Hamburg. Wenn sich ab 9. Mai mehr als 70.000 Internetexperten in den Messehallen treffen, ist Organisator Philipp Westermeyer mittendrin.

  • Das OMR Festival startet Anfang Mai wieder
  • Dabei müssen sich Besucher auf einige Neuerungen gefasst machen, wie OMR-Chef Philipp Westermeyer im Interview bestätigt

Am 9. und 10. Mai wird Hamburg beim OMR Festival wieder zum Treffpunkt der Digitalwirtschaft. Fachleute kommen in Scharen, um hier Neues über Online-Marketing und Technik-Trends zu erfahren – und auch, um eine Menge Spaß zu haben. Ein Gespräch mit OMR-Chef Philipp Westermeyer, dem Erfinder und Gesicht dieser Veranstaltung.

Hamburger Abendblatt: Sagen wir im Interview du oder Sie?

Philipp Westermeyer: Gerne du, wir kennen uns ja schon länger durch gemeinsame Projekte mit dem Abendblatt.

Wie erklärst du jemandem, der noch nie von OMR und dem Festival gehört hat, was da am 9. und 10. Mai eigentlich passiert in den Hamburger Messehallen?

Simpel formuliert: Es ist eine große Messe, bei der viele Menschen zusammenkommen, die in der Digitalwirtschaft und angrenzenden Branchen eine Rolle spielen. Wir haben internationale Aussteller wie Google, Meta, TikTok und Co., aber auch deutsche Firmen wie SAP oder Audi, die sich ja de facto ebenso zu Digitalunternehmen entwickeln, sind dabei. Da in der Branche vorwiegend junge Leute arbeiten, ist der Spirit anders als etwa bei einer Industriemesse. Es geht neben all den Sachthemen zusätzlich um Geselligkeit und Spaß, deshalb finden neben Master­classes und Podiumsdiskussionen bei uns Konzerte und Partys statt. Und abends ist nicht um 19 Uhr schon alles vorbei.

Wie viele Teilnehmer werden in diesem Jahr denn erwartet?

Wir rechnen mit etwa 70.000 Teilnehmern, vielleicht sogar etwas darüber. Mehr geht leider nicht mit den aktuell verfügbaren Flächen und den Übernachtungskapazitäten in unserer Stadt.

Es gibt in diesem Jahr keinen Expo-Pass mit weniger Leistungen für 49 Euro, sondern nur noch den Festivalpass. Und der kostet netto 399 Euro. Für den Zutritt zur Finance-Forward-Konferenz zahlt man sogar 799 Euro. Warum so teuer?

Es gab durchaus ein paar logistische Pro­bleme mit den unterschiedlichen Zugangsberechtigungen. Zudem haben uns Aussteller signalisiert, dass sie es schön fänden, wenn OMR-Besucher noch qualifizierter und beruflich gesehen „hochwertiger“ wären. Will man das Niveau erhöhen, geht das angesichts der nach wie vor sehr hohen Nachfrage fast nur über den Preis. Wir hatten im Herbst aber Aktionen, bei denen man das Vollzahlerticket mit hohem Rabatt bekommen konnte, etwa am Black Friday. Im Übrigen sind die unlimitierten Festivaltickets 2023 glatte 100 Euro billiger als im Vorjahr, weil alle nun das Gleiche zahlen. Was die Preise für die Finance-Forward-Konferenz angeht: Diese Spezialkarten sind schon alle weg. Der Bereich ist spannend, aber sicher nicht für jeden etwas. Hier trifft sich ein kleinerer Kreis von Finanzspezialisten. Und denen ist es das wert, wie man sieht.

OMR-Chef Philipp Westermeyer moderiert auch selbst auf dem OMR Festival in Hamburg. Das Business-Event ist eine Kombination aus Fachmesse, Workshops und Party.
OMR-Chef Philipp Westermeyer moderiert auch selbst auf dem OMR Festival in Hamburg. Das Business-Event ist eine Kombination aus Fachmesse, Workshops und Party. © picture alliance/dpa | Jonas Walzberg

Warum findet das OMR Festival in Hamburg statt? Und was hat die Stadt unter dem Strich davon?

