Hamburg. Pächter gegen Eigentümer: Auch die Ehefrau von Milchbauer Jaacks muss laut einem Gerichtsbeschluss nun das Gehöft verlassen.

Als am 26. April dieses Jahres der Gerichtsvollzieher pünktlich um 8 Uhr auf dem Moorhof in Rissen vorfuhr, schien das der dramatische Endpunkt eines zähen Streits zu sein. Der Auftrag: die Zwangsräumung des Milchviehbetriebs von Pächter Hauke Jaacks samt 300 Kühen und Kälbern. Die Stimmung war angespannt.

Etwa ein Dutzend Menschen hatte sich versammelt. Hofeigentümer Lars Breuer, der die Räumung nach dem Auslaufen des Pachtvertrags Ende 2021 in Gang gesetzt hatte, war mit Anwalt gekommen. Auch Landwirt Jaacks hatte seine Rechtsbeistände vor Ort. Dazu einige Rissener Unterstützerinnen der Landwirtsfamilie, ein Bürgerschaftsabgeordneter der Linken, die Presse. Sogar ein Schlüsseldienst war vorsorglich von Amts wegen bestellt worden.

Bauer Jaacks: Moorhof – jetzt droht der nächste Räumungstermin

Doch es kam weder zu Tränen noch zu Tumulten. Nach einer knappen Stunde zog der Gerichtsvollzieher unverrichteter Dinge wieder ab. Der Grund: Es lag zwar ein Vollstreckungstitel gegen den Landwirt, nicht aber gegen dessen Frau Swantje vor. Weil der Beamte die Anteile der Eheleute an dem gemeinsamen Betrieb nicht habe feststellen können, erklärte ein Gerichtssprecher später, war die Zwangsräumung ausgesetzt worden.

Die Eigentümerfamilie Breuer, die den Moorhof vor mehr als drei Jahren gekauft hatte, war damit erneut gescheitert, Zugriff auf ihr Eigentum zu erhalten und mit dem Umbau zu einem Pferde- und Reiterbetrieb zu starten. Die Pächterfamilie Jaacks, die den Moorhof seit 18 Jahren bewirtschaftet und ums Bleiben kämpft, verschaffte sich mit dem juristischen Schachzug Zeit. Auch acht Monate später leben und arbeiten sie auf dem Gehöft.

Der Pachtvertrag ist inzwischen seit zwölf Monaten ausgelaufen

Jetzt wird es allerdings immer enger. Ende November hat das zuständige Hamburger Landwirtschaftsgericht, das Amtsgericht Bergedorf, eine weitere Räumungsklage in Sachen Moorhof verhandelt – gegen Swantje Jaacks. „Die Richter haben die Beklagte zur Räumung verurteilt“, sagte Gerichtssprecher Kai Wantzen auf Abendblatt-Anfrage. Damit droht die nächste Eskalation, denn mit einem freiwilligen Auszug rechnet derzeit niemand.

„Wir werden nun erneut eine Räumung in die Wege leiten“, erklärte Moorhof-Eigentümer Breuer gegenüber dem Abendblatt. Dafür gibt es klar definierte Vorgaben mit konkreten Verfahrensschritten und Fristen sowie der Möglichkeit einer Vollstreckungsgegenklage. Es ist also noch offen, wann es zu einem neuerlichen Räumungstermin auf dem Hof kommt. Frühestens denkbar ist wohl der Februar.

Die Breuers sind entschlossen. Der Pachtvertrag mit Hauke Jaacks ist inzwischen seit zwölf Monaten ausgelaufen. Kurz vor Weihnachten sei ein weiterer Gesprächsversuch gescheitert, einen Zeitplan für den Auszug von Familie und Betrieb zu verabreden, so der Unternehmer. „Wir wollten es vermeiden, aber wir sehen keinen anderen Weg, unser Eigentum in Besitz zu nehmen.“

Entspricht ein Pferdebetrieb dem Kriterium landwirtschaftlicher Nutzung?

Es ist schon fast eine unendliche Geschichte. Im Zentrum eine Hofstelle und 16 Hektar Land im Hamburger Westen. Und die Frage: Kuh oder Pferd. 2019 hatte die frühere Eigentümerin den Moorhof verkauft. Nicht an Landwirt Hauke Jaacks, dessen Pachtvertrag zu dem Zeitpunkt gerade auslief, sondern an das Rissener Ehepaar Lars und Melanie Breuer.

Schon darüber, wie es zu dem Verkauf kam, gibt sehr unterschiedliche Versionen. Richtig kompliziert wird es dadurch, dass die landwirtschaftlichen Flächen dem sogenannten Grundstücksverkehrsrecht unterliegen. Die damals zuständige Wirtschaftsbehörde hatte das Betriebskonzept der Breuers für einen Pferdebetrieb mit eigener Futterproduktion geprüft und genehmigt. Der Käufer sei einem Landwirt gleich zustellen, hieß es.

Dagegen erhebt Milchbauer Jaacks schwere Vorwürfe. Aus seiner Sicht entsprechen die Pläne für den Reiterhof nicht den Kriterien einer landwirtschaftlichen Nutzung. Er macht Verfahrensfehler geltend und sieht sich in seiner Existenz bedroht. Wortgewaltig zog der heute 60-Jährige erst vors Rathaus und dann vor Gericht. Ohne Erfolg. Die Richter lehnten seine Klage ab. Spätestens da war klar, dass der Verkauf rechtlich standhält und die Breuers rechtmäßige Eigentümer des Moorhofs sind.

