Hamburg. Privatjet und Butler-Service werden nicht mehr nur von älteren Reisenden nachgefragt. Die Trends für den großen Geldbeutel.
Nach den zwangsweise recht sparsamen Jahren der Pandemie gönnen sich die Hamburger in Sachen Urlaub wieder mehr Luxus. Sogar Annehmlichkeiten wie die Anreise per Privatjet, Service vom Butler, der Törn auf dem edlen Windjammer erfreuten sich immer größerer Beliebtheit, sagt Roman Melzer von Roman.traveldesign in Winterhude. Das Reisebüro am Poelchaukamp ist ohnehin auf Luxusreisen spezialisiert – und schon vor Corona erlebte Melzer ein kontinuierliches Plus von zehn bis 20 Prozent jährlich bei sehr hochpreisigen Buchungen.
Der Grund: Die Zielgruppe habe sich in den vergangenen zehn Jahren stark verbreitert. Früher hätten Personen ab 45 bis ins Rentenalter Reisen für Summen im fünfstelligen Euro-Bereich gebucht, heute gäben viele Menschen schon in den Zwanzigern bereits mehr als 10.000 Euro für einen Luxustrip aus. „Junge Leute sind viel großzügiger geworden mit sich selbst, sie warten nicht bis ins Rentenalter“, beobachtet Melzer das Ausgabeverhalten der Hamburger. Bei manchen sei es geerbtes Geld, zuweilen seien die Jüngeren aber schon in tollen Positionen – und sie gäben das Verdiente gerne aus. Etwa für Trips nach São Tomé und Príncipe, einem afrikanischen Inselstaat am Äquator, oder Touren durch Kolumbien mit Dschungellodge und Anreise im Luxuszug.
Urlaub: Hamburger fragen verstärkt Luxusreisen nach
Auch beim Deutschen Reiseverband (DRV) wird der Trend beobachtet: „Generell ist zu erkennen, dass sich viele Bundesbürger nach zwei Pandemiesommern im vergangenen Sommer bei ihrer Urlaubsreise mehr gegönnt haben. Es wurden damals oft höhere Hotelkategorien gebucht – etwa statt eines Vier-Sterne-Hotels ein Fünf-Sterne-Haus. Überdurchschnittlich gut gebucht waren zudem etwas höherpreisige Ziele wie etwa die Malediven, die bei den Buchungsumsätzen sogar über den Werten von dem Vor-Corona-Jahr 2019 lagen“, heißt es von dem Branchenverband. Das steigende Ausgabeverhalten setze sich auch im gerade laufenden Winter fort.
Etliche Anbieter in Hamburg profitieren von der Beliebtheit teurer Trips. der Amerika-Spezialist Canusa etwa: „Wir erleben derzeit eine sehr starke Nachfrage für unsere Ziele in Nordamerika. Das Buchungsvolumen liege in den vergangenen zwei Monaten klar über dem Vergleichszeitraum 2019. Dabei würden bei den ohnehin aufwendigen Fernreisen etwa nach Hawaii, Kanada oder Alaska häufiger „höhere Qualitäten und somit finanziell aufwendigere Buchungen gewählt“, heißt es bei dem Veranstalter aus Wandsbek.
Selbst gebuchte Flüge: Die Zeit der Billigangebote sind vorerst vorbei
Derweil werden viele Reisen schon durch die gestiegenen Preise zum Luxus: So sind bei selbst gebuchten Flügen die Zeiten der Billigangebote vorerst vorbei, wie unter anderem eine Untersuchung der Kreditkartengesellschaft American Express zeigt. Vor allem für Asien und Australien sieht die Analyse hohe Preiszuwächse. Grund sind fehlende Kapazitäten, steigende Kosten für Personal und Kerosin sowie Wechselkursschwankungen.
