Hamburg. In dem Ecklokal im Schlachthofviertel sieht es aus wie vor 50 Jahren. Warum das Restaurant jetzt auf einen Online-Lieferdienst setzt.

Zwei Stufen runter, Tür auf, rein in Erika’s Eck. Die holzgetäfelte Speisewirtschaft im Schlachthofviertel ist ein Hamburger Original. Drinnen ist es so, als ob jemand die Rückspultaste einer Zeitmaschine gedrückt hat. 10 Jahre, 20, 30, 40 – stooopp! Seit Erika Holstein das Ecklokal mit ihrem Mann Mitte der 70er-Jahre eröffnet hat, hat sich hier kaum was verändert.

Blitzblank gewienerte Theke, dahinter in der Regalwand Gläser und Hochprozentiges. „Bei uns NUR Barzahlung möglich!!“ steht auf einem handgeschriebenen Zettel. Monika Ritter zapft gerade ein Pils. Aus der Küche zieht der Duft von frischen Bratkartoffeln.

Restaurant Hamburg: Die Portionen sind groß, die Preise fair

Warme Küche gibt es jeden Tag ab morgens um 6 Uhr und am Wochenende fast rund um die Uhr. Auf der Speisekarte stehen Rumpsteak XXL, Roastbeef, Currywurst und Bauernfrühstück. Die Spezialität sind Schnitzel, in sieben Varianten von „Wiener Art“ bis „Hawaii“. Ist klar, Vegetarier sind hier falsch. Morgens werden Brötchenhälften mit Mett und anderen Schweinereien belegt – ab 1,70 Euro. Die Tasse Kaffee kostet 1,30 Euro. Deftige Portionen, faire Preise.

Die Jungs vom Schlachthof langen hier zu, Müllmänner und Handwerker in Arbeitsklamotten sitzen auf einfachen Holzbänken. Auch einige Touristen in knalligen Outdoor-Jacken, die die Souterrain-Kneipe an der Sternstraße im Reiseführer entdeckt haben. Wenn der Abend später wird, trudeln die Werktätigen der Nacht ein, Taxifahrer, Feuerwehrleute, Polizisten.

Dann kommt auch Stefan Wilms. Seit 21 Jahren ist er der Chef in Erika’s Eck. An diesem Tag ist er schon nachmittags da. Ein krankheitsbedingter Ausfall. Deswegen ist Wilms auch für einen schon weit verbreiteten, für sein Lokal aber neuen Service zuständig.

Die deftigen Speisen gibt es nun auch per Lieferservice

Um an die Hausmannskost von Erika’s Eck zu kommen, muss man seit einiger Zeit nicht mehr in die Eckpinte kommen, sondern kann sich Schnitzel & Co. auch per Mausklick nach Hause liefern lassen. Im vergangenen Jahr hat Stefan Wilms einen Kooperationsvertrag mit dem Lieferdienst Wolt geschlossen.

„Es hat sich in den vergangenen Jahren vieles verändert“, sagt der 55-Jährige mit Schiebermütze und Lederjoppe. Während in besten Zeiten von Gründerin Erika die Schlachtergesellen aus der Nachbarschaft um Mitternacht zur kräftigen Frühstückspause vorbeischauten, kommen sie – wenn überhaupt – heute erst nach Feierabend auf einen Kaffee.

Der Gastronom, der aus einer Schaustellerfamilie stammt, arbeitet seit mehr als 30 Jahren in Betrieb, den vor ihm seine Mutter mit Partner 13 Jahre lang geführt hatte. Er weiß, wie das Geschäft läuft. War dabei, wenn Kiezgrößen wie Karl Heinz „Kalle“ Schwensen oder Promis wie Udo Jürgens und Jan Fedder morgens um vier Uhr auftauchten.

