Hamburg. Das traditionsreiche Hamburger Privatbankhaus muss sparen und steht vor der gravierendsten Veränderung seit Jahrzehnten. Die Details.
Schon mehrfach in den vergangenen Jahren war vom Hamburger Bankhaus M.M. Warburg & CO zu hören, die Affäre um die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte sei für das Unternehmen nun erledigt. Schließlich habe man alle Steuerforderungen beglichen, außerdem sind Vorstand und Aufsichtsrat seit Oktober 2021 ausschließlich mit Personen besetzt, die den Gremien der Bank nicht schon zur Zeit der inzwischen auch höchstrichterlich als Steuerhinterziehung eingestuften Aktientransaktionen angehörten.
Doch tatsächlich zeigt sich gerade in diesen Tagen, dass die Nachwirkungen des Cum-Ex-Skandals noch längst nicht überwunden sind – ganz im Gegenteil: Das Landgericht Bonn hat in der vorigen Woche die Anklage der Staatsanwaltschaft Köln gegen den einstigen Bankchef Christian Olearius, der noch immer einer der beiden Hauptgesellschafter ist, zugelassen. Er bestreitet, Unrecht getan zu haben.
Hamburger Warburg-Bank bekommt neuen Investor
Vor allem aber steht die 1798 gegründete Warburg-Bank nach Informationen des Abendblatts vor einer Veränderung, wie es sie in dem Institut seit Jahrzehnten nicht gab: Es laufen Gespräche über den Einstieg eines Investors. Darüber hatte zuerst die „Welt am Sonntag“ berichtet.
Zumindest indirekt hat die Suche nach einem neuen Gesellschafter, der frisches Kapital in das Unternehmen einbringt, durchaus mit dem Cum-Ex-Skandal zu tun. Eine Privatbank wie M.M. Warburg muss das für Wachstum benötigte Eigenkapital üblicherweise aus den eigenen Gewinnen erwirtschaften.
Aber genau daran hapert es seit Jahren – wohl auch, weil die Bewältigung der Affäre seit Anfang 2016, als die Staatsanwaltschaft erstmals die Geschäftsräume in der Ferdinandstraße durchsuchen ließ, das Management sehr viel Energie kostete und Aufmerksamkeit abzog. Zudem gab es seit 2017 nicht weniger als elf Veränderungen in der Geschäftsleitung. Kontinuität, die besonders für ein Privatbankhaus einen hohen Wert darstellt, sieht anders aus.
Warburg muss sparen – zwei Filialen schließen
Vor dem Hintergrund solcher Belastungen musste M.M. Warburg für 2019 und 2020 Verluste ausweisen, 2021 erzielte man ein gerade einmal „ausgeglichenes“ Ergebnis. Für 2022 hat die Bank noch keine Zahlen vorgelegt, aber angesichts des schwachen Aktienmarkts dürfte es an lukrativen Geschäften wie der Beteiligung an Börsengängen und Kapitalerhöhungen gefehlt haben.
Als Reaktion auf die Ertragsprobleme haben die beiden erst voriges Jahr ins Amt gekommenen Vorstände Markus Bolder und Stephan Schrameier dem Geldhaus ein Sanierungsprogramm verordnet. Eine Filiale in Osnabrück ist bereits Ende Februar geschlossen worden, zum Jahresende wird der Braunschweiger Standort, hervorgegangen aus dem 1761 gegründeten Bankhaus Löbbecke, folgen.
Rund 30 Arbeitsplätze im Private Banking werden abgebaut
Nachdem schon im vergangenen Jahr bundesweit 20 Stellen weggefallen sind und die Zahl der Beschäftigten in Hamburg um zehn auf 738 zurückging, ist für die nächste Zeit mit verstärktem Abbau zu rechnen. Denn die Sparte Private Banking soll spürbar schrumpfen.
Man wolle sich auf die „Zielkunden“ fokussieren, sagt eine Warburg-Sprecherin dazu. Bis 2024 sollen in dieser Sparte bundesweit rund 30 Stellen wegfallen: „Mit den ausscheidenden Mitarbeitenden wurden im Rahmen eines Freiwilligenprogramms Vereinbarungen über Altersteilzeit, Vorruhestand und Aufhebungen abgeschlossen.“
All das soll auf mittlere Sicht die Rentabilität erhöhen. Zunächst einmal können solche Veränderungen aber sogar Geld kosten, zumal ein neues Management zum Start geneigt sein wird, Altlasten in der Bilanz zu bereinigen. Hinzu kommt: Die Finanzaufsichtsbehörde BaFin hat die Hamburger Privatbank seit Jahren im Visier und stellt an sie höhere Eigenkapitalanforderungen als gesetzlich vorgeschrieben.
