändert, begründet das Unternehmen, das den Eigentümern in der Kanalstraße gekündigt hat, diesen Schritt. Und macht dafür auch den Kampf gegen den Klimawandel verantwortlich.

„Der angestrebte Klimapfad der Bundesregierung“ habe starke Auswirkungen, die Anforderungen an die Verwalter würden immer höher, sie müssten ständig auf dem neuesten Stand sein zu Immobilienthemen wie Elektromobilität, Heizungstechnologie, Telekommunikationsgesetz, Brandschutz, Energiesicherungsgesetz, Gebäudeenergiegesetz, Fördermittel. Dabei lasse „die Unterstützung von Seiten des Handwerks spürbar nach“ – weil dort Fachkräfte fehlen.

Fachkräftemangel auch in der Immobilienbranche

Fachkräftemangel ist aber auch in der Immobilienbranche selbst ein großes Thema. „Personal ist knapp und teuer“, sagt Flomm. Er spricht von einem Abwerbekampf um versierte Kräfte unter den Firmen. Wolfgang Mattern sagt: „Es ist sehr schwer, Berufsnachwuchs für die Verwaltung zu finden.“

Das hat viel mit einem Imageproblem zu tun. Hausverwaltung gilt innerhalb der Branche als die kleine, hässliche Stiefschwester von Projektentwicklung und finanziell einträglicher Vermakelung von Immobilien. „Viele Nachwuchskräfte träumen davon, im Porsche um die Alster zu kurven. Sie sehen in der Verwaltung einen angestaubten Job mit vielen Zahlen, Vorschriften und ungünstigen Arbeitszeiten“, sagt ein Brancheninsider, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.

Eigentümerversammlung gilt als anstrengender als Kita-Elternabend

Tatsächlich finden die WEG-Versammlungen meist am späten Nachmittag oder Abend statt, wenn die Eigentümer Zeit dafür finden. Wer je an einem solchen Treffen teilgenommen hat, weiß, dass es sehr viel anstrengender sein kann als jeder Elternabend in Kita oder Schule. Weil da bisweilen Menschen zwangsweise in einem Boot sitzen, die gegensätzliche Interessen haben und sich dennoch einigen müssen, die einander nicht gut ausstehen können und mit denen man am liebsten gar nichts zu tun hätte.

Als besonders anspruchsvoll gelten dabei WEG von Ferienwohnungsanlagen mit Eigentümern, die über ganz Deutschland verteilt leben. Dann könne es passieren, dass der Verwalter die Versammlung am Karfreitag ansetzen und leiten soll – damit die Eigner anschließend ein verlängertes Osterwochenende in ihrer Ferienwohnung verbringen können, heißt es in der Branche. Abhilfe soll schaffen, dass künftig auch Eigentümerversammlungen in Online-Konferenzen rechtssicher Beschlüsse fassen dürfen. Kritiker wenden ein, das könne technisch unversierte Mitglieder benachteiligen.

Immobilien Hamburg: Auch Tochterfirma des Eigentümer-Verbands kündigt Verträge

Der Verwalter, der an der Kanalstraße kündigte, schickte einige Zeit später zwei Links zu Auflistungen anderer Anbieter und wies ausdrücklich darauf hin, dass sich die WEG selbst um einen neuen Verwalter kümmern müsse – so wie es auch der Hauseigentümer-Verband in der Mitgliederberatung tut. „Wir wissen in der Regel aber nicht, was daraus wird“, sagt Torsten Flomm.

Pikant: Der Verwalter an der Kanalstraße ist die Firma Privatbau – ein Tochterunternehmen des Hauseigentümer-Verbands. Es will und kann künftig nurmehr Häuser und Anlagen mit mindestens 25 Wohnungen verwalten. Flomm sieht den Verband deshalb jedoch nicht im Zielkonflikt. „Auch diese Tochterfirma muss zusehen, dass sie Gewinn erwirtschaftet.“ Als er einst die WEG-Verwaltung eines Verbands-Tochterunternehmens leitete, habe es Größenvorgaben zwar nicht gegeben, sagt Flomm. „Aber damals galten auch ganz andere Marktbedingungen.“

Die WEG auf der Uhlenhorst hat bislang noch keinen neuen Verwalter. Die Zeit wird langsam knapp. Beirätin Dagmar K. sagt: „Wir müssen da jetzt in die Gänge kommen.“