Hamburg. Es gibt endlich kleine Lichtblicke beim Einkaufen – und dauerhafte Rabatte. Diese Produkte werden im Supermarkt günstiger.
An der Supermarktkasse haben die Kunden seit Monaten beim Blick auf den Bon nur einen Eindruck: Alles wird teurer. Doch zumindest in der offiziellen Statistik des Statistischen Bundesamtes gibt es sie: die kleinen Lichtblicke.
Äpfel waren im April laut der aktuellsten Zahlen von Destatis 4,4 Prozent günstiger als vor einem Jahr. Birnen verbilligten sich um 2,0, Weintrauben um 2,3, Tomaten um 4,7, Gurken marginal um 0,1 sowie Kürbisse, Auberginen und Mais sogar deutlich um 15,1 Prozent.
Die wenigsten Kunden werden dies wohl wahrgenommen haben. Schließlich schwanken die Preise für Obst und Gemüse ohnehin stark in Abhängigkeit von Wetter und Pflanzenkrankheiten sowie der damit zusammenhängenden Erntemenge.
Lebensmittel: Erste Preise fallen wieder
Aufgefallen sein dürfte aufmerksamen Verbrauchern in der mehr als 160 Produkte enthaltenen Destatis-Tabelle wohl nur ein Produkt mit sinkenden Preisen: Butter. Satte 14,6 Prozent günstiger wurde sie laut den Statistikern.
Mehrfach senkten die Händler in diesem Jahr bereits den Preis für das halbe Pfund, das derzeit bei Aldi mit 1,45 Euro bei der Handelsmarke notiert. Laut Destatis ist der Brotschmierstoff aber immer noch knapp 16 Prozent teurer als vor drei Jahren.
Doch so langsam kommt wieder Bewegung in das hierzulande gern mit Werbung flankierte „Preise senken“-Spiel. Ende April setzten die zur Schwarz Gruppe gehörenden Ketten Kaufland und Lidl den Rotstift für mehrere Käsesorten an. Der sich stets als Preisführer verstehende Aldi-Konzern zog nach.
Lidl, Kaufland und Aldi senken Nudelpreise
Am 8. Mai machten Lidl und Kaufland einige Sorten Nudeln wie Spaghetti, Penne Rigate und Fusilli der Eigenmarke dauerhaft günstiger. 500 Gramm kosten nun 79 statt 99 Cent – minus 20 Prozent. „Nudeln gehören zu den beliebtesten Grundnahrungsmitteln in Deutschland. Diese Preissenkung wird bei den Verbrauchern deutlich spürbar sein“, sagte Lidl-Deutschland-Chef Christian Härtnagel.
Das zeige: Auch in aktuell herausfordernden Zeiten könnten sich Kunden auf den gewohnt günstigen Lidl-Preis verlassen.
Aldi reagierte einen Tag später – und senkte auch noch die Preise für zwei verschiedene Bionudeln, sogar um jeweils 36 Prozent. Es könnte allerdings auch noch etwas Spielraum nach unten da sein. Laut Destatis waren Nudeln im April 2023 fast 50 Prozent teurer drei Jahre zuvor.
Edeka-Chef Mosa wettert gegen Lebensmittelkonzerne
Offen ist allerdings, wie schnell das geschieht. „Im nächsten Jahr wird im Markt mit einer stärkeren Preissenkungsrunde gerechnet“, sagt Jana Fischer, Ernährungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Hamburg, im Gespräch mit unserer Redaktion.
Bei Deutschlands größtem Lebensmittelhändler sieht man hingegen jetzt die Zeit dafür. Edeka-Chef Markus Mosa wettert seit Monaten gegen geforderte Preiserhöhungen vieler Hersteller und liegt mit ihnen im Clinch. Zeitweilig waren oder sind diverse Markenprodukte nicht in den Regalen der Supermarktkette mit Sitz in der Hamburger City Nord zu finden.
Edeka-Chef: „Fallende Rohstoffpreise müssen jetzt bei Verbrauchern ankommen“
„Zurzeit stellen wir in verschiedenen Sortimentsbereichen fest, dass die Rohstoffpreise sinken“, sagt Mosa auf Anfrage. „Diese fallenden Rohstoffpreise müssen jetzt bei den Verbrauchern in Deutschland ankommen.“ Bei vielen Artikeln der Eigenmarken zeige sich dies schon in sinkenden Preisen.