Traditionell ja, aber nicht altmodisch: Die Kultkneipe kooperiert seit neuestem mit dem Online-Lieferserive Wolt.
Traditionell ja, aber nicht altmodisch: Die Kultkneipe kooperiert seit neuestem mit dem Online-Lieferserive Wolt. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Bei allen Gerichten gibt es bei der Lieferung einen Preisaufschlag

Als vor drei Jahren die Corona-Pandemie begann, hat das den kleinen Betrieb mit acht Beschäftigten kräftig durchgeschüttelt. „Das Frühstücksgeschäft ist weggebrochen, in der Nacht kommen die Gäste nicht mehr so kontinuierlich“, sagt Stefan Wilms. Als Mitarbeiter von Wolt im vergangenen Jahr bei ihm anfragten, ob er sich eine Partnerschaft mit dem Onlinelieferservice vorstellen könnte, überlegte er nicht lange. „Es ist für uns eine Möglichkeit, die Lücken zu füllen.“

Auf der Onlineplattform des finnischen Lieferdienstes gibt es Kategorien wie Italienisch, Sushi, Gesundes. Erika’s Eck ist unter Europäisch/Hamburg am Start – und mit dem Angebot an handfester Hausmannskost eher ein Exot.

Fast alles, was auf der Abendkarte in der Gastwirtschaft steht, lässt sich auch Internet bestellen. Allerdings mit kräftigem Preisaufschlag. Wird das Pfefferrahmschnitzel im Lokal für 17,90 Euro samt Bratkartoffeln oder Pommes serviert, sind bei Lieferung an die Haustür 26,77 Euro fällig. Die Differenz geht in Liefergebühren und Provision. Drei Spiegeleier mit Bratkartoffeln kosten dann plötzlich 11,05 Euro. Die Brötchenhälfte gibt es ab 2,34 Euro.

Der neue Service kommt gut an – gerade Schnitzel sind beliebt

Dafür sind die heiß begehrten Sachen eine halbe Stunde nach der Bestellung an der Haustür, so das Wolt-Versprechen. Vor allem gegen Abend stehen immer wieder Fahrer mit ihren türkisfarbenen Essensboxen in dem ursprünglichen Ecklokal. Bis zu 15 Bestellungen sind es am Tag.

„Geordert werden vor allem Schnitzel“, sagt Justin Michaelsen von Wolt. Aber auch Brötchenhälften lassen sich Kunden liefern. „Das Besondere bei Erika’s Eck ist, dass man vom Frühstück bis zum Abend alles bestellen kann.“ Erste Auswertungen zeigen, dass die Kunden den neuen Service gut finden. Viele sind Stammkunden und kennen Erika’s Eck schon lange.

Restaurant Hamburg: Wolt baut seinen Service in Hamburg derzeit massiv aus

Für Wolt ist die Partnerschaft mit der Hamburger Kultkneipe eine gute Sache. Der Lieferdienst war 2021 in der Hansestadt gestartet und beschäftigt nach eigenen Angaben mittlerweile etwa 600 Männer und Frauen am Standort, davon etwa ein Dutzend in der Zentrale am Neuen Wall. Der Lieferando-Konkurrent baut das Serviceangebot gerade unter Hochdruck aus.

Schon jetzt lassen sich es außer Restaurantessen auch Lebensmittel, Blumen, Tierfutter oder Sex-Spielzeug bestellen. Das Ziel des Unternehmens, das inzwischen zur US-Firma DoorDash gehört: eine (Liefer-)App für alles. „Je mehr interessante Partner auf unserer Seite sind, desto attraktiver sind wir“, sagt Wolt-Manager Michaelsen.

Auch Gastronom Wilms ist zufrieden. „Es läuft gut an“, sagt er zu dem digitalen Zusatzgeschäft. Wichtig für ihn ist, dass er sein Personal auslasten kann. Bislang passen die Onlinebestellungen immer zwischen das Geschäft in Erika’s Eck. Wer allerdings Sonnabend oder Sonntag nachts um halb vier Uhr Heißhunger auf eine Portion Brathering oder hausgemachtes Sauerfleisch hat, muss auch weiterhin persönlich in dem kultigen Ecklokal erscheinen. Wolt liefert nur bis 21.30 Uhr.