Ludwigslust. Vater und Sohn entwickeln eine Heizung, die man an die Wand klebt. Im Mai soll sie lieferbar sein. Was sie kostet, wo es sie gibt.

Als Enkel eines selbstständigen Malermeisters in der DDR war es einst Jens Düwels Aufgabe, Kitt herzustellen. Immer sonntags, wenn sein Opa und sein Vater die Farben anrührten. Malerei Düwel steht immer noch auf der Schaufensterscheibe der Firma mpo-tec in Ludwigslust (Mecklenburg), rund eine Stunde Fahrzeit östlich von Hamburg. Der heute 56-Jährige und sein Sohn Hennes Röseler beschäftigen sich dort inzwischen mit anderen Dingen. Sie haben eine Tapete, die heizt, entwickelt. „Voraussichtlich ab Mai können wir liefern“, sagt Düwel.

Die Heiztapete ist einfach zu installieren

Das Prinzip der Heizung an der Wand ist recht einfach. Zunächst wird eine mit einer dünnen Schicht Grafit beschichtete Papierbahn mit normalem Kleister festgeklebt. Auf diesen Untergrund wird dann die normale Tapete befestigt. „Grafit ist extrem leitfähig“, weiß Düwel. Das Mineral an der Heiztapete ist – verborgen hinter der Fußleiste – an eine 24-Volt-Stromleitung angeschlossen. Fließt der Strom durchs Grafit, erwärmt sich die Tapete auf bis zu 40 Grad Celsius und heizt zugleich den Raum.

Seit gut zwei Jahre tüfteln Vater und Sohn an ihrer Alternative zu Heizungen im Fußboden oder mit klassischen Heizkörpern an der Wand. „Seit Ende 2022 ist das Produkt marktreif“, sagt Hennes Rö­se­ler. Der 26-Jährige hat nach dem Abitur eine Ausbildung zum Elektroniker in Automatisierungstechnik gemacht, studiert derzeit in Rostock auf Lehramt für die Fächer Arbeit, Wirtschaft, Technik sowie Sport.

Heiztapete spart Energiekosten – je nach Dämmung

Röseler ist der Mann für die Technik. Er hat zwei riesige gebrauchte Tintenstrahldrucker, auf denen früher Werbebanner entstanden, umgerüstet. Sie drucken die Grafittinte auf lange Papierbahnen. Teile der Technologie und des Verfahrens sind zum Patent angemeldet. „Das Vorprüfungsverfahren ist positiv gelaufen“, sagt Röseler. Derzeit bemühen sie sich bei mpo-tec um das CE-Kennzeichen für die Heiztapete.

Wie viele Tapetenbahnen mit je einem Quadratmeter Heizfläche an der Wand kleben müssen, um einen 30 Qua­dratmeter großen Wohnraum zu erwärmen, hängt stark von dessen Dämmung ab. „In einem Niedrigenergiehaus dürften zwei bis drei genügen. In einem schlecht gedämmten Haus aus den Siebzigerjahren können es zehn sein“, sagt Düwel. Er sieht als Kunden der Tapete, die heizt „jeden Menschen, der ökonomisch und ökologisch denkt und in Haus und Wohnung investieren will oder muss“.

Die Heiztapete von mpo-tec soll ganz einfach zu installieren sein.
Die Heiztapete von mpo-tec soll ganz einfach zu installieren sein. © HA | Michael Rauhe

Heiztapete kann man durchbohren

In Neubauten oder im Zuge von Sanierungen sei die Heiztapete in jedem Fall eine Option. Düwel taxiert die Kosten für die Umrüstung eines Einfamilienhauses auf etwa 12.000 bis 15.000 Euro. Und er sieht Kostenvorteile gegenüber einer anderen Art des Heizens.

„Für ein Neubau-Objekt mit vier Wohnungen hat der Bauherr für eine Wärmepumpenheizung einen Kostenvoranschlag über 126.000 Euro bekommen, wir können unser System für 86.000 Euro installieren. Und dann sind die Wohnungen bereits tapeziert und gemalt.“ Bei Sanierungen und Umrüstungen sei das A und O eine gute Dämmung des Gebäudes. „Eine Kleingartenlaube sollte man damit sicher nicht ausstatten.“ Die Heiztapete zu durchbohren sei kein Problem.

