Hamburg. Immer mehr Hamburger können sich als Rentner ihr Haus nicht mehr leisten. Welche Möglichkeiten es gibt – der Überblick.
Der Vortragsraum in der Verbraucherzentrale Hamburg ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Das Thema: „Was tun mit der Immobilie im Alter?“ hat rund drei Dutzend Zuhörer angelockt. „Der Beratungsbedarf zu diesem Thema ist enorm“, sagt Alexander Krolzik, Jurist der Verbraucherzentrale. „Der Andrang war so groß, dass wir gleich im Anschluss noch einen weiteren Vortrag angesetzt haben.“
Auf viele Immobilienbesitzer kommen in den nächsten Jahren hohe fünfstellige Ausgaben zu. Ob sie nun die Heizung erneuern oder das Dach neu decken wollen: In jedem Fall wird der Staat hohe energetische Auflagen machen, wie das zu erfolgen hat. Die Stichworte: erneuerbare Energie bei der Heizung und Solardachpflicht. Im Kern geht es bei dem Vortrag des Verbraucherschützers darum, wie sich aus der Immobilie im Alter Geld ziehen lässt, ohne dass man ausziehen muss.
Das Abendblatt gibt einen Überblick:
Wie ist die Situation älterer Immobilienbesitzer?
„30 Prozent haben noch Schulden auf ihrer Immobilie, wenn sie in Rente gehen“, sagt Krolzik. Rund 40 Prozent der Immobilienbesitzer sehen, dass mit dem Ruhestand das Geld knapper wird, 14 Prozent fürchten Altersarmut. Das geht aus einer Studie des Teilverkauf-Anbieters Engel & Völkers Liquid Home hervor. Verschärft wird die Situation durch die hohe Inflation. „Die extremen Kostensteigerungen treiben die älteren Immobilienbesitzer um, die oft keine hohe Rente haben“, sagt Georg F. Doll, Geschäftsführender Gesellschafter der WIR WohnImmobilienRente in Hamburg. Um an Geld zu kommen, ist die Immobilie oft die einzige Möglichkeit.
Wäre ein Verkauf nicht die beste Lösung?
Noch sind die Immobilienpreise in Hamburg hoch. „Ein Verkauf und Auszug ist eine sehr rationale Lösung“, sagt Krolzik. Denn es ist nicht sicher, wie sich die Immobilienpreise für ältere Objekte künftig entwickeln. Doch emotionale Aspekte spielen eine große Rolle. „Die Immobilienbesitzer wollen nicht ihr vertrautes Umfeld verlassen, und angesichts der hohen Mieten in Hamburg geht die Rechnung auch finanziell nicht auf, selbst wenn die künftige Wohnfläche deutlich geringer ist“, sagt Doll.
Wie findet man die beste Lösung?
„Zunächst muss man sich darüber klar werden, was man mit der Verwertung der Immobilie erreichen möchte“, sagt Krolzik. Geht es um regelmäßige Einkünfte zur Aufbesserung der Rente oder einen einmaligen Betrag? Auch mit den Erben sollte gesprochen werden, denn in vielen Fällen gehört die Immobilie dann einem Fremden. Die Geldquelle Eigenheim gibt es in zwei Varianten: Ohne Eigentümerwechsel bieten sich Seniorenkredit, Umkehrhypothek und die Teilvermietung an. Mit Eigentümerwechsel kommen der Teilverkauf, die sogenannte Leibrente mit Wohn- oder Nießbrauchrecht und der Verkauf mit Rückmietung in Betracht.
Wie funktioniert ein Teilverkauf?
Meist wird ein Mindestwert der Immobilie von 200.000 Euro für einen Teilankauf verlangt. Maximal können 50 Prozent veräußert werden. Angenommen, das Einfamilienhaus hat einen Wert von 500.000 Euro und man verkauft 40 Prozent, so erhält der Verkäufer 200.000 Euro vom Anbieter ausgezahlt. Zwar zieht in die andere Hälfte niemand ein, aber die Anbieter verlangen eine Nutzungsgebühr, die auf einen bestimmten Zeitraum festgeschrieben wird. Bei EV LiquidHome und Deutscher Teilkauf beträgt sie monatlich 832 Euro bei einer zehnjährigen Festschreibung.
Das ergibt sich aus einem Zinssatz von 4,99 Prozent, der auf die Auszahlungssumme gerechnet wird. Nach zehn Jahren ist damit die Hälfte des ausgezahlten Geldes schon wieder an den Ankäufer geflossen. Gegenüber dem Jahr 2021 ist die Nutzungsgebühr bei beiden Anbietern heute rund 65 Prozent höher – eine Folge der gestiegenen Zinsen, denn die Anbieter finanzieren den Teilankauf. Sind auf dem Haus noch Schulden, müssen sie zunächst mit dem Geld abgelöst werden.
Was passiert nach zehn Jahren?
Dann muss über einen weiteren Nutzungszeitraum