Das ist eigentlich eine Geschichte von gelungener Politik, kann man ja auch mal sagen. Ich wurde als erster Jahrgang der damals von der Stadt und der Uni Hamburg aufgesetzten Hamburg Media School nach Hamburg gelockt, habe dann angefangen hier zu arbeiten, mich danach selbstständig gemacht. Dann hat es sich einfach so ergeben. Aber natürlich ist Hamburg auch gut geeignet für so ein digitales Festival mit seinem zentral gelegenen Messegelände. Inwieweit die Stadt wirtschaftlich profitiert? Da kann man sich nur etwas gröber annähern. Wir denken, dass in Hamburg jedes Jahr mindestens 100 Millionen Euro rund um das Event ausgegeben werden. Hier und da bieten andere Städte deshalb Veranstaltern sogar entsprechend große Summen, wenn sie den Standort eines großen Events dorthin verlegen.

Zum OMR Festival gehören traditionell auch Auftritte bekannter Musiker. Auf wen dürfen sich die Teilnehmer diesmal freuen?

Da werden sehr interessante Acts dabei sein. Leider dürfen wir nicht alles vorab kommunizieren, weil diese Musiker womöglich noch reguläre Konzerte in der Stadt haben werden. Aber verraten darf ich, dass zum Beispiel US-Star-Rapper Macklemore kommt, auch K.I.Z. aus Berlin und Jan Delay sind on stage. Es wird eine große Bandbreite auf verschiedenen Bühnen geben.

Unterkünfte für die Besucher des Festivals sind knapp, Hotelzimmer waren früh ausgebucht und sehr teuer. Was hat dein Aufruf gebracht, Privatzimmer zur Verfügung zu stellen?

Wir werden die 1000 Betten, die wir vermitteln wollten, wohl erreichen.

Hamburg ist ja auch eine Hafenstadt. Hast du mal darüber nachgedacht, ein oder zwei große Kreuzfahrtschiffe als zusätzliche Unterkunft für die Teilnehmer des OMR Festivals zu organisieren?

Die Idee habe ich tatsächlich, aber dazu muss man wissen, dass Reedereien lange im Voraus planen. Auch wegen der Pandemie haben wir für 2023 keinen Slot gefunden, aber 2024 oder 2025 könnte das klappen. Hilfreich ist, dass viele dieser Schiffe wegen des Hafengeburtstages dann wohl ohnehin in der Stadt sind.

Der Plan, während des Festivals die Karolinenstraße zu sperren, hat zur Unruhe unter den Anwohnern geführt. Hast du inzwischen für diese eine zufriedenstellende Lösung gefunden?

Es geht nur um das kurze Stück zwischen Lagerstraße und St. Petersburger Straße. Für Anwohner werden wir einen Shuttle einrichten, außerdem bekommen Betroffene ein Freiticket, damit sie übers Gelände laufen und sich bei uns umsehen können. Mir ist bewusst, dass hier öffentlicher Raum gesperrt wird, damit muss man natürlich vorsichtig umgehen. Die Behörden haben uns allerdings auch klar gesagt, dass ein Übergang nur über den Skywalk ein zu riskantes Nadelöhr wäre.

Du hältst auf jedem OMR Festival eine Keynote, auf der du die wichtigsten Digitaltrends erklärst. Welche sind das 2023?

Total im Kommen sind kurze Videos, oft nicht mehr als drei, vier oder fünf Sekunden lang. Das funktioniert auf Instagram genauso wie auf TikTok und sogar auf Spotify, das viele ja noch für eine reine Audioplattform halten.

Wie groß wird der Umbruch durch Künst­liche Intelligenz (KI) werden, und wie schnell wird das alles gehen? Steigt die Gefahr von Fälschungen?

