Hamburg. Schon in den Jahren zuvor mussten die Kunden in Hamburg mehr für ein Eis bezahlen. Dieser Trend setzt sich jetzt weiter fort.
- Der Sommer ist im Anmarsch – und damit auch die Eissaison in Hamburg
- Doch die Preisspanne für eine Kugel ist groß. So kann man schon mal 2,40 für ein Bällchen Vanille-Eis zahlen
Für Kim Phan sind es vor allem die fröhlichen Kinder, die ihrer Arbeit einen Sinn geben. Ursprünglich hatte die 38-Jährige eine Modeboutique, sattelte während Corona aber um und ist heute eine der wenigen Anbieterinnen von Bubble Waffeln und Softeis in Hamburg. Die ursprünglich aus Hongkong stammenden fluffig-knusprigen Teigwaren und das cremig-luftige Eis zu kombinieren war ihre Idee – und ein Ausweg, um in der Pandemie ihre Ladenmiete noch bezahlen zu können.
Schließlich erlaubten die Lockdowns es nur To-go-Geschäften mit Lebensmitteln, noch Kunden zu bedienen. „Es kamen sogar Leute aus Stuttgart oder München, nachdem wir ein Video von unserem Eis über die sozialen Medien verbreitet hatten“, erzählt Kim Phan von den Anfängen in der Schanzenstraße.
Jetzt ist sie mit ihrem Laden Prinzessin Eisbär am Poelchaukamp zu Hause, wo sie ebenfalls vorher auf Mode gesetzt und in ihrer Boutique Julietta eigene Designs verkauft hatte. Den Schritt zurück in die Textilbranche plant sie nicht – eben auch der glücklichen Kinder wegen. „Sie sind leichter zufriedenzustellen als Frauen, die Kleidung kaufen“, sagt Kim Phan lachend.
Eis kann pro Kugel über 2 Euro kosten
Allerdings sind die Zeiten für die Unternehmerin auch nach der Pandemie nicht leichter geworden. In ihre beiden Eismaschinen hat die Betriebswirtin jeweils 35.000 Euro investiert – und ist jetzt zusätzlich mit stetig steigenden Kosten konfrontiert. Ein Problem für die gesamte Branche. Durch die kostspieligen Zutaten steigen die Preise für Eis vielerorts weiter. Nachdem schon im vergangenen Jahr einzelne Eiscafés die Marke von zwei Euro pro Kugel durchbrochen hatten, wird es für die Schleckermäuler in dieser Saison abermals teurer.
Einige Beispiele: Bei der Kette Luicella‘s kostet die Kugel inzwischen 2,40 Euro. Auch das „Beiwerk“ ist nicht mehr für ein paar Cent zu haben: L’Italiana Gelateria in der Europa Passage berechnet für die Kugel zwar „nur“ 1,90 Euro, dafür nimmt das Café am Eingang der Einkaufsmeile in der City für eine Portion Sahne 1,90 Euro. Auch bei großen Waffeltüten mit verschiedenen Sorten, Sahne und Sauce ist die Teuerung angekommen: Ein Traditionsbetrieb in Winterhude nimmt für das „Schoko-Wunder“ oder den „Nuss-Traum“ 7,50 Euro.
Mathias und Susann Mardt vom Bitte mit Sahne geben einen Einblick hinter die Kulissen der Produktion: „Wir arbeiten nicht mit Fertigprodukten“, betonen die Betreiber des Eiscafés in Sasel, daher seien sie auf Zutaten angewiesen, deren Preise sich seit dem vergangenen Jahr noch einmal zwischen 50 und 100 Prozent erhöht hätten. „Der Liter Milch von 78 Cent auf 1,35 Euro, ein Kilo Zucker von 69 Cent auf 1,55 Euro“, rechnen die Inhaber der Manufaktur vor. Auch die Preise für Verpackungen hätten zugelegt. Die bei Bitte mit Sahne verwendeten Pappbecher und Papplöffel seien inzwischen um bis zu 120 Prozent teurer im Einkauf.
Neben den Ausgaben für die Lebensmittel und die benötigten Materialien haben sich auch die Personalkosten erhöht. So spüren die Anbieter auch den neuen Mindestlohn – „auch für ungelernte Schüler Ü 18“, ergänzt Susann Mardt.
