Hamburg. Bertelsmann-Chef Thomas Rabe redet mit Mitarbeitern in Hamburg. Was er ihnen anbietet. Burda-Vorstand Welte stellt düstere Prognose.
Der Konzernumbau des ehemaligen Hamburger Verlags Gruner + Jahr hat begonnen. Wie am Mittwoch bekannt wurde, stehen bereits die letzten Erscheinungstermine mehrerer Titel fest. Das Magazin „Eltern“ soll beispielsweise mit dem Juniheft das letzte Mal in gedruckter Form erscheinen, war zu hören. Für andere Titel sei im Mai bereits Schluss.
Wie die Geschäftsführung des Mutterkonzerns RTL Anfang Februar mitgeteilt hatte, kommt es bei Gruner + Jahr (G + J) zu einem größeren Stellenabbau. Titel mit großen Synergien mit den TV-Redaktionen von RTL, wie „Stern“ oder „Capital“, werden weiter produziert, aber integriert. Zahlreiche weitere Titel wie „Brigitte“, „Gala“ und „Schöner Wohnen“ sollen an einem neuen Standort in Hamburg weiterproduziert werden.
Gruner + Jahr: 23 Magazine werden eingestellt
Eine Reihe von Magazinen, wie P.M. werden verkauft. 23 Ableger bekannter Titel sollen zudem wegfallen. 700 von 1900 Stellen werden gestrichen, davon 500 direkt. Weitere 200 sollen durch den Verkauf von Titeln bei G + J verschwinden. Da es viele Teilzeitbeschäftigte gibt, die sich eine Stelle teilen, ist die Zahl der betroffenen Mitarbeiter wohl deutlich höher als offiziell angegeben.
Gruner + Jahr: Thomas Rabe enttäuscht Beschäftigte erneut
Die (seltsamen) Rechnungen des Thomas Rabe
Neue Jobs für Mitarbeiter von Gruner + Jahr?
Um die Mitarbeiter auf den neuesten Stand zu bringen hatte Bertelsmann-Vorstandschef und RTL-Geschäftsführer Thomas Rabe am Mittwochfrüh zu einer Online-Konferenz geladen. Viele Mitarbeiter kritisierten, dass Rabe sich der Belegschaft nicht persönlich stellen wolle, worauf er im Anschluss an die Online-Konferenz im Foyer des Verlagshauses zu einem direkten Treffen bat, um den Mitarbeitern Rede und Antwort zu stehen. Knapp 500 kamen – überwiegend in Schwarz gekleidet um, ihren Protest gegen die Zerschlagung von G + J auszudrücken.
Gruner + Jahr: RTL-Chef stellt Zeitschrift seiner Mutter ein
Wie das „Abendblatt“ von Mitarbeitern erfuhr, räumte Rabe zunächst auf Nachfrage ein, dass die Entscheidung zum Verlagsumbau in einem kleinen Kreis innerhalb der Geschäftsführung getroffen worden sei. Viele Führungspersonen von G+ J hatten zuvor beklagt, dass sie nicht eingebunden worden seien. Rabe wies die öffentliche Kritik zurück, er gebe mit der Schließung vieler Titel den Journalismus in Hamburg auf. Da fühle er sich falsch verstanden, schließlich würden zahlreiche Magazine erhalten und durch neue Investitionen gestärkt, argumentierte er.
Klar ist aber, dass insbesondere im Verwaltungsbereich viele Mitarbeiter die Kündigung erhalten werden, denn die administrativen Aufgaben will RTL in Köln bündeln. Betroffenen Hamburger Mitarbeitern bot Rabe an, dass sie sich auf Stellen in Köln bewerben könnten. Damit kassierte er eine frühere Zusage, dass es in Hamburg zu keiner Stellenverlagerung in diesem Bereich kommen werde.
Emotional wurde die Sitzung, als Redakteure der von der Schließung betroffenen Magazine der Geschäftsführung Protest-Briefe von Lesern vorlasen. Rabe sagte, er wisse, dass das eine schwierige Zeit sei. Seine 86-jährige Mutter sei Leserin des Ablegers „Brigitte Wir!“ für Frauen ab 60, deren Zeitschrift er jetzt auch einstelle. Noch offen bleibt weiterhin die Zukunft von „Geo Epoche“. Zu dem Magazin gab es am Mittwoch nichts Neues.
Burda-Vorstand Welte: "Kahlschlag, den es so noch nie gegeben hat"
Unterdessen hat sich Burda-Vorstand Philipp Welte zu dem Verkauf der Zeitschriften geäußert. In einem Interview der Wochenzeitung „Die Zeit“ sagte er auf die Frage, ob er schon bei Bertelsmann, zu dem Gruner + Jahr gehört, angerufen habe, um ein Angebot zu machen: „Nein, Burda hat kein Interesse angemeldet. Aber was dort passiert, verändert das Gesicht unserer Branche.“
Welte, der auch Vorstandsvorsitzender des Zeitschriftenverbands MVFP ist, ging in dem Interview mit Blick auf die Entscheidung zu Gruner + Jahr auf die gesamte Branche ein. Er sagte: Magazine einstellen zu müssen sei Teil des Geschäfts. „Aber das ist ein Kahlschlag, den es so noch nie gegeben hat. Ein wichtiger Teil des publizistischen Angebots in Deutschland wird verschwinden.“
Gruner + Jahr und die Branche: Welte stellt düstere Prognose
Welte sagte auch: „Wir standen auf vielen Märkten im direkten Wettbewerb mit den Magazinen aus Hamburg. Jetzt ist da plötzlich niemand mehr. Das fühlt sich an, als würde man für ein Fußballspiel ins Stadion einlaufen, aber die gegnerische Mannschaft verlässt die Arena gerade durch die Hintertür.“ Welte äußerte sich auch so: „Wir müssen jetzt dafür Sorge tragen, dass nicht die ganze Branche in dieser morbiden Finsternis verschwindet, die Gruner umgibt.“ RTL kommentierte das Interview nicht.
Über die Branche führte Welte weiter aus: „Es ist eine harte Zeit, und wenn die Rahmenbedingungen so bleiben, kann bis zu einem Drittel der Magazine in den kommenden Jahren die Luft ausgehen.“ Und: „Schon in diesem Jahr werden Zeitschriftentitel verschwinden, nicht nur die aus Hamburg. Einfach weil sie nicht mehr wirtschaftlich sind.“