Hamburg. Bei Wohnungen aus dem Bestand könnte das Niveau von 2020 erreicht werden. Was dennoch für einen Kauf spricht.

Man braucht vielleicht einige Jahrzehnte Berufserfahrung, um die Situation am Häuser- und Wohnungsmarkt so gelassen sehen zu können wie Wilfried Jastrembski, Leiter des Immobilienkundengeschäfts der Haspa: „Ist das eine Krise? Nein. Es ist eine notwendige Anpassung an veränderte Umstände.“ Damit meint er die Hypothekenzinsen, die im Laufe des Jahres 2022 von unter einem Prozent bis auf zeitweise mehr als vier Prozent hochgeschossen sind.

„Einen so kräftigen Zinsanstieg in so kurzer Zeit hat es noch nie gegeben“, sagt Jastrembski. „Das hat die Geschäftsgrundlage gegenüber den vergangenen zehn Jahren völlig verändert.“ Doch auch bis zu dieser Zinswende hätten im Immobiliensektor keine normalen Verhältnisse geherrscht. „Der Markt war gedopt durch das billige Geld der Europäischen Zen­tralbank“, sagt dazu Jens Ole Heitmann, der das Haspa-Immobilienkundengeschäft gemeinsam mit Jastrembski leitet.

Immobilien Hamburg: Bei Neubau-Objekten Preissenkung um zehn Prozent

Hamburger Immobilienbesitzer fragen sich nun, wie weit die Preiskorrektur, die im vergangenen Jahr begonnen hat, noch gehen wird. Einen „richtigen Crash“ mit Wertverlusten von 30 bis 40 Prozent auf breiter Front, wie man ihn in den USA in den Jahren 2007/2008 erlebte, befürchtet Jastrembski nicht: „So etwas passiert hier nicht. In Deutschland sind die Zinsen von Immobilienkrediten in der Regel nicht variabel, sondern langfristig festgelegt.“

Bei Neubau-Objekten könnten die Preise um maximal zehn Prozent sinken, erwartet Jastrembski. „Die Bauträger in Hamburg haben schon hohe Preise für die Grundstücke gezahlt, um überhaupt im Geschäft zu bleiben“, erklärt Heitmann. „Sie haben nicht viel Spielraum bei den Verkaufspreisen, und daher wird sich bei den Kaufpreisen von Neubauten auch nicht viel tun.“ Notfalls würden sie die Wohnungen zunächst selber vermieten. „Und außerdem kommt wegen der stark zurückgegangenen Neubautätigkeit ja auch nicht gleich ein Konkurrenzobjekt auf den Markt, mit dem die Käufer einen Bauträger unter Druck setzen könnten“, ergänzt Jastrembski.

Bei Bestandswohnungen Preisrückgänge um maximal 15 Prozent

Etwas anders sehe das bei Wohnungen aus dem Bestand aus. Aber auch hier erwartet der Experte keine dramatischen Preisrückgänge. „Die Falltiefe dürfte im Mittel bei maximal 15 Prozent liegen“ – womit wieder das Niveau des Jahres 2020 erreicht wäre. „Wer sich vor fünf Jahren in Hamburg eine Immobilie gekauft hat, hat keinen Grund, schlecht zu schlafen“, sagt Jastrembski. Mit spürbar höheren Wertverlusten müsse man allerdings zum Beispiel bei Einfamilien- oder Doppelhäusern aus den 1960er-Jahren auf großen Grundstücken und mit einem hohen Bedarf an energetischer Sanierung rechnen: „Wenn man in den nächsten Jahren bis zu 200.000 Euro in ein solches Objekt investieren muss, um die staatlichen Auflagen zu erfüllen, kann das den Preis jetzt um 20 bis 30 Prozent drücken.“

Aus der Sicht von Jastrembski machen private Kaufinteressenten womöglich einen Fehler, wenn sie auf noch niedrigere Preise spekulieren: „Genau jetzt könnte für Selbstnutzer der richtige Zeitpunkt sein, sich nach einer Immobilie umzusehen.“ Dafür sprächen schon die Bauzinsen, die zuletzt auf rund 3,6 Prozent abgesunken sind. „Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Hypothekenzinsen in einem Jahr wieder über vier Prozent liegen.“

Auch die Haspa hat den Einbruch stark gespürt

Hinzu komme, so der Experte: „Jetzt kann man verhandeln. Man wird nicht einer von zehn Interessenten sein, sondern vielleicht der einzige.“ Und nach Auffassung der Haspa-Manager spricht manches dafür, dass die Delle am Immobilienmarkt schneller überwunden ist als von vielen befürchtet. „Wir sehen Anzeichen dafür, dass sich der Markt schon im Sommer wieder leicht belebt“, so Heitmann. „Manche mittelständischen Investoren sind jetzt schon wieder auf der Suche nach Objekten, weil sie davon ausgehen, dass im nächsten halben Jahr die Chancen auf einen Kauf zu einem wirklich niedrigen Preis am größten sind.“

Natürlich hat auch die Haspa, die sich als der größte gewerbliche Immobilienfinanzierer in der Metropolregion sieht, den Einbruch bei den Transaktionen im eigenen Geschäft stark gespürt. Der gesamte Immobilienkreditbestand der Sparkasse liegt bei mehr als 30 Milliarden Euro, ein größerer Teil davon wird von den beiden Leitern des gewerblichen Immobiliengeschäfts verantwortet. „2021 war für uns ein Traumjahr“, sagt Jastrembski. „2022 lief es insgesamt auch noch ganz ordentlich, denn bis Mai ging es noch gut weiter, dann hat sich das Neugeschäft doch deutlich reduziert.“

Haspa ist bereit, über Vorverkaufsquoten zu sprechen

Außerdem haben sich die Bedingungen, unter denen dieses Geschäft abgewickelt wird, klar gewandelt. „Noch vor Kurzem musste ein Bauträger nicht einmal einen Grundriss vorlegen können, um seine Neubauwohnungen verkaufen zu können“, so Jastrembski. „Das war auch nicht gesund. Heute wollen die Kunden das Objekt schon sehen, bevor sie sich entscheiden.“

Aus diesem Grund sei die Haspa bereit, über die sonst bei der Kreditvergabe an Bauträger geforderten Vorverkaufsquoten zu sprechen. „Auf der anderen Seite fordert die Europäische Zentralbank heute höhere Eigenmittel bei Immobiliendarlehen. Während wir bei gewerblichen Immobilienkrediten noch vor Kurzem Eigenkapitalquoten bis herunter auf 15 Prozent zugelassen haben, können nun in manchen Fällen schon 40 Prozent notwendig sein.“

Immobilien Hamburg: Viele können sich eine Immobilie nicht mehr leisten

Doch auch für die privaten Immobilienkäufer sind die Hürden wesentlich höher geworden. Ein Beispiel dazu: Bei einem Kredit von 500.000 Euro, 1,0 Prozent Zinsen, 2,0 Prozent Tilgung und 300 Euro Nebenkosten lag bisher die monatliche Belastung bei 1550 Euro. Heute, bei 3,6 Prozent Zinsen und 500 Euro Nebenkosten, sind es schon rund 2800 Euro.

„Durch den Zinsanstieg und die heute deutlich höheren Wohnnebenkosten hat sich die monatliche Belastung so stark ausgeweitet, dass sich viele Menschen eine eigene Immobilie unter den aktuellen Bedingung nicht mehr leisten können“, räumt Jastrembski ein. „Dann müssen Banken einen Kredit ablehnen. Schließlich begleiten sie die Menschen bei einer Verschuldung für ihr Leben.“