Hamburg. Hamburger Kupferkonzern ist fast so gut im Geschäft wie im bisher besten Jahr. Doch auf dem Erfolg liegt ein Schatten.

Teure Energie, hohe Rohstoffkosten, Fachkräftemangel, Verschiebung von geplanten Investitionen aus Deutschland in andere Länder – die Alarmrufe aus der Industrie werden zunehmend lauter. Erst neulich sprach Matthias Boxberger, der Präsident des Industrieverbandes Hamburg (IVH), gegenüber unserer Redaktion von einer „schweren Krise“, in der sich die gesamte Branche befinde.

Als Beleg dafür, wie stark hohe Energiekosten und eine nicht vorhandene Perspektive, wie diese sich langfristig entwickeln werden, die Industrie hierzulande belasten, führte er die Entscheidung des Hamburger Kupferkonzerns Aurubis an, ein neues Recyclingwerk in den USA zu errichten.

Tatsächlich ist der Metallkonzern auf der Veddel einer der größten Verbraucher von elektrischem Strom und Gas in der Stadt. Dennoch ist gerade Aurubis derzeit ein denkbar schlechtes Beispiel für eine besorgniserregende Geschäftsentwicklung. Im Gegenteil: In der Konzernzentrale an der Hovestraße kann man sich stattdessen eher die Frage stellen: Krise? Welche Krise? Denn Europas größtem Kupferhersteller geht es gold.

Aurubis steuert inmitten der Krise auf Rekordgewinn zu

Das belegen die Geschäftszahlen für das dritte Quartal des jeweils am 1. Oktober beginnenden Geschäftsjahres, die Aurubis am Montagmorgen veröffentlichte. Vorstandschef Roland Harings ordnete sie mit vor Optimismus strotzenden Worten ein. .„Wir haben auch im dritten Geschäftsquartal bewiesen: Aurubis bleibt auf Erfolgskurs und erzielt überzeugende Ergebnisse“, sagte er. Mehr noch: Das Unternehmen könnte im Geschäftsjahr 2022/23 seinen Rekordgewinn aus dem Vorjahr sogar noch einmal toppen.

Zuletzt hatte der Konzern im gesamten Geschäftsjahr ein operatives Ergebnis vor Steuern in Höhe von 532 Millionen Euro erwirtschaftet. Diese Rekordmarke in der mehr als 150-jährigen Unternehmensgeschichte ist auch im aktuellen Geschäftsjahr weiterhin in Reichweite. So hat das Unternehmen in den ersten neun Monaten bereits 406 Millionen Euro operativen Gewinn eingefahren.

Das sind lediglich 20 Millionen Euro weniger als in den ersten drei Quartalen des Vorjahres. Und: Im traditionell etwas schwächeren dritten Quartal erwirtschaftete der Konzern 115 Millionen Euro operativen Gewinn – und damit knapp 20 Millionen Euro mehr als vor Jahresfrist.

Läuft es im vierten Quartal noch ein bisschen besser, steuert Aurubis tatsächlich auf einen weiteren Rekordgewinn zu – mitten in der Branchenkrise. Seine Ende April erhöhte Gewinnprognose von 450 bis 550 Millionen Euro für das Gesamtjahr jedenfalls bestätigte Aurubis nach den Quartalszahlen am Montag.

Aurubis profitiert von Versicherungszahlung für Flutschäden im Werk Stolberg

Vorstandschef Harings betonte, das sehr gute Ergebnis sei erreicht worden, obwohl das neben Hamburg zweite große Aurubis-Werk im bulgarischen Pirdop planmäßig für Wartungsarbeiten 40 Tage lang stillstand. Das Unternehmen profitierte zudem von Versicherungszahlungen in Höhe von 15 Millionen Euro für die Schäden, die bei der Flutkatastrophe im Juli 2021 im Werk Stolberg entstanden waren. Und auch die sinkenden Energiekosten trugen zur Steigerung des operativen Gewinns bei.

