Hamburg. Die Bilder-Plattform Pinterest steuert ihr Deutschlandgeschäft von Hamburg aus – und setzt sich bewusst von Instagram und Co. ab.

Ob beim Einrichten, Gärtnern oder Kochen: Die Deutschen lassen sich offenbar gern inspirieren. So sieht es jedenfalls Martin Bardeleben, der Deutschlandchef der Online-Plattform Pinterest – und ihm ist das sehr recht.

Laut Bardeleben sind es mehr als 17 Millionen Deutsche und damit knapp ein Drittel aller Internetnutzer im Land, die mindestens einmal pro Monat auf Pinterest unterwegs sind – und das durchweg durch alle Altersklassen.

„Inspirationsreise“ – wie sich Pinterest von TikTok, Instagram und Co. abgrenzen will

Kein Wunder: Klickt man sich durch die 400 Milliarden Bilder, sogenannte Pins, sieht man lauter gemütlich eingerichtete Wohnzimmer mit schönen Holzböden und großen Bücherregalen, pastellfarbene Badezimmer mit spielerischen Lichtelementen sowie appetitlich angerichtete Frühstücksbowls in hippen Porzellanschalen auf beigen Leinenservietten.

„Unser Ziel ist es, dass sich die Menschen, nachdem sie auf unserer Plattform waren, besser fühlen als vorher“, sagt Bardeleben, der während des Gesprächs mit dem Abendblatt im Pinterest-Büro am Axel-Springer-Platz in der Hamburger Neustadt sitzt. Rund 20 Mitarbeiter beschäftigt Pinterest hier.

Social Media: TikTok-Rivale Pinterest will „Online-Oase“ sein

Doch wie genau stellt Pinterest das an? Insbesondere in Zeiten von Social-Media-Plattformen wie Instagram oder TikTok, die sich wie Pinterest über Werbung finanzieren und Nutzerinnen und Nutzer ebenfalls mithilfe von Bildern oder Videos auf ihre Plattform locken?

Die Online-Plattform, deren Name sich aus den englischen Wörtern „Pin“ (anheften) und „interest“ (Interesse) zusammensetzt, gibt es bereits seit 2010. Die beiden Unternehmer Ben Silbermann und Evan Sharp gründeten das Unternehmen in den USA.

Mit der Eröffnung des Deutschlandbüros in Hamburg 2019 öffnete sich das amerikanische Unternehmen für Werbepartner in Deutschland und arbeitet seitdem auch mit Hamburger Unternehmen wie der Otto Group, der Hamburger Sparkasse (Haspa) oder dem Verlag Gruner + Jahr zusammen.

„Im Unterschied zu anderen Plattformen kommen Nutzer und Nutzerinnen mit einer klaren Absicht zu uns. Die meisten suchen etwas Bestimmtes und wollen das auch direkt umsetzen“, sagt Bardeleben. So etwa den Garten neu gestalten, sich ein neues Tattoo stechen lassen oder ein neues Outfit zulegen.

„Auf anderen Plattformen scrollen Nutzerinnen und Nutzer einfach passiv durch den Feed und lassen sich überraschen, was es Neues gibt.“ Bei Pinterest hingegen, sagt der Deutschlandchef, suchen die Nutzer mithilfe personalisierter Filter nach Lösungen für ihre konkreten Ideen.

Pins lassen sich jahrelang auf Pinnwand speichern

„Habe ich erst mal einen Pin gefunden, der mir gefällt, kann ich mir diesen dauerhaft auf meiner Pinnwand, dem Board, speichern. Ein Pin verschwindet nicht, sondern kann immer wieder gefunden werden – auch nach Jahren noch“, sagt Bardeleben.

Auch das sei ein Unterschied zwischen der „visuellen Suchmaschine“ Pinterest und schnelllebigen Social-Media-Plattformen wie Instagram oder Snapchat, bei denen Videos und Bilder so schnell verschwinden, wie sie aufgetaucht sind.

Auf Basis der Suchmuster werden den Nutzerinnen und Nutzern anschließend weitere Bilder angezeigt, deren Inhalte ihnen ebenfalls gefallen könnten – der Deutschlandchef nennt es eine „Inspirationsreise“, die sich „fundamental“ von anderen Plattformen unterscheide. Und das scheint offenbar gut anzukommen: Wie eine Online-Studie von ARD und ZDF aus dem Jahr 2022 zeigt, liegt Pinterest auf Platz sechs der am häufigsten genutzten Social-Media-Plattformen von Menschen zwischen 14 bis 70 Jahren und älter, gleich hinter Snapchat und Twitter.