„Leider lehnen einige Markenartikelkonzerne das aber immer noch explizit ab. Man kann nicht zwei Jahre mit Verweis auf die Rohstoffpreise nachvollziehbare Preiserhöhungen einfordern und bei fallenden Preisen sich daran nicht mehr erinnern“, sagt Mosa. Machen sich also die Lebensmittelkonzerne die Taschen voll?
Studie: Rohstoffpreise sinken zum Teil deutlich
Eine Analyse des Kreditversicherers Allianz Trade stützt Mosas Aussagen. Die globalen Rohstoffpreise hätten sich zuletzt deutlich abgekühlt und seien von ihren Hochs im Jahr 2022 stark zurückgegangen, heißt es. Mais sei zwar noch etwa 30 Prozent teurer als Anfang 2021 und Düngemittel sogar 50 Prozent als vor ein paar Jahren. Aber Weizen und Sojabohnen notierten inzwischen auf dem Niveau von 2021.
Die Betriebskosten der Lebensmittelproduzenten und -einzelhändler seien ein Grund für das wachsende Ungleichgewicht zwischen vorgelagerten Rohstoff- und nachgelagerten Lebensmittelpreisen – allerdings nicht der einzige, sagt Allianz-Trade-Branchenexperte Aurélien Duthoit: „Wir beobachten auch, dass insbesondere Lebensmittelhersteller hungrig nach Profiten sind. Sie haben die Preise wesentlich stärker erhöht als die Einzelhändler.“
Branchenexperte sieht zunehmend Anzeichen für Gewinnmitnahmen
Übermäßige Gewinnmitnahmen der Unternehmen trügen zwar einen kleinen, aber bedeutenden Anteil zur Lebensmittelinflation im vergangenen Jahr bei. Seit Mai 2022 könnten mehr als ein Drittel des jüngsten Anstiegs der Lebensmittelpreise nicht mit traditionellen Treibern wie Kosten für Strom, Lohn und Verpackungsmaterialien erklärt werden, sagt Andy Jobst, Inflationsexperte und Leiter Makro- und Kapitalmarktresearch bei Allianz Trade: „Es scheint zunehmend Anzeichen für Gewinnmitnahmen zu geben sowie unzureichenden Wettbewerb in den Bereichen mit besonders starken Preissteigerungen wie zum Beispiel bei Herstellern von Milchprodukten und Eiern, aber auch bei nicht saisonalem Gemüse und Obst.“
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie hält die Ergebnisse der Studie für substanzlos. Die Aussagen zu den Gewinnentwicklungen der Hersteller seien „weder nachvollziehbar noch methodisch belegt“, sagt Geschäftsführerin Stefanie Sabet: „Der Rückschluss auf angeblich ‚profithungrige‘ Hersteller erscheint völlig unbegründet und fragwürdig.“
Verbraucherzentrale kritisiert Händler und Industrie
Eine andere Organisation sieht das Treiben von Industrie und Handel kritisch. Die Verbraucherzentrale Hamburg meldete jüngst, dass fast die gesamte Branche der Markeneishersteller die Preise erhöhte. Insbesondere das von Froneri für Deutschland produzierte Stieleis der Mondelez-Marken Oreo, Milka und Daim fiel dabei negativ auf.
Statt vier sind nur noch drei Eis am Stiel in einer Packung. Die einzelne Portion ist von 110 beziehungsweise 100 Milliliter auf 90 geschrumpft. Bei gleichem Preis entspreche das einer Erhöhung um bis zu 63 Prozent. Die Verbraucherzentrale kürte das Eis daher zur Mogelpackung des Monats.
Verbraucherzentrale: Intransparent, wie sich Marge aufteilt
Auch der Handel gönne sich immer wieder ein größeres Stück der Marge, hieß es. „Es wäre verwunderlich, wenn nicht sowohl Hersteller als auch Händler bei verstecken Preiserhöhungen profitieren würden“, sagt Fischer. Für den Kunden sei dies an der Kasse schwer zu durchschauen. „Wie sich die Marge zwischen Hersteller und Händler aufteilt, ist intransparent“, so Fischer.
Allianz Trade stellte für das vergangene Jahr folgende Rechnung auf: Die Lebensmittelproduzenten erhöhten ihre Preise um 18,8 Prozent zum Vorjahr. Die Lebensmittelhändler „nur“ um 12,6 Prozent. Die Finanzzahlen der börsennotierten Lebensmitteleinzelhändler bestätigten demnach, dass die Kosten Anfang 2022 schneller stiegen als der Umsatz, wobei die Bruttomargen schrumpften und unter das Niveau von vor der Pandemie fielen, so die Analyse des Kreditversicherers.
