Hamburg. Schwach in Mathe, Probleme im Betrieb: Ein Hamburger Programm macht Berufseinsteiger für den Abschluss fit. Teilnehmerzahlen steigen.

Was Castor Dawuda will, weiß er ziemlich genau. „Ich hatte ein Bild im Kopf von einem schönen Restaurant, in dem ich arbeite“, sagt er. Im vergangenen Jahr war es so weit: Der 19-Jährige begann seine Ausbildung beim Gastronieunternehmen Hansekai in Hamburg-Wilhelmsburg. Sein Ziel: Fachkraft für Systemgastronomie. Die Arbeit läuft prima, sein Chef ist sehr zufrieden. Vor allem die Arbeit hinter der Theke und an der Bar liebt der junge Mann mit dem freundlichen Lächeln, der als Kind mit seiner Familie aus der Dominikanischen Republik nach Hamburg gekommen war.

Nicht ganz so rund lief es dagegen in der Berufsschule: „Hauptsächlich in Mathe waren meine Noten ziemlich schlecht“, sagt Dawuda. Buchhaltung, Controlling – dafür ist der richtige Umgang mit Zahlen aber unerlässlich. „Ich habe schnell gemerkt, dass ich Unterstützung brauche, wenn ich die Prüfungen bestehen will.“ Das war im vergangenen Herbst. Er hatte Glück. Sein Chef reagierte sofort und organisierte ein Gespräch mit einer Ansprechpartnerin bei der Arbeitsagentur. „Wir wollen ja, dass alle unsere Azubis ihre Ausbildung erfolgreich abschließen“, sagt Gastronomie-Unternehmer Nima Fard-Kaufmann.

Jobs in Hamburg: Wer Nachhilfe bei der Ausbildung bekommt

Kurz darauf konnte Castor Dawuda in einem besonderen Programm starten, das ihn fit für den Abschluss machen soll. Assistierte Ausbildung, kurz AsA Flex, ist eine Art Brücke, die die Kluft zwischen den Erfordernissen im Betrieb oder in der Berufsschule und dem Potenzial der jungen Menschen schließen soll. Wichtigster Hebel: Wer in das Programm aufgenommen wird, bekommt einen Ausbildungsbegleiter an die Seite, der das Unterstützungsprogramm koordiniert. Das geht von Sprachunterricht über gezielte Nachhilfe vor der nächsten Klausur bis zur Hilfe bei der Wohnungssuche oder auch zur psychologischen Betreuung etwa bei Mobbing im Betrieb.

„Die Teilnehmerzahlen steigen. Der Bedarf ist groß“, sagt Franziska Lorenz, die als Berufsberaterin bei der Agentur für Arbeit junge Menschen vor dem Erwerbsleben berät. Im Schnitt kommen 170 neue Teilnehmer in die Förderung. Seit September waren es insgesamt 790. Dabei gibt es laufend Bewegung, wenn Prüfungen bestanden sind oder Probleme gelöst wurden. Die Erfolgsquote kann sich sehen lassen: So haben im Winterhalbjahr 2022/23 insgesamt 60 unterstützte Azubis ihre Ausbildung abgeschlossen – „zu annähend 100 Prozent erfolgreich“. Aktuell bereiten sich 100 Teilnehmer auf den Abschluss vor.

Ausbildungsbegleiter ist bei allen Problemen ansprechbar

Gastro-Azubi Castor Dawuda hat noch etwas Zeit. Aber schon jetzt sieht er erste Erfolge. Immer dienstags drückt er seit einigen Monaten zusätzlich die Schulbank und paukt in einer Kleingruppe Mathe. „Dadurch verstehe ich viel mehr und kann dem Unterricht besser folgen“, sagt er. Auch die Noten lassen sich sehen.

Den Nachhilfeplan hat Christoph Kottemölle vom Jugendbildungswerk Hamburg organisiert. Seit einem Jahr ist er als Ausbildungsbegleiter im Einsatz und betreut aktuell 15 junge Menschen. „Die Fördermaßnahmen führen fast immer dazu, dass die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen wird“, lobt er das AsA-Konzept und spricht von positiven Erfahrungen. Nicht nur bei schulischen Problemen sei er Ansprechpartner, so der Fahrzeugzeuglackierer-Meister, der parallel als Fachdozent und als Airbrush-Künstler arbeitet. Gerade erst habe er für einen Azubi einen Dringlichkeitsschein besorgt, damit dieser schneller an eine Wohnung kommt. Ein anderer hat durch seinen Einsatz einen Nachteilsausgleich wegen einer Legasthenie für die Abschlussprüfungen bekommen. „Wir können einen extrem großen Beitrag leisten.“

Angesichts von aktuell noch mehr als 4000 offenen Lehrstellen in Hamburg vor dem Ausbildungsbeginn im Herbst 2023 sieht auch Berufsberaterin Franziska Lorenz eine steigende Bedeutung für die gezielte Förderung. „Da kann die assistierte Ausbildung auf jeden Fall helfen.“ Die Arbeitgeber können die Maßnahmen schon vor dem Start der Berufsausbildung beantragen. „Zum Beispiel, wenn die Betriebe bereit sind, junge Leute ins Team zu holen, deren Noten nicht glänzend sind, die aber grundsätzlich passen.“ Für den Dreijahreszeitraum bis 2025 stehen insgesamt 4,2 Millionen Euro für das Programm zur Verfügung, die von der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter team.arbeit.Hamburg gemeinsam finanziert werden.

Gastronom Nima Fard-Kaufmann hat inzwischen schon zwei Auszubildende, die gefördert werden. „Es ist jedes Jahr schwierig, jemanden zu finden“, sagt der 37-Jährige. Das Unternehmen Hansekai, das er gemeinsam mit einem Geschäftspartner betreibt, wurde 2016 in der Jaffestraße mitten in einem Wilhelmsburger Industriegebiet eröffnet. Mit drei Festangestellten, einem Studenten im dualen Studium und vier Azubis managen die Hansekai-Chefs Mittagsangebot, Abendkarte und den sonntäglichen Brunch sowie Veranstaltungen in den Räumen direkt am Jaffe-Davids-Kanal. Das Förderprogramm ist für ihn eine Möglichkeit, junge Leute einzustellen, bei denen er als Unternehmer überfordert wäre.

Jobs in Hamburg: Deutschunterricht für die Abschlussprüfung

Das gilt zum Beispiel auch für Rashid Haji Murat, der 2015 aus dem Irak nach Deutschland geflohen war und jetzt seit einigen Monaten bei Hansekai eine zweijährige Lehre im Service macht. „Mein Deutsch ist nicht so gut“, sagt der 23-Jährige. „Da könnte ich mehr Unterstützung brauchen.“ Jetzt gibt es Überlegungen, ob auch er in die Fördermaßnahme rutschen könnte.

Sein Kollege Castor Dawuda denkt schon weiter. „Mein nächstes Ziel ist es, meinen Abschluss zu machen und im Betrieb übernommen zu werden“, sagt er. Dafür paukt er jetzt weiter Mathe. „Wenn ich in die Zukunft schaue, weiß ich, dass ich später alles können muss – auch Buchhaltung. Und dann macht mir das auch Spaß.“