Aktienkurs HA Grafik, HA Infografik
Aktienkurs HA Grafik, HA Infografik © HA Grafik | Frank Hasse

Dennoch zeigten sich Finanzexperten enttäuscht und verwiesen auf den Sondereffekt der Schadensregulierung für das Werk Stolberg. So stellte Analyst Ioannis Masvoulas von der US-Großbank Morgan Stanley klar, dass das Vorsteuerergebnis der Kupferhütte nur dank der Versicherungszahlung und nur auf den ersten Blick so gut aussehe.

Auf bereinigter Basis seien die Erwartungen ebenso verfehlt worden wie beim Finanzmittelfluss. Analysten rechnen derzeit damit, dass es am Ende des Geschäftsjahres auf insgesamt 523 Millionen Euro Vorsteuergewinn für die Hamburger hinauslaufen wird – und damit dann doch etwa 9 Millionen Euro weniger als im Vorjahr.

Trotz guter Zahlen fällt der Aktienkurs des Unternehmens

Und auch Anleger zeigten sich mit den jüngsten Zahlen eher unzufrieden: Die Aurubis-Aktie verlor am Montagvormittag zeitweise mehr als acht Prozent und fiel deutlich unter 80 Euro. Zu Beginn des Geschäftsjahres im Herbst 2022 hatte sie bei knapp 54 Euro gelegen, zwischenzeitlich im Februar aber auch die 100-Euro-Linie übersprungen.

Vorstandschef Harings betonte im Quartalsbericht, es bleibe ein wichtiges Ziel, „durch aktives Energiemanagement unsere Energiekosten weiter zu reduzieren und so unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern“. Und mittel- bis langfristig will das Unternehmen sich unabhängig machen von Erdgas und so gleichzeitig den Ausstoß von klimaschädlichem CO2 in der Produktion reduzieren.

Dafür hat der Aufsichtsrat jetzt eine wichtige Entscheidung getroffen: Aurubis wird die sogenannten Anodenöfen im Hamburger Werk mit einem Aufwand von 40 Millionen Euro so ausrüsten, dass sie künftig auch mit Wasserstoff betrieben werden können – sobald ausreichend viel von dem mit grünem Strom hergestellten Energieträger zur Verfügung steht.

Vorstandschef Harings spricht von einem „weiteren Meilenstein unserer Dekarbonisierungsstrategie. Mit diesem Schritt gehen wir voraus und zeigen: Wir sind bereit!“ Willkommener Nebeneffekt: Werden die Öfen mit Wasserstoff betrieben, lassen sich in ihnen neben Kupfer auch andere Metalle besser gewinnen. Erfolgen soll die Umrüstung im Zuge des mehr als siebenwöchigen geplanten Wartungsstillstands im Hamburger Werk im Frühjahr 2024.

Industrie Hamburg: Erneut schwerer Arbeitsunfall im Aurubis-Werk

Überschattet werden gute Geschäftszahlen und richtungsweisende Investitionsentscheidungen allerdings von schweren Arbeitsunfällen im Hamburger Werk. Am Freitag war dort ein auf einer Plattform in 25 Meter Höhe arbeitender Aurubis-Beschäftigter von einem Kranhaken eingequetscht und schwer am Oberkörper verletzt worden.

Nach Angaben des Unternehmens hatte der Mann (53) gemeinsam mit einem Kollegen und einem Sachverständigen die Ursache von Laufgeräuschen an einem Kran überprüfen wollen. Die beiden anderen Männer blieben unverletzt. Die Polizei ermittelt jetzt die Ursache des Unfalls.

„Wir sind schockiert und tief betroffen, insbesondere nach dem schweren Unfall im Mai“, sagte ein Unternehmenssprecher. Der Vorfall am Freitag ist das zweite Unglück im Werk binnen weniger Wochen. Im Mai waren drei 24, 49 und 53 Jahre alte Aurubis-Beschäftigte ums Leben gekommen, weil Stickstoff austrat.