Edeka weist auf eine geringere eigene Handelsmarge hin
Edeka verweist darauf, gestiegene Lieferantenpreise nicht komplett an die Kunden weitergegeben zu haben. „In Zeiten einer hohen Inflation ist es unsere oberste Priorität, die privaten Haushalte zu entlasten“, sagte Mosa anlässlich der Bilanzvorstellung Ende April. Man versuche trotz steigender Kosten, die Verkaufspreise für Lebensmittel möglichst stabil zu halten – „auch zulasten unserer eigenen Handelsmarge und unserer Ergebnisse“, so Mosa.
Demnach brach der Jahresüberschuss der Edeka-Zentrale mit der Discounter-Tochter Netto und den sieben Regionalgesellschaften, die das operative Geschäft verantworten, im Vorjahr um 135 Millionen auf 554,2 Millionen Euro ein.
In Österreich sollen Händler Einkaufspreise publik machen
Die Marge liege im Lebensmitteleinzelhandel in der Regel im niedrigen einstelligen Prozentbereich, heißt es aus Konzernkreisen. Händler hätten in diesem Jahr schon bei rund 700 Produkten die Preise gesenkt, hört man. Die börsennotierten großen Lebensmittelhersteller seien hingegen auf Profitmaximierung ausgerichtet mit Gewinnmargen von 20 bis 30 Prozent.
Nestlé peilt für dieses Jahr zum Beispiel eine operative Ergebnismarge von 17 bis 17,5 Prozent an, bestätigte der Schweizer Konzern vor Kurzem bei der Bekanntgabe von Quartalszahlen. Im Vorjahr lag sie bei 17,1 Prozent. In Österreich kündigte Kanzler Karl Nehammer jüngst an, dass der Lebensmittelhandel, der in der Alpenrepublik von Rewe, Aldi, Lidl und Spar dominiert wird, künftig seine Einkaufspreise für Grundnahrungsmittel publik machen muss.
Verbraucher sollten sich von Angeboten nicht blenden lassen
Preisbewussten Verbrauchern bleibt hierzulande nur eins: vergleichen. Insbesondere bei Geschäften mit Angeboten sollte man genau hinschauen, sagt Fischer. Denn nach einem Marktcheck, den die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen durchgeführt hat, gebe es nicht den einen Händler, bei dem alles besonders günstig sei.
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„Man wird durch das eine sehr günstige Produkt in den Laden gelockt, kauft dann aber aus Zeitgründen vermutlich auch weitere Produkte in dem Laden. Auf diesem Weg kann sich der Händler das Geld auch wieder reinholen – weil andere Produkte dort nicht am günstigsten sind“, sagt die Hamburger Verbraucherschützin.
Nun drohen bei Orangensaft Preiserhöhungen
Zumindest bei Obst und Gemüse sorgt nun der Faktor Saison für eine Entlastung der Verbraucher. Mit den steigenden Temperaturen kommen mehr Waren aus heimischem Anbau auf den Markt, die Erntemengen steigen – vor allem, wenn das Wetter mitspielt.
Allerdings drohen auch „saftige“ Preiserhöhungen. Wegen schlechter Ernten, einer in Florida grassierenden Pflanzenkrankheit und Hurrikans sei Orangensaft derzeit so knapp wie lange nicht mehr, meldet zum Beispiel die Nachrichtenagentur dpa. „Die Verbraucher müssen sich darauf einstellen, dass Orangensaft teurer wird“, sagt Klaus Heitlinger, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Fruchtsaft-Industrie (VdF).
Experte: Durchgesetzte Preiserhöhungen bleiben meistens
Das Gefühl an der Supermarktkasse, dass alles teurer wird, könnte also durch neue Fakten gestützt werden. Im April lag die Teuerung bei Nahrungsmitteln im Vergleich zum Vorjahresmonat übrigens bei satten 17,2 Prozent und damit mehr als doppelt so hoch wie die Inflationsrate mit 7,2 Prozent.
Die Experten von Allianz Trade erwarten für das Gesamtjahr eine durchschnittliche Teuerungsrate von mehr als 12 Prozent. Für Mitte nächsten Jahres sehe man einen leichten Abwärtstrend, sagt Jobst: „Allerdings bedeutet das in vielen Fällen eher eine Stagnation der Preise. Durchgesetzte Preiserhöhungen werden erfahrungsgemäß nur selten zurückgenommen.“