Hamburg. Erstmals sagen Experten, wie groß die Anlagen schon bald sein werden. Doch die deutschen Hersteller haben einen starken Rivalen.

Erst vor wenigen Monaten wurden vor den Toren Hamburgs die bis dahin größten Windkraftanlagen an Land in der Bundesrepublik errichtet. Mit einer Leistung von 6,6 Megawatt kann jedes der beiden Windräder, die jetzt in Nortorf bei Wilster – knapp 60 Kilometer von der Hamburger Innenstadt entfernt – in der Marsch stehen, rechnerisch mehrere 1000 Haushalte mit Strom versorgen. Es sind die bislang leistungsstärksten Windräder hierzulande.

Und auch die Dimensionen sind gewaltig. Das Turbinenhaus thront in 122 Meter Höhe über der Wilstermarsch. Die Spitzen der Rotorblätter zischen in knapp 200 Metern über dem Boden durch die Luft. Doch damit sind die Anlagen von Siemens Gamesa keineswegs die höchsten in Deutschland.

Windkraftanlagen werden noch gigantischer - fast 400 Meter hoch

Die messen schon jetzt vom Boden bis zur Spitze 240 Meter und stehen an Standorten, an denen weniger Wind weht als in der Marsch nahe der Unterelbe. Siemens Gamesa hat bereits eine Anlage für Landstandorte mit 7 Megawatt-Kapazität angekündigt, Nabenhöhe 167 Meter, Rotorlänge 83 Meter. Damit kommt die Höhe dieser Anlage dem 276,5 Meter hohen Hamburger Fernsehturm schon recht nahe.

Doch auch diese Windenergie-Riesen dürften in nicht allzu ferner Zukunft von noch höheren Anlagen in den Schatten gestellt werden. Das Wachstum der Windräder wird sich weiter fortsetzen.

Riesentürme sind optimal im windarmen Binnenland

So kündigte ein Entwicklerteam aus Sachsen vor Kurzem an, es arbeite an Türmen mit einer Nabenhöhe von etwa 300 Metern. Dort solle eine Turbine mit 80 Meter langen Rotorblättern installiert sein – alles in allem wäre das Windrad also knapp 400 Meter hoch. Der Vorteil: In dieser Höhe lässt sich auch tief im windstilleren Binnenland sehr viel Strom „ernten“.

Dass der Gigantismus in der Windenergie sich fortsetzt, daran glauben nicht allein die Entwickler aus Sachsen. In der gesamten Branche wird davon ausgegangen, dass die Anlagen weiter wachsen – und zumindest mehr Strom pro Windrad liefern werden.

Neu installierte Windkraftanlagen auf See werden nach Einschätzung von Experten 2030 im Schnitt 25 Megawatt Leistung haben, solche an Land 12 Megawatt – und damit deutlich mehr als heutzutage.
Neu installierte Windkraftanlagen auf See werden nach Einschätzung von Experten 2030 im Schnitt 25 Megawatt Leistung haben, solche an Land 12 Megawatt – und damit deutlich mehr als heutzutage. © IMAGO/Zoonar | IMAGO/Zoonar.com/Fokke Baarssen

Das geht aus einer neuen Umfrage hervor, die von der Hamburger Messe und Congress GmbH in Auftrag gegeben wurde. In den Hamburger Messehallen findet alle zwei Jahre – das nächste Mal Ende September 2024 – die Weltleitmesse Windenergy statt. Regelmäßig befragt das Institut Wind:research für die Messe Expertinnen und Experten in aller Welt, wie sie die aktuelle Lage und die Entwicklung der Branche einschätzen.

In der jüngsten Umfrage ging es auch darum, in welche Dimensionen die Anlagen noch wachsen werden. Das Ergebnis: Die Leistung wird weiter deutlich ansteigen. So erwartet ein Teil der Experten, dass schon im Jahr 2030 neu installierte Anlagen an Land im Durchschnitt bis zu 12,0 Megawatt leisten werden.

Windkraftanlagen im Meer könnten schon bald 25 Megawatt Leistung haben

Einen noch größeren Sprung wird es demnach bei im Meer installierten Offshore-Windkraftanlagen geben. Die haben heutzutage in der Regel eine Leistung von 5,0 bis 12,0 Megawatt. Das größte bislang weltweit produzierte Meeres-Windrad bringt es bereits auf 16,0 Megawatt. In sieben Jahren aber wird eine neu installierte Offshore-Anlage nach Einschätzung der Fachleute im Schnitt 18,8 Megawatt leisten – manche glauben sogar, es werden 25,0 Megawatt sein.

Die wichtigsten weiteren Ergebnisse der Umfrage unter etwa 500 Expertinnen und Experten lauten:

  • Die Branche schätzt die aktuelle Situation und die künftige Entwicklung der Märkte auf allen Kontinenten weiter positiv ein.
  • Die Fachleute gehen davon aus, dass neue Technologien erhebliche Einsparpotenziale in Produktion und Betrieb ermöglichen.
  • Der Fachkräftemangel ist auch in der Windbranche gravierend. Eine große Mehrheit der Befragten sagt, Aus- und Weiterbildungsangebote hätten eine hohe bis sehr hohe Bedeutung.

Auch, wenn man in der Branche – unter anderem wegen der Forcierung der Energiewende in Deutschland und in vielen anderen Staaten – die Zukunft eher positiv sieht, gibt es doch eine Reihe von Faktoren, die den Aufschwung insbesondere für die Hersteller in Deutschland und Europa deutlich bremsen können. So wächst etwa die Konkurrenz aus China. Die bislang größte Offshore-Windkraftanlage wurde in der Volksrepublik entwickelt und produziert.

Windkraftanlagen: Viele Aufträge, aber Hersteller machen Verluste

Hierzulande haben Hersteller wie etwa Siemens Gamesa, die in Cuxhaven Offshore-Turbinen fertigt, zwar volle Auftragsbücher – verdienen aber kein Geld mit ihren Anlagen. Die Turbinen, die jetzt gebaut werden, sind oft schon vor Jahren bestellt worden. Zumeist zum Festpreis – für die Hersteller aber sind die Materialkosten zuletzt extrem gestiegen.