Ein Grund für vergleichsweise hohe Ticketpreise in Mitteleuropa ist die starke Position des Lufthansa-Konzerns in seinen Kernmärkten. Preisbrecher wie die irische Ryanair, die bereits im vergangenen Jahr wieder mehr Passagiere als vor der Pandemie flog, weiten ihr Angebot lieber in anderen europäischen Märkten aus. Und: Schon 2022 ist der deutsche Luftverkehrsmarkt langsamer gewachsen als fast überall in Europa. Nach Einschätzung des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft wird das auch 2023 so bleiben. Gerade bei Reisen von und nach Nordamerika können Lufthansa und andere Fluggesellschaften gerade Höchstpreise verlangen, denn für US-Bürger sind Flüge nach Europa wegen des stärkeren Dollar derzeit preiswerter. Flugzeuge und Piloten sind zudem knapp, was das Angebot verkleinert.+
Besonders viele Flüge per Privatjet auf den Strecken Hamburg–Sylt
Beliebt sind bei der betuchten Kundschaft trotz der ohnehin höheren Kosten neben einer höheren Zahl an Flügen in der Businessclass auch Reisen mit dem Privatjet. Beim Reisebüro Roman.traveldesign gibt es hier ein klares Plus, zeigt sich der in St. Georg lebende Inhaber des Reisebüros überrascht. „Eigentlich haben wir eine Stadt des Understatements, aber die Nachfrage ist unglaublich“, sagt der Kaufmann. Früher hätte er etwa zehn Buchungen für diese kleinen Jets im Jahr gezählt, jetzt seien es 20 bis 25 Buchungen. Zu 95 Prozent handele es sich um Flüge auf der Mittelstrecke in Europa. „Etwa zur Trüffelsuche nach Umbrien“, da man für dieses Ziel andernfalls keinen Direktflug bekäme. Andere Gründe seien die direkte Betreuung durch den Piloten bei Kunden mit Flugangst, oder der Transport eines großen Hundes, der bei herkömmlichen Flügen nicht mit in die Kabine dürfe.
Die Europäische Flugsicherheitsorganisation Eurocontrol zählte zuletzt besonders viele Flüge per Privatjet auf den Strecken Hamburg–Sylt oder Berlin–München. Bei längeren Flügen war der mit Abstand häufigste Zielort Mallorca. Beispiel für die Kosten: Von Hamburg nach Mallorca nehmen Privatjet-Anbieter 15.000 bis 20.000 Euro für die einfache Strecke.
Reisebüros spezialisieren sich auf außergewöhnliche Urlaubserlebnisse
Für das verwöhnte Publikum kann es aber auch noch andere Annehmlichkeiten geben: Zahlreiche Reisebüros und -veranstalter hätten sich auf Urlauber, die individuelle und außergewöhnliche Reiseerlebnisse suchen, spezialisiert, heißt es beim DRV. Das Spektrum reiche von Schiffstouren auf Privatyachten oder edlen Kreuzfahrtschiffen, über spezielle Ausflügen mit Chauffeur, Dienstleistungen vom Butler bis zum eigenen Babysitter auf der Reise.
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„Wir sind mit dem aktuellen Buchungsverlauf sehr zufrieden“, heißt es auch von Seacloud. Der Anbieter für Luxus-Segeltörns ist seit gut 40 Jahren im Markt, nach dem Motto „klein und fein“. Diese Spezialisierung zahle sich jetzt ganz besonders aus, teilt der Hamburger Anbieter mit seinen edlen Windjammern mit. „Kleine Schiffe, nachhaltige Angebote, Reisen in seinem ursprünglichen Sinn – das alles zählt heute mehr als je zuvor“, sagt ein Firmen-Sprecher über die Kreuzfahrten auf den legendären Segelyachten, auf denen auch schon mal Starpianist Igor Levit am Steinway-Flügel für anspruchsvollen Musikgenuss auf See sorgt. „Das hat sicherlich auch etwas mit den Konsequenzen aus den Pandemie-Erfahrungen zu tun. Aber wir erkennen auch ein beginnendes Umdenken insbesondere im Premium-Segment der Kreuzfahrten“, heißt es. Und weiter: „Das Erlebnis, zur See zu fahren, hat einen deutlich höheren Stellenwert bekommen als die vielen bunten und manchmal auch etwas lauteren Angebote auf größeren Schiffen.“