Hamburg. Flüssiggas wird binnen weniger Monate zum wichtigen Brennstoff. Und es gibt eine weitere gute Nachricht für Millionen Kunden.

Die Umstellung der Energienetze im Norden auf erneuerbare Energien verschlingt Milliardensummen. Wurde Strom früher durch leistungsstarke Überlandleitungen von vergleichsweise wenigen großen Atom- und Kohlekraftwerken zu den Zentren des Verbrauchs geführt, bedarf es nun vieler kleiner Netze um die dezentral durch Windkrafträder und Photovoltaikanlagen erzeugte Energie weiterzuleiten.

Flüssiggas: 20 neue Umspannwerke sollen gebaut werden

Allein HanseWerk der Betreiber der Strom- und Gasnetze in Schleswig-Holstein, investiert in den kommenden drei Jahren 1,25 Milliarden Euro in die Energie- und damit auch Klimawende. Das gab der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens und Chef des Industrieverbands Hamburg Matthias Boxberger am Donnerstag bekannt. „Wir heben damit das vierte Jahr in Folge unseren Investitions- und Instandhaltungsaufwand auf ein Rekordniveau.“

Allein 20 neue Umspannwerke sollen gebaut werden und etliche Kilometer neuer Freileitungen entstehen. „Wir sehen vor allem einen sehr großen Ausbaubedarf im Bereich der Niederspannungs- und Mittelspannungsnetze, die in den Städten und Gemeinden als Kabel verlegt werden“, so Boxberger. Um die Herausforderungen zu bewältigen, baut die HanseWerk-Gruppe ihr Personal von derzeit 1700 Mitarbeitern auf: Insgesamt sind aktuell rund 140 Stellen im Unternehmen offen. In der Personalplanung hat das Unternehmen einen Aufbau von 235 zusätzlichen Mitarbeitern bis 2026 und 88 zusätzlichen Azubis beschlossen.

Schon 58 Prozent der Gaskunden in Hamburg heizen mit LNG

Hintergrund der Bemühungen sind die Erwartungen der Bundesregierung an eine massive Steigerung der Stromerzeugung. Der Stromanteil aus erneuerbaren Energien soll in den kommenden sieben Jahren in Norddeutschland von 10.000 Megawatt auf 30.000 Megawatt gesteigert und damit verdreifacht werden. Denn auch der Strombedarf wird sich mehr als verdoppeln, weil Elektrofahrzeuge, Wärmepumpen und die Herstellung von Wasserstoff viel Energie verschlingen. „Wir legen jetzt noch eine Schippe drauf“, sagte Boxberger bei der Ankündigung seines Investitionsprogramms.

Allein die Zahl der Anträge auf neue Photovoltaik- und Speicheranlagen hat sich bei HanseWerk zwischen 2019 und 2021 versechsfacht. Zwischen Januar und April waren es bereits mehr als 12.500 Anmeldungen „Geht es so weiter wie bisher, werden wir am Ende des Jahres eine Verzehnfachung auf etwa 30.000 Anträge haben“, so Boxberger.

Durch HanseWerk-Leitungen werden viel Hamburger mit Fernwärme versorgt

Rund 38 Millionen Euro aus dem Investitionsprogramm des Unternehmens fließen in die Sparte HanseWerk Natur, den Betreiber von Wärmenetzen in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Derzeit betreibt das Unternehmen 123 Wärmenetze im Norden, die meisten sind klein. Vier große Wärmenetze befinden sich in Hamburg und versorgen rund 40.000 Kunden, das sind etwa 40 Prozent der Wärmeabnehmer in der Hansestadt. Gespeist werden sie aus 225 Heizwerken und Heizzentralen. Bis 2030 sollen alle ihre Wärme klimaneutral erhalten. Dazu wird beispielsweise im Heizwerk Schenefeld eine Großwärmepumpe installiert.

