Hamburg. Discounter locken mit Preissenkungen für wenige Produkte. Aber Teuerungsrate bleibt hoch: Das führt zu deutlichen Mehrkosten.

Schon seit einigen Monaten sind sie für Hamburgerinnen und Hamburger, die preisbewusst einkaufen, ein gewohntes Bild: die bunten Anzeigen, in denen Discounter wie Aldi, Lidl oder Netto auf „dauerhafte Preissenkungen“ für bestimmte Warengruppen hinweisen.

Gerade erst zum 1. August hat Aldi den Preis für 250 Gramm Butter der Eigenmarke Milsani weiter von 1,45 Euro auf 1,39 Euro reduziert. Im Juli hatte man verschiedene Reinigungsprodukte um bis zu 24 Prozent verbilligt.

Aldi, Edeka, Lidl und Co.: Inflation im Supermarkt – So stark trifft sie die Hamburger

Ende Juni verkündeten Aldi und Lidl nahezu zeitgleich deutliche Preissenkungen jeweils für Honig, Speiseöl und Toilettenpapier. Von Lidl hieß es dazu: „Wie gewohnt gibt der Lebensmitteleinzelhändler den Effekt der Entspannung auf vereinzelten Rohstoffmärkten direkt an seine Kunden weiter.“

Kurz zuvor hatte der zur Hamburger Edeka-Gruppe gehörende Discounter Netto gemeldet, man biete unter anderem Spaghetti, Zucker und Hackfleisch nun dauerhaft günstiger an. Das Motto dazu: „Netto setzt ein Zeichen gegen den Preisanstieg bei Lebensmitteln.“

Supermarkt: Wie stark die Inflation Hamburger Haushalte belastet

Doch während solche Aktionen suggerieren könnten – und es wahrscheinlich auch sollen –, Produkte des täglichen Bedarfs seien inzwischen schon wieder erheblich günstiger als im vorigen Jahr, ergibt sich aus den offiziellen Daten zur Inflation etwas ganz anderes. Denn nach Angaben des Statistikamts Nord sind in Hamburg die Verbraucherpreise im Juli im Vergleich zum Vorjahresmonat um 5,8 Prozent gestiegen.

Dabei waren gerade die Nahrungsmittel und alkoholfreien Getränke mit einem Plus von 10,7 Prozent ein wesentlicher Preistreiber, der nur noch von der Warenkorbkategorie „Strom, Gas und andere Brennstoffe“ mit einer Verteuerung um 16,7 Prozent übertroffen wurde.

Nahrung, Getränke: Durchschnittshaushalt wird pro Monat um 43 Euro mehr belastet

Nimmt man die durchschnittlichen Konsumausgaben eines bundesdeutschen Haushalts von 2623 Euro als Basis, würde aktuell jeder einzelne Haushalt in Hamburg nun 152 Euro mehr im Monat ausgeben müssen als noch vor einem Jahr.

Auf alle gut 1,06 Millionen Haushalte in der Hansestadt hochgerechnet sind das gut 161 Millionen Euro an Mehrausgaben – jeden Monat. Allein bezogen auf Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren errechnet sich eine Mehrbelastung von monatlich 43 Euro.

Bundesweit lag die Inflationsrate im Juli sogar bei 6,2 Prozent. Zwar ergab sich im Jahresschnitt 2022 noch eine Teuerungsrate von 7,9 Prozent. Das heißt aber lediglich, dass sich die Preissteigerung etwas verlangsamt hat und nicht etwa, dass die Preise in der Breite wieder sinken.

Butter ist günstiger als vor einem Jahr – aber das ist eine Ausnahme

Tatsächlich haben sich von 60 Lebensmittel- und Getränkeposten, die das Statistische Bundesamt untersucht, im Juli gerade einmal drei gegenüber dem Vorjahresmonat verbilligt: Butter um 26,4 Prozent, Sonnenblumen- beziehungsweise Rapsöl um 15,8 Prozent und Vollmilch um 0,2 Prozent.

Dagegen stehen kräftige Verteuerungen zum Beispiel bei Zucker (72,3 Prozent), Pizza (26,0 Prozent), Kartoffelchips (24,2 Prozent), gefrorenem Fisch (19,5 Prozent), Schokolade (19,3 Prozent) und Gemüse (15,7 Prozent).

