Hamburg. Rote Karte für Klimabeirat und Hafenentwicklungsplan. Handelskammer mit Arbeit von Rot-Grün in vielen Punkten unzufrieden.
Hamburgs Senat kommt den derzeitigen wirtschaftspolitischen Anforderungen zu wenig nach. Zu dieser Einschätzung kommen zumindest die wichtigsten Wirtschaftsvertretungen der Stadt, Handelskammer und UVNord. Die 2020 im Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen vereinbarten Maßnahmen würden den Herausforderungen heute – drei Jahre später – nicht mehr gerecht werden und müssten überarbeitet werden.
Insbesondere die stark gestiegenen Energiepreise und die zunehmenden geopolitischen Spannungen, von denen Hamburgs Außenwirtschaft besonders betroffen sind, würden den Standort hart treffen. „Die Politik muss kurzzeitig und entschlossen reagieren, um einer bereits begonnenen schleichenden Deindustrialisierung am Standort Hamburg entgegenzuwirken“, erklärten die Verbände nach einer gemeinsamen Präsidiumssitzung.
Hamburgs Wirtschaft stellt Senat nur mäßiges Zwischenzeugnis aus
Handelskammer-Präses Norbert Aust mahnte, die Welt habe sich seit der Vereinbarung des Koalitionsvertrags Anfang 2020 weitergedreht. „Wir hatten inzwischen Corona, den Ukraine-Krieg und daraus resultierend die stark gestiegenen Preise für Energie. Das sind drei einschneidende Dinge, die der Koalitionsvertrag nicht berücksichtigt hat.“
Hamburg müsse sich beispielsweise stärker dafür einsetzen, dass die Energiekosten auch kurzfristig insbesondere für die energieintensive Industrie auf ein wettbewerbsfähiges Niveau sinken, etwa durch Neuregelungen bei der EEG-Umlage und anderer staatlich induzierter Stromkostenbestandteile. „Eine Deindustrialisierung können wir uns nicht leisten“, sagte Aust. „An erster Stelle stehen wettbewerbsfähige Energiepreise.“ Da müsse Hamburg mehr Initiative beim Bund in Berlin entwickeln.
Firmen scheuen Investitionen in Hamburg
„Wir haben einen Weltstadtanspruch“ ergänzte UVNord-Chef Philipp Murmann Da muss Hamburg auch seinem Selbstverständnis entsprechend stärker auftreten.“ Laut Murmann ist die schleichende Deindustrialisierung Hamburgs nicht nur ein Problem der Großindustrie. „Das betrifft auch den Mittelstand. Viele Firmen überlegen, ob sie angesichts der Strompreise und des Mangels an Fachkräften geplante Investitionen zurückstellen. „Das wird Hamburg spüren – nicht heute und auch nicht bei der nächsten Hamburg-Wahl, aber in acht bis zehn Jahren. Und dann ist es zu spät.“
Gemeinsam sezierten Aust und Murmann die Vorhaben des Koalitionsvertrags und verteilten je nach Umsetzungsstand oder nach Auswirkungen auf die Wirtschaft Farben nach dem Ampelsystem. Schulnoten wollen die beiden nicht für die Arbeit des Senats geben. „Wir sind keine Oberlehrer, sondern wir legen den Finger in die Wunde“, so Aust. Am Ende vergaben sie 25 Mal Gelb, acht Mal Grün und drei Mal Rot. Vieles sei noch nicht umgesetzt oder bleibe deutlich hinter den Erwartungen zurück, bilanzierte Murmann.
Klimabeirat läuft Interessen der Wirtschaft zuwider
Negativ bewerten die Verbände beispielsweise den Hamburger Klimabeirat, dessen Einsetzung sie zwar begrüßen, allerdings sei in ihm nicht hinreichend wirtschaftliche Expertise vertreten, und die Gewichtungen der Stellungnahmen liefen den Interessen der Hamburger Wirtschaft teilweise zuwider. „Die fachliche Begleitung des Klimaplans durch einen Klimabeirat ist zu begrüßen. Allerdings wird die Umsetzung nur im Schulterschluss von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gelingen. Aktuell scheinen hier Partikularinteressen zu viel Einfluss zu haben“, lautet das Senatszeugnis
Trotz positiver Signale aus der Verkehrsbehörde sind Hamburgs Unternehmer auch weiterhin mit der Bewirtschaftung des Parkraums unzufrieden. Dass Bewohnerparkzonen ausgewiesen werden, sei richtig. „Es darf jedoch nicht zu einer Benachteiligung der lokalen Unternehmen kommen“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Kammer, Malte Heyne.
Hamburgs Wirtschaft zückt Rote Karte für Hafenpolitik
Eine Rote Karte bekommt aus Sicht der Hamburger Wirtschaft auch der neue Hafenentwicklungsplan. Dessen Erarbeitung habe Jahre gedauert, und trotzdem würden wesentliche Zukunftsthemen, wie das Flächenmanagement oder die dringend notwendige Kostenreduzierung, weitestgehend ausgeklammert. Murmann bemängelte zudem, dass der Plan zu wenig auf die sich verschärfende Wettbewerbssituation eingehe. „Der Hafen wird auch in Zukunft unseren Wohlstand sichern, aber nur, wenn wir ihn pflegen“, ergänzte Aust. Wir müssen die Logistik weiter automatisieren und schneller und effizienter werden.“ Er verwies noch einmal auf das Konzept der Kammer zur Umwandlung des Hafens in einen Energiehafen.
Auch zentrale Infrastrukturprojekte, wie der Ersatz der Köhlbrandquerung oder der Ausbau der A26-Ost, kämen seit Jahren nicht voran und würden innerhalb der Regierungskoalition immer wieder neu diskutiert. „Es braucht endlich eine Umsetzung, keine weiteren Diskussionen“, lautet das Fazit der Verbände.
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Zufrieden sind Handelskammer und UVNord mit den Maßnahmen zur Stärkung der Wasserstoffwirtschaft, mit der Vorhaltung von 100 Hektar Gewerbe- und Industriefläche, dem Umbau der Berufsschulen sowie der Überarbeitung der allgemeinen Bildungspläne, um systematisch digitale Kompetenzen der Schüler zu stärken. Murmann lobte zudem, dass das Engagement gegen den Fachkräftemangel zwischen Senat und Wirtschaft gut laufe. Sinnvolle Ansätze sieht er auch im vom Senat erstellten Außenwirtschaftskonzept. Dieses müsse jedoch noch weiter konkretisiert werden.
Mäßiges Zwischenzeugnis der Wirtschaft: Senat ohne klare Strategie
Insgesamt fehlt den Verbänden ein Signal, welche Vision der Senat für den Wirtschaftsstandort verfolgt. „Die Frage, wovon wir künftig leben wollen, ist noch immer nicht beantwortet“, beklagte Aust. „Nur mit einer klaren Strategie für die Zukunft werden wir den Wohlstand in unserer Stadt erhalten können.“
Die kommenden Wahlen würden über das Thema Wirtschaft entschieden. „Die Hamburger Wirtschaft erwartet einen klaren Plan für die Zukunft, der die internationale Wettbewerbsfähigkeit unseres Standortes zur Priorität macht“, sagte Aust abschließend.