Hamburg. An der Börse sind die Notierungen zuletzt stark gefallen, beim Verbraucher kommt das aber bisher nur in Teilen an. Was Experten sagen.
Derzeit ist die Situation rund um die Kosten für die Gasheizung sehr unübersichtlich: Zwar sind die Gaspreise an der Börse in den vergangenen Wochen kräftig gesunken. Dennoch erhöhen sich die Preise für Verbraucher aktuell noch immer bei vielen Anbietern. Hinzu kommen die Effekte der von der Bundesregierung beschlossenen Gaspreisbremse. Was bedeutet diese Entwicklung nun für die Kunden? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Gaspreisen.
Was steckt hinter dem Rückgang des Börsenpreises für Gas?
Der Erdgas-Börsenpreis bewegte sich in den vergangenen Tagen bei rund 70 Euro je Megawattstunde (MWh) beziehungsweise rund 7,0 Cent je Kilowattstunde (kWh), nachdem er Anfang Dezember fast doppelt so hoch notierte und im August sogar bei mehr als 300 Euro je MWh lag. Dazu hätten mehrere Faktoren beigetragen, erklärt Michael Berlemann, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI).
„Die Industrie hat Gas gespart, teilweise wegen konjunktureller Einschränkungen der Produktion, vor allem aber durch Substitution von Gas durch andere Energieträger wie Öl oder Kohle“, so Berlemann. „Haushalte haben vorsichtiger geheizt, hier spielt natürlich auch der bisher vergleichsweise milde Winter eine Rolle.“ Gleichzeitig seien die Gasspeicher gut gefüllt, sodass in diesem Winter keine Gasmangellage mehr drohe. Zudem sei die Versorgung mit Flüssiggas zunehmend gesichert; das erste LNG-Terminal in Wilhelmshaven sei am Netz, und schon bald kämen weitere dazu. „Eine sinkende Nachfrage trifft also auf ein mindestens stabiles Angebot, dies lässt die Preise sinken“, so Berlemann.
Wie entwickeln sich die Verbraucherpreise?
Hier zeigt sich ein uneinheitliches Bild. Auf der einen Seite sind die durchschnittlichen Preise für Neukunden nach Erhebungen des Vergleichsportals Verivox seit Mitte Dezember von mehr als 4000 Euro pro Jahr – bezogen auf einen Jahresverbrauch von 20.000 kWh – zuletzt auf weniger als 3000 Euro zurückgegangen. Andererseits verzeichnet Verivox für 2023 bereits 397 Fälle von Preiserhöhungen in der Gas-Grundversorgung. Betroffen davon seien rund 3,2 Millionen Haushalte.
Die Erhöhungen machten im Schnitt 25,2 Prozent im Vergleich zum 30. September aus, was Mehrkosten von durchschnittlich 500 Euro pro Jahr bei einem Verbrauch von 20.000 kWh mit sich bringe. Das Problem sei, „dass Stadtwerke und Energieversorger schrittweise einkaufen“, sagte dazu der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, den Sendern RTL und ntv: „Das heißt zu teuren Preisen im letzten Jahr und etwas günstigeren Preisen jetzt.“ Dies führe dazu, dass Entlastungen in der Breite erst in ein paar Monaten bei den Gaskunden ankommen werden
Wie stark wirkt die Gaspreisbremse?
Für den Großteil des Verbrauchs privater Haushalte werden hohe Arbeitspreise in diesem Jahr durch die Gaspreisbremse abgepuffert. Denn für 80 Prozent des im September 2022 auf Basis des zurückliegenden Jahres prognostizierten Verbrauchs wird der Preis bis April 2024 auf 12,0 Cent je kWh gedeckelt. Dies wird ab dem 1. März in den Abschlägen berücksichtigt, für die Monate Januar und Februar soll es schließlich eine rückwirkende Entlastung geben. Nach Berechnungen des Vergleichsportals Check24 wird durch die Gaspreisbremse ein Kunde mit einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh bei dem aktuellen durchschnittlichen Arbeitspreis von 18,4 Cent je kWh um 1024 Euro pro Jahr entlastet, ein Kunde mit einem Verbrauch von 5000 kWh um 256 Euro. „Dennoch werden die Haushalte deutlich mehr als in den Vorjahren bezahlen müssen“, sagt Verivox-Energieexperte Thorsten Storck.