Wie sich in den vergangenen beiden Jahren mit deutlich erhöhten Inflationsraten gezeigt hat, brachten die Preissteigerungen eine Veränderung der Konsumstruktur mit sich. Nach Erkenntnissen des Marktforschungsinstituts GfK gehörte dazu ein Wechsel von Markenprodukten zu Eigenmarken der Discounter und Supermarktketten sowie eine Kaufzurückhaltung bei Gütern des mittel- und langfristigen Bedarfs. Jüngsten Daten der Handelsforscher des EHI Retail Institute zufolge haben die Umsätze der Supermärkte und SB-Warenhäuser in Deutschland im Jahr 2022 um zusammen 4,2 Prozent auf 101,8 Milliarden Euro zugelegt, während die Discounter ihre Erlöse um 8,1 Prozent auf 88,5 Milliarden Euro ausbauen und somit den Marktanteil deutlich steigern konnten.

Verbraucher reagieren auf die Inflation mit „erhöhter Preissensibilität“

„Die anziehenden Preise für Energie und in der Folge auch für Produkte des Grundbedarfs wie etwa Lebensmittel und Drogerieartikel haben den Fokus der Konsumenten auf alltägliche Güter gerückt“, sagt der GfK-Experte Philipp Willroth. Preissteigerungen seien ein „allgegenwärtiges Gesprächsthema“ geworden, und Konsumenten reagierten darauf mit „erhöhter Preissensibilität“.

Dies dürfte ein Grund dafür sein, warum Einzelhändler mit plakativen Preissenkungsschritten für einen kleinen Teil ihres Sortiments den Eindruck zu vermitteln versuchen, der Einkauf bei ihnen habe sich generell schon wieder verbilligt. Es ist wohl auch kaum ein Zufall, dass im Februar gerade die Butter eines der ersten Lebensmittel war, für das Aldi, gefolgt von den Wettbewerbern, den Preis spürbar reduzierte: Butter gilt – neben Kaffee – in der Branche als „Eckpreis“-Artikel, an dem sich die Kunden bei der Preiswahrnehmung von Lebensmittelhändlern orientieren.

Doch hatten nun die prominent herausgestellten Preissenkungen der Discounter neben dem Marketingeffekt keine messbare Wirkung? Zumindest bei der Butter kann man das nicht behaupten, denn sie hat sich im Vorjahresvergleich um mehr als ein Viertel verbilligt. Eine Reihe anderer Produkte war zuletzt zwar noch teurer als im Juli 2022, aber zumindest schon etwa günstiger als noch vor wenigen Monaten. Unter anderem gilt das für Vollmilch (minus 8,0 Prozent gegenüber April), Käse und Quark (minus 4,5 Prozent), Margarine (minus 3,6 Prozent) sowie tiefgefrorenen Fisch (minus 1,6 Prozent).

Verbraucherzentrale befürchtet „Armut bis hinein in die Mittelschicht“

Es bleibt die Frage, wie es mit den Verbraucherpreisen weitergeht. Zumindest für dieses Jahr stellen Experten noch keine durchgreifende Abschwächung der Teuerung in Aussicht. So erwartet das Hamburger Bankhaus Berenberg für Deutschland eine Inflation von 6,0 Prozent im Jahresdurchschnitt 2023.

Für den Bereich der Nahrungsmittel sieht die Verbraucherzentrale auch auf längere Sicht keine wesentliche Entlastung. „Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Lebensmittelpreise nur gering zurückgehen“, heißt es dort. „Die niedrigen Preise der Jahre 2000 bis 2019 werden nicht mehr erreicht werden.“ Verbraucherinnen und Verbraucher müssten daher damit rechnen, zukünftig einen höheren Anteil ihres zur Verfügung stehenden Einkommens für Lebensmittel auszugeben.

Damit drohten „Ernährungsarmut und generell Armut in immer größeren Teilen der Bevölkerung bis hinein in die Mittelschicht“, warnt die Verbraucherzentrale: „Die Politik muss sich dieses Problems annehmen und mit wirksamen Maßnahmen gegensteuern.“