Heiztapeten-Set kostet rund 600 bis 800 Euro

Zu kaufen sind sie derzeit noch nicht. „Es gibt aber eine Warteliste von Privatkunden und Handwerksbetrieben“, sagt Röseler. Neulich hat mpo-tec die Tapete auf der Messe Heimtextil präsentiert. Eine Baumarkt- und eine Supermarktkette seien nun interessiert, heißt es. Vermarkten will die Firma das Produkt zudem über Handwerksbetriebe und in Komplett-Sets für Heimwerker.

„Mit ein wenig handwerklichem Geschick kann man die Tapete auch selbst anbringen“, sagt Düwel. Ein Set mit vier der 2,70 Meter langen Bahnen werde inklusive Montagezubehör und Trafo voraussichtlich 600 bis 800 Euro kosten. „Die Anlage muss aber von einer Fachkraft für Elektronik abgenommen werden“, ergänzt sein Sohn. Und die Energiekosten?

Hamburger Professor: Das könnte funktionieren

Die Entwickler geben einen Betrieb mit 150 oder 250 Watt Verbrauch pro Qua­dratmeter Heiztapete an. Weil die Wärme von der Wand sich weniger gut in den Raum hinein ausbreitet als beim klassischen Heizkörper, muss die Tapetenheizung aber lange laufen, um eine angenehme Temperatur zu schaffen. Jens Düwel sagt: „Wir haben eine 77 Quadratmeter große Wohnung testweise ausgestattet, in der nur mit unserem System geheizt wird. Dafür werden pro Jahr etwa 1600 Kilowattstunden Strom benötigt.“

Im Prinzip könne das durchaus funktionieren, sagt Professor Torsten Birth, der an der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften Anlagenbau in der Energietechnik lehrt, beim Blick auf die Tapete mit Grafit-Beschichtung. Die Effektivität einer solchen Heizung an der Wand müsse man aber aus seiner Sicht infrage stellen. Professor Birth sieht eher Vorteile in der Verwendung einer Fußbodenheizung.

Alternativen zur Heiztapete

Jens Düwel und Hennes Röseler sind jedenfalls nicht die Ersten und Einzigen, die am Thema arbeiten. So bietet die Norderstedter Firma Rebotherm nach eigenen Angaben bereits seit 2013 sogenannte Heizfarbe mit wärmeleitendem Carbon und Grafit an. Erwärmt wird der Anstrich mit Strom, der durch dünne Kupferleitungen unter der Farbe an der Wand fließt. Rebotherm gibt für die Ausstattung eines 120-Quadratmeter-Hauses nach KfW 55-Standard Investitionskosten in Höhe von 9500 bis 12.000 Euro an.

Heizfolie und Infrarot-Heizungen

Das Unternehmen hat zudem Heizfolie und Infrarot-Heizungen im Portfolio, die man an Wand und Decke installieren lassen kann. „Unsere Produkte sind schon in Teilen der Elbphilharmonie und im Museum für Hamburgische Geschichte eingesetzt worden“, sagt Rebotherm-Chef Udo Reifschläger. Und auch er ist davon überzeugt, dass seine Anlagen bei der Investition günstiger als eine Wärmepumpe seien, bei den Betriebskosten mindestens gleichwertig – wenn die Pumpe die Umgebungsluft nutze. Ebenfalls auf Carbon setzt seit 2019 die Firma FutureCarbon aus Bayreuth für ihre Wand- und Deckenheizungen ohne Heizkörper.

Jens Düwel ist eher skeptisch, ob das mit der Heizfarbe wirklich funktioniert. Die mit Grafit beschichtete Tapete von mpo-tec lasse sich auch unter Dekorputz oder Fliesen einsetzen, sagt er. Nun müssen erst einmal die Produktionen verlässlich laufen und das Material geliefert werden, das die Firma extern zukauft. „Bislang haben wir etwa 200.000 Euro investiert“, sagt der Ältere im Vater-Sohn-Duo über das Projekt. In einem Punkt läuft es bei mpo-tec in Ludwigslust jetzt ein bisschen so wie damals, als Düwel in der DDR ein kleiner Junge war. Die Grafittinte für den Tapetendrucker mischt er selbst an.