Nach der Pandemie ist ein schärferer Wettbewerb in der Branche entbrannt
„Über die offizielle Inflationsrate von ungefähr zehn Prozent würden wir uns wirklich freuen, dann hätten wir überhaupt kein Thema“, bringt es Markus Deibler von Luciella’s auf den Punkt. Der Geschäftsführer des Betriebs mit acht Filialen in Hamburg begründet mit der Teuerung auch noch einmal Auswirkungen für die Kunden: „Wer in unserem Geschäft 2023 die Preise nicht stark erhöhen muss, hat entweder letztes Jahr brutal viel verdient oder spart jetzt an irgendeiner Stelle massiv ein.“
Franziska Meis vom Eisladen Frau Meis in Ottensen beobachtet in der Branche auch einen sich verschärfenden Wettbewerb zwischen großen Anbietern und Einzelkämpfern. Es gebe seit Corona, als die Eisläden von den für sie günstigen To-go-Regelungen profitiert hätten, immer mehr Konkurrenz: „Alle wollen das Eisgeschäft mitnehmen“, sagt die Inhaberin des quietschbunten Shops an der Fischers Allee. Da Eis auch schon immer sehr billig und minderwertig habe produziert werden können, sei zugleich die Spanne der Qualität groß.
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Schließlich erlaubt die deutsche Gesetzgebung, dass Werbung mit Versprechen wie „eigene Herstellung“ auch dann zulässig ist, wenn das Eis vor Ort aus fertigem Pulver angerührt wird. Ketten könnten zudem mehr Geld in Marketing investieren, argumentiert Franziska Meis. „Da ist es für kleine Läden deutlich schwieriger geworden, sich zu behaupten“, fasst die Hamburgerin zusammen. Sie plane jedenfalls keine weiteren Standorte.
Anders ist die Lage bei Luicella’s. Nicht nur an der Elbe ist die Firma in guten Lagen wie der Schanzenstraße, der Langen Reihe oder im Mühlenkamp vertreten, sondern auch in Lübeck. Eine weitere Expansion schließt Chef Markus Deibler nicht aus, er denkt an weitere Standorte in Hamburg oder „ganz in der Nähe“.
Jeder Deutsche isst im Jahr durchschnittlich zwölf Kugeln Eis
Zu den stationären Geschäften kommen die Eiswagen, die dafür sorgen, dass jeder Deutsche im Jahr durchschnittlich zwölf Kugeln handwerklich hergestelltes Eis isst. Die bekannten Traditionsbetriebe wie Livotto oder Bella Italia kurven in diesen Tagen wieder durch die Straßen. Die Bezirke vergeben Jahr für Jahr die Genehmigungen für die mobilen Anbieter.
In der Innenstadt übertrifft die Nachfrage dieser Betriebe schon einmal die Zahl der von den Behörden zugelassenen Eiswagen, da die Fahrzeuge in viel befahrenen Gegenden den Verkehr behindern würden. Ein Überblick: In diesem Jahr sind im Bezirk Mitte vier Genehmigungen erteilt worden, in Eimsbüttel und in Nord jeweils drei und in Wandsbek mindestens sechs. Ein Kultmobil werden die Hamburger leider nicht mehr antreffen: Eis-Charly, denn Betreiber Wolfgang Sachs ist in diesem Jahr nach kurzer schwerer Krankheit verstorben.
Die meisten Inhaber der Wagen mit eingebauter Kühltheke gehören ansonsten zu den italienischen Auswanderer-Familien, die das Eis seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts nach Deutschland gebracht haben. So stammt etwa Bella-Italia-Gründer Baldassare Daidone ursprünglich aus Sizilien.
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Neuere Anbieter in der Branche sind dagegen oft Quereinsteiger. Wie Markus Deibler, der in seinem ersten Leben Weltmeister im Schwimmen war, bevor er seinen ersten Luicella’s-Eisladen auf St. Pauli eröffnete. Bei den Mardts dagegen ging es früher eher um Zahlen und Akten, denn sie arbeiteten in kaufmännischen Berufen, bevor sie sich bei Bitte mit Sahne köstlichen Kreationen wie Mascarpone/Erdbeer/Baiser oder Varianten wie Birne/Parmesan widmeten.
Bei Kim Phan wiederum waren es die Umstände der Corona-Pandemie, welche die junge Frau aus Winterhude zu ihrem eigenen Shop für Softeis brachten. Namensgeber für ihren Laden Prinzessin Eisbär waren übrigens ihre beiden Hunde, Mochi und Toro, die mit ihrem langen weißen Fell stark an die plüschigen Polarbewohner erinnern und meist lang ausgestreckt im Eingangsbereich des Ladens herumdösen. Im Sommer werden sie auch wieder einen Grund haben, aufzustehen: Dann bietet Kim Phan Hundeeis an, „auf Kokosbasis und natürlich ohne Zucker“, sagt die Gründerin lachend.