Auch dazu wird auf dem OMR Festival sehr viel Expertise vertreten sein, ich selber bin da noch gar nicht so tief drin wie die absoluten KI-Experten. Was Deep Fakes, also Fälschungen in Videos, auf Fotos oder in Audiodateien angeht: Das war schon ohne KI möglich, es hat nur länger gedauert. Da ist gerade viel Staub aufgewirbelt worden, der sich zum Teil wieder legen wird, denke ich.

Inwieweit können Ältere im Alltag von der zunehmenden Digitalisierung profitieren? Bislang fühlen sich gerade Senioren und Seniorinnen oft abgehängt.

Wer Kinder und Enkel hat, bekommt über die Familie einen Einstieg, etwa wenn in Chatgruppen geschrieben wird oder man Fotos und Sprachnachrichten verschickt. Es gibt auch ältere Menschen, die nutzen inzwischen gerne Alexa von Amazon, weil sie auf Sprache reagiert und man dort nichts eintippen muss. Nachrichten und den Wetterbericht abrufen, ein Konzert oder einen interessanten Podcast hören, all das geht so sehr einfach. Ganz so schnell wie anfangs gedacht, haben sich die Sprachsteuerungen bei uns aber nicht weiterentwickelt.

Sind Podcasts, die es inzwischen millionenfach gibt, nach wie vor ein Wachstumsmarkt?

Ich denke schon. Da ist eine neue Medienkategorie entstanden, die man on demand abrufen kann. Am Ende kommt es darauf an, wer vorm Mikrofon sitzt und was derjenige zu erzählen hat. Die Zeit der einfachen Laberpodcasts ist wohl vorbei, jetzt geht es eher um aufwendiger gemachte Produktionen oder spezielle Info-Themen. Übrigens gehört zum Podcast heute oft auch ein Video, das macht es bereits aufwendiger.

Immer mehr Social-Media-Nutzer ärgern sich über extreme Beauty-Filter, überlaufene Instagram-Hotspots, gekaufte Follower und nervige Werbung. Hält der Hype an oder beginnt er in bestimmten Zielgruppen zu bröckeln?

Da ändert sich bereits etwas. Das Private verschwindet allmählich von diesen Plattformen und wandert in Chaträume ab. Stattdessen übernehmen nun Marketing und Entertainment. Bekannte Marken und prominente Menschen bestimmen zunehmend, was auf Social Media zu sehen ist.

Wann wird es Influencer geben, die eigentlich gar nicht existieren, sondern von der KI erschaffen worden sind?

Das kann kommen, ebenso wie einsame Menschen eventuell anfangen werden, mit KI-Bots zu chatten, auch wenn sie wissen, dass dahinter gar kein reales Wesen steckt. Ganz allein sein möchte nun mal niemand.

Damit sind wir fast schon beim Metaverse, der virtuellen Parallelwelt, in der sich jeder mit einem künstlichen Avatar ganz anders darstellen kann, als er oder sie selbst ist. Bist du da oft mit VR-Brille unterwegs?

Nein, eher wenig. Ich habe mir das aus beruflicher Neugier alles mal angeguckt, gehe aber lieber mit realen Menschen ein Bier trinken oder auf den Sportplatz.

Wann warst du das erste Mal in deinem
Leben selbst online?

Gute Frage. Wahrscheinlich so 1995/96, da war ich als Austauschschüler in den USA und habe das erste Mal E-Mails verschickt.

Welche digitalen Tools und Apps nutzt du ganz persönlich besonders oft und gerne?

WhatsApp ist das von mir am häufigsten genutzte Medium, ganz klar. Dann noch mein Podcast-Player, meine Lauf-App, Sharingdienste, den HVV und Google Maps.

Gibt es für dich digitale Detox-Tage, an denen du das Smartphone bewusst ausschaltest oder auf ein Minimum reduzierst? Falls ja: Was machst du in dieser Zeit, außer zu schlafen?

Haha. Am Wochenende versuche ich durchaus, mal vier oder fünf Stunden lang offline zu sein, auch wenn das manchmal bedeutet, nur auf bestimmte Sachen nicht zu reagieren. Ich lese aber auch nach wie vor gerne Zeitung auf Papier, also ganz klassisch.