Aber weil es bei der Sache auch um Grundsätzliches geht – den Umgang mit Agrarland –, geht das Gezerre weiter. In den Medien, in der Politik, vor Gericht, im Internet. Dabei wird ein privates Geschäft politisch, persönliche Sichtweisen zu Wahrheiten erklärt. Eine Online-Petition, die Unterstützerinnen der Familie Jaacks angestoßen hatten, haben bundesweit mehr als 180.000 Menschen unterschrieben.

Am Babenwischenweg sollen Stallungen für 42 Pensionspferde entstehen

Sogar das Bundeslandwirtschaftsministerium bezog zur Causa Jaacks Stellung – schob die Verantwortung allerdings an die Stadt Hamburg. „Der Fall der Familie Jaacks zeigt einmal mehr, wie dringend die Länder das Bodenrecht reformieren müssen“, lassen sich die Ausführungen der Parlamentarischen Staatssekretärin Ophelia Nick (Bündnis 90/Grüne) auf der Plattform Chance.org nachlesen. Ihr inzwischen zuständiger Parteifreund, Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan, hält sich bedeckt. Forderungen einer Petition der Rissener Unterschützerinnen an den Hamburger Senat, den Verkauf erneut zu überprüfen, hatte seine Behörde zurückgewiesen.

Auch die Eigentümer, die lange geschwiegen hatten, sind inzwischen an die Öffentlichkeit getreten. Im März hatten sich Lars und Melanie Breuer in einem exklusiven Abendblatt-Interview erstmals zu ihren Zukunftsplänen geäußert. „Es ist ein optimaler Standort für einen modernen Pferdebetrieb“, hatte die Rissenerin, die seit ihrer Kindheit reitet, mehrere Pferde besitzt und sich über Fernstudium und Prüfungen fortgebildet hat, damals gesagt.

Das Konzept sieht den Neubau eines Wohnhauses und von Stallanlagen mit 42 Plätzen für Pensionspferde auf dem Grundstück am Babenwischenweg vor. Kein Luxus solle es werden, sondern ein tragfähiger Familienbetrieb mit tiergerechter Haltung und fünf Beschäftigten, betonen die Breuers, und sehen sich zu Unrecht als geldgierige Investoren an den Pranger gestellt. Unter der Internetadresse moorhofinrissen.de haben sie ihre Chronologie des Konflikts online gestellt.

Die Familie Jaacks hat bisher keine geeignete neue Hofstelle finden können

Es ist kaum vorstellbar, wie der Konflikt noch gelöst werden kann. Im vergangenen Jahr hatte die Bauernfamilie Jaacks zwar angekündigt, auf der Suche nach einem Ersatzbetrieb in der Region zu sein und den Moorhof dann zu verlassen. Sichtbare Resultate gibt es bislang nicht. „Wir brauchen einfach nur ein bisschen Zeit“, wird Landwirt Jaacks im Sommer in einem Zeitungsinterview zitiert. Auf Facebook haben Hauke und Swantje Jaacks vor einigen Tagen Weihnachtsgrüße gepostet und sich bei ihren Unterstützern bedankt. Von Bau- oder Umzugsplänen ist dabei nicht die Rede. Auf eine schriftliche Anfrage des Abendblatts zu ihren Zukunftsplänen reagierten sie nicht.

Der Rechtsanwalt der Familie, Jens Beismann, teilte mit: „Die Familie Jaacks verfolgt weiterhin das verständliche Ziel, Ihren Milchviehbetrieb erhalten zu können, da er ihre Existenz sichert. Auch würde sich die Familie Jaacks nach dem Verkauf des Moorhofes gern mit den neuen Eigentümern verständigen.“ Leider habe Familie Jaacks trotz öffentlicher Aufrufe und aktiver Suche keine geeignete bereits bestehende Hofstelle finden können, die den Anforderungen entsprochen habe. „Erfolgversprechend erweist sich hingegen ein aktuelles Verfahren zu einer gestellten Bauvoranfrage für den Neubau eines Hofes. Hier findet derzeit eine enge Abstimmung über Details zwischen den Behörden und der Familie Jaacks statt.“

Die Hofeigentümer führen erhebliche finanzielle Schäden an

Was das genau bedeutet, bleibt offen. Nach Abendblatt-Informationen handelt es sich um eine Bauvoranfrage für ein Grundstück, das der Stadt Hamburg gehört und auf dem Gebiet der Stadt Wedel liegt – nicht weit vom dem jetzigen Betrieb entfernt. Die Wedeler Verwaltung wollte sich mit Verweis auf den Datenschutz nicht zu dem Verfahren äußern. Aktuell läuft eine Abendblatt-Anfrage nach dem Informationszugangsgesetz Schleswig-Holstein.

Das Ehepaar Breuer will nicht länger warten. Der Milchbauer und seine Familie hätten nach dem Verkauf des Gehöfts schon mehr als drei Jahre Zeit gehabt, eine Lösung zu finden. Statt konkrete Vereinbarungen zu treffen, spiele Hauke Jaacks auf Zeit. Zeit, die die Hofeigentümer nicht haben. Auf ihrer Internetseite beschreiben sie emotionelle Belastungen und erhebliche finanziellen Schäden durch die Verzögerungen, die sie jetzt einklagen wollen.

Anfang Oktober haben sie ihren Antrag für den Neubau eines Reiterhofs auf dem Gelände des Moorhofs eingereicht. Dieser befinde sich in der Prüfung, bestätigte ein Sprecher des Bezirksamts Altona dem Abendblatt. Angaben zum zeitlichen Ablauf machte er nicht. Sicher ist nur: Die unendliche Geschichte geht auch 2023 weiter.