Cum-Ex-Geschäfte verursachten immensen Steuerschaden
Wie stark eingeschränkt M.M. Warburg noch immer durch die Folgen der Cum-Ex-Affäre ist, zeigt auch dies: Schon im August 2021 war beschlossen worden, zwecks Vereinfachung der Strukturen die Holding-Obergesellschaft der Warburg-Gruppe auf das eigentliche Bankhaus zu verschmelzen, aber die Genehmigung durch die BaFin hängt an einem sogenannten Inhaberkontrollverfahren.
Im Klartext: Die BaFin muss darüber befinden, ob Christian Olearius als maßgeblicher Anteilseigner der Bank geeignet ist. Schließlich war er im Zeitraum von 2007 bis 2011, in dem die Cum-Ex-Transaktionen stattfanden, der Chef des Geldinstituts.
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Es geht dabei um das Hin- und Herschieben von Aktien mit (lateinisch „cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch rund um den Dividendenstichtag, wobei mehrere Akteure im In- und Ausland beteiligt sind. Die dadurch entstehende Verunsicherung über die Besitzverhältnisse führte dazu, dass Finanzämter eine nur einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf die Dividenden mehrfach erstatteten.
Europaweit stehen rund 130 Banken im Verdacht, derartige Transaktionen betrieben zu haben oder daran beteiligt gewesen zu sein, der Steuerschaden allein in Deutschland liegt im zweistelligen Milliardenbereich.
Warburg soll sich auch künftig im Markt behaupten können
155 Millionen Euro hat M.M. Warburg an den Fiskus gezahlt, um Steuernachforderungen im Zusammenhang mit solchen Geschäften zu begleichen. Tatsächlich aber stammte das Geld von den Hauptgesellschaftern, den Familien von Christian Olearius und Max Warburg. Beide sahen sich allerdings im Zuge der Aufarbeitung der Cum-Ex-Affäre gezwungen, formal immer weiter von der Bank wegzurücken.
Zunächst gaben sie per Jahresende 2019 ihre Aufsichtsratsmandate ab. Im August 2020 übertrugen sie dann auch noch die Stimmrechte aus den Kapitalanteilen an Bevollmächtigte. Unter diesen Umständen dürfte es den bestehenden Anteilseignern kaum möglich sein, dem Unternehmen in größerem Umfang mit frischem Geld auszuhelfen, wenn das wünschenswert erscheinen sollte.
Alternde Gesellschafter: Investor soll helfen
Abgesehen von derartigen Erschwernissen spräche allein schon das Lebensalter der beiden Gesellschafter dafür, die Weichen für die Zukunft zu stellen: Christian Olearius ist 80 Jahre alt, Max Warburg 75. Ein neuer Investor soll nun dafür sorgen, dass die Bank handlungsfähig bleibt – und nicht zuletzt dafür, dass sie sich in der von Branchenkennern erwarteten Konsolidierung des deutschen Privatbanken-Marktes behaupten kann.
Nach Informationen der „Wirtschaftswoche“ hat man sich im Kreis vermögender Privatpersonen sowie institutioneller Investoren wie Vermögensverwalter nach einem potenziellen Co-Eigner umgesehen.
Warburg räumt Fehler in der Beurteilung von Cum-Ex ein
Eine Veränderung, wie sie in den nächsten Wochen öffentlich gemacht werden könnte, böte auch einen Anlass, eine Besonderheit im Firmennamen auszuräumen: Das „O“ in M.M. Warburg & CO wird deshalb groß geschrieben, weil das „CO“ für Christian Olearius steht.
Vielleicht weniger augenfällig, aber ebenfalls bedeutsam, ist ein bereits vollzogener Wandel: Jahrelang gab die Bank stets gleichlautend an, man habe nie die Absicht gehabt, „steuerrechtswidrige Aktiengeschäfte zu betreiben“. Das klang fast trotzig und keinesfalls einsichtig. Zuletzt jedoch hat sich der Ton geändert. Nun heißt es: „Die steuerliche Beurteilung der Cum-Ex-Geschäfte durch die Warburg Gruppe hat sich als falsch erwiesen.“