Wie geht es mit den Gaspreisen weiter?
„Es ist nicht zu erwarten, dass die Gaspreise zurück zu ihrem ursprünglichen Niveau vor dem Angriffskrieg Russlands zurückkehren werden“, sagt HWWI-Direktor Berlemann. Zwar sei die Nachfrage zuletzt wegen der bereits angeführten Gründe gesunken. Es sei aber alles in allem „weniger Gas auf dem Weltmarkt vorhanden, da faktisch viele Staaten kein Gas mehr aus Russland kaufen oder mangels Pipelines kaufen können“, so der Wissenschaftler. Somit werde der Preis tendenziell höher bleiben als vor Kriegsbeginn. Für den Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller spricht vieles dafür, „dass wir ein Preisplateau erreicht haben, mit dem wir die nächsten ein bis zwei Jahre rechnen können“, wie Müller der „Bild am Sonntag“ sagte.
Lohnt sich ein Wechseldes Anbieters jetzt wieder?
„Erstmals seit einem Jahr gibt es jetzt wieder Neukunden-Angebote, die günstiger sind als die Grundversorgung – das ist ein gutes Zeichen“, sagt Jan Bornemann, Energieexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. Das gilt nun auch für Kunden in Hamburg: Nachdem der Grundversorger E.on den entsprechenden Tarif zum 1. Februar anhebt, liegen mehrere alternative Anbieter darunter.
Das ist zumindest für den Teil des Verbrauchs relevant, der nicht durch die Gaspreisbremse auf 12,0 Cent je kWh gedeckelt ist. Wem es jedoch gelingt, den Verbrauch gegenüber dem prognostizierten Wert zu senken, der muss sich über einen hohen Arbeitspreis entsprechend weniger Gedanken machen – er wird sogar zusätzlich belohnt: Man bekommt dann am Ende des Jahres im Rahmen der Abrechnung Geld zurück, und zwar die eingesparte Menge multipliziert mit dem höheren Vertragspreis. Bei einer Einsparung von 20 Prozent zum aktuellen durchschnittlichen Arbeitspreis von 18,4 Cent je kWh wären das 736 Euro. „Ich kenne Haushalte, die eine Verbrauchssenkung in dieser Größenordnung geschafft haben“, sagt Bornemann.
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Was gilt für Fernwärme-Kunden?
Für sie hat die Bundesregierung eine Wärmepreisbremse beschlossen, die genauso funktioniert wie die Gaspreisbremse, nur dass der Preisdeckel bei 9,5 Cent je kWh für 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs liegt. Bei Wärme Hamburg beträgt der Fernwärmepreis derzeit 10,658 Cent je kWh. Auch für Fernwärme-Kunden sieht die Bundesregierung eine Erstattung bei Verbrauchssenkungen gegenüber der Prognose nach dem Muster der Gaspreisbremse vor.
Gibt es Entlastungen für das Heizen mit Öl oder Holzpellets?
Nach Angaben des Internet-Vergleichsportals Check24 zahlt ein Musterhaushalt (Einkauf von 2000 Litern, Familie im Reihenhaus) aktuell im Schnitt 2681 Euro im Jahr für das verbrauchte Heizöl – also mehr als ein Musterhaushalt mit Gasheizung unter Berücksichtigung der Gaspreisbremse. Auch wer mit Öl oder Holzpellets heizt, soll Hilfen in Höhe von maximal 2000 Euro pro Haushalt im jeweiligen Bundesland beantragen können, wobei eine Rechnung aus dem vergangenen Jahr vorgelegt werden muss, wie aus den Bestimmungen hervorgeht. Voraussetzung für die Unterstützung ist nach Angaben der Verbraucherzentrale, dass sich der Preis im Vergleich zum Jahr 2021 mehr als verdoppelt hat. Details zu der Regelung und der Antragstellung stehen aber noch nicht fest. Sie müssen von der Politik noch festgelegt werden.