Ein prominentes Hamburger Projekt der HanseWerk Natur ist beispielsweise der Bau einer Energiezentrale für die 1500 Wohnungen im neuen Quartier „Stellinger Linse“. Für die Baugenossenschaft Hamburger Wohnen eG installiert HanseWerk ein Biomethan-Blockheizkraftwerk (BHKW) sowie einen Wärmespeicher, um das Quartier mit klimaschonender Nahwärme zu versorgen.

Derzeit läuft noch die Installation von Solarthermieanlagen auf den Dächern der Wohngebäude. Rund 50 Prozent sind bereits installiert. Wenn die Anlage fertig ist, wird sie die zweitgrößte Solarthermieanlage in Hamburg sein – nach dem Solarbunker in Wilhelmsburg. Mit dieser Lösung sinken die CO2-Emissionen um 1260 Tonnen pro Jahr. Das bedeutet eine Reduktion um 75 Prozent.

Nach Lieferstopp aus Russland – Kunden im Norden verbrauchen ein Fünftel weniger Gas

Auch bei den Gasnetzen tut sich etwas: „Alle erinnern sich noch, wie unsere Diskussion vor einem Jahr verlief. Damals standen wir unter dem Eindruck des Lieferstopps aus Russland und fragten uns, ob die Mengen für die Versorgung im Winter ausreichen“, so Boxberger.

In der Folge habe sich gezeigt, dass der Gasverbrauch im Norden im Winter 2023 etwa 21 Prozent geringer gewesen sei als im Winter 2022. Wurden im Februar und im März 2022 noch jeweils rund 3200 Gigawattstunden an Gas entnommen, waren es in den Vergleichsmonaten dieses Jahres deutlich weniger als 3000 Gigawattstunden. Das sei vor allem auf Einsparbemühungen durch Privatkunden und Unternehmen zurückzuführen gewesen, betont Boxberger.

Matthias Boxberger, ist Chef des Energienetzbetreibers HanseWerk und zugleich Vorsitzender des Industrieverbands Hamburg (IVH).
Matthias Boxberger, ist Chef des Energienetzbetreibers HanseWerk und zugleich Vorsitzender des Industrieverbands Hamburg (IVH). © Klaus Bodig / HA

Zudem habe sich ab März zunehmend die Lage entspannt, weil ab dann importiertes Flüssigerdgas (LNG) in die Netze gespeist wurde. Seit Januar ist in Brunsbüttel in Schleswig-Holstein ein schwimmendes LNG-Terminal in Betrieb. Dieses speichert das sogenannte Liquified Natural Gas, das Tankschiffe bringen, regasifiziert es und speist es in das allgemeine Gasnetz ein.

„Das betrifft beide Verteilnetze sowohl in Hamburg als auch in Schleswig-Holstein“, sagte Boxberger. Derzeit betrage der Anteil von LNG in den Gasnetzen bereits annähernd 58 Prozent. Anders gesagt: Mehr als die Hälfte des Hamburger Gases stammte im Mai von der schwimmenden LNG-Plattform in Brunsbüttel. Es waren insgesamt 2482 Gigawattstunden LNG-Gas, was dem Jahresverbrauch von rund 124.000 Haushalten entspricht.

Flüssiggas: 58 Prozent des Gases in Hamburg ist schon LNG

Im Schatten der Debatte um das neue Heizungsgesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verzeichnet HanseWerk einen deutlichen Rückgang bei den Anfragen für neue Gas-Hausanschlüsse: Wurden 2021 in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Nordniedersachsen noch rund 6300 Erdgashausanschlüsse gelegt, waren es im Jahr darauf nur noch rund 3700.

Diejenigen, die noch mit Gas heizen, können sich unterdessen auf sinkende Preise einstellen: Deutschlands größter Energieversorger E.on will die Gaspreise zum 1. September senken. Profitieren sollen Millionen Kundinnen und Kunden, wie das Unternehmen mitteilte. Die Gaspreise sollen in der Grundversorgung um durchschnittlich 28 Prozent sinken. Auch E.on-Kunden mit Sonderverträgen könnten sich insgesamt auf sinkende Preise einstellen, hieß es. E.on beliefert in Deutschland etwa zwölf Millionen Haushalte mit Strom und gut zwei Millionen Haushalte mit Erdgas.