„Die am stärksten wachsende Zielgruppe sind aber mit Abstand die Mitglieder der Generation Z“, sagt Bardeleben. Und das geht auch aus der ARD- und ZDF-Online-Studie hervor: 69 Prozent der Befragten Pinterest-Nutzerinnen und -Nutzer zwischen 14 bis 29 Jahren gaben an, die Plattform täglich zu nutzen, 18 Prozent wöchentlich.

Früher Essen und Interior, heute Shopping und Beauty-Tipps

Einst hauptsächlich für Einrichtung und Rezepte bekannt, hätten sich die Interessen der Nutzer seit 2010 zudem verändert. „Wir haben deutlich mehr Inhalte zu Fashion, Beauty und Reisen. Außerdem gewinnt das Thema Nachhaltigkeit und Vorschläge, wie Nutzer ihr Leben nachhaltiger gestalten können, an Interesse“, sagt Bardeleben.

Deshalb bietet die Plattform seit 2019 auch die Möglichkeit, die Inhalte auf den Pins zu shoppen. In Hamburg suchten Nutzerinnen und Nutzer nach Angaben von Pinterest zuletzt am häufigsten nach Currywurst-Rezepten.

Klickt man sich durch die Milliarden von Pins, bekommt man fast den Eindruck, auf Pinterest gebe es nichts, was es nicht gibt. Doch dieser Eindruck täuscht: „Ganz klar verboten sind bei uns politische Inhalte und Fake News. Aber auch toxische Inhalte wie Abnehmtipps verstoßen gegen unsere Richtlinien.“

Pinterest Hamburg setzt auf Wohlfühlen statt auf Watchtime

Die Nutzerinnen und Nutzer, so sagt Bardeleben, fühlten sich wie in einer „Online-Oase“, verbunden mit einem „Bummelerlebnis“ – wie früher in der Stadt. Statt auf möglichst viel „Watchtime“, also Zeit, die Nutzer auf der Plattform verbringen, setze Pinterest auf den Wohlfühlfaktor.

„Wir wollen, dass sich unsere Nutzer in einer möglichst positiven Umgebung bewegen“, sagt der Deutschlandchef. Für die Unternehmen kreiere das eine sogenannte Brand-Safety, also eine Umgebung, die sicherstellt, dass Werbeinhalte in einer gewünschten Umgebung ausgespielt werden.

Unternehmen, die diesen Wohlfühlfaktor also nutzen wollen, können entweder Werbung auf der Plattform schalten und auch gleich ihre Produkte über Pinterest anbieten. Dass die Wohlfühlatmosphäre trotz Werbung erhalten bleibt, erklärt Bardeleben so: „Wenn Werbung gut gemacht ist und die Kundinnen und Kunden das Gefühl haben, dass die angezeigten Inhalte auch wirklich relevant für sie sind, dann macht es richtig Spaß.“

So platziert etwa Denn’s Biomarkt Rezeptideen mit eigenen Produkten auf der Plattform und die Drogeriekette dm kostenlose Bastelanleitungen. Grundsätzlich strebe Pinterest an, möglichst CO2-neutral zu arbeiten und Nutzerinnen und Nutzer auch dahin gehend zu beraten, wie sie ihren Lebensstil klimafreundlicher gestalten können.

Wie diese Maxime allerdings damit zusammengeht, dass auch Kreuzfahrtanbieter wie Aida auf der Plattform für Kreuzfahrten werben dürfen oder Volkswagen seine neuen SUVs präsentieren darf, darauf sagt Bardeleben: „Wie einzelne Unternehmen mit ihren Nachhaltigkeitsbestrebungen umgehen, das müssen die Unternehmen selbst beantworten.“

Pinterest wisse nur: „Unsere Nutzer und Nutzerinnen interessiert Nachhaltigkeit sehr stark. Kommunikation, die das glaubwürdig vermittelt, funktioniert besser, und diese Angebote sollten Unternehmen auch machen.“ Am Ende sei es aber an jedem selbst zu entscheiden, welche Art von Reiseangebot er oder sie wahrnehmen wolle. „Das ist eine Entscheidung, die man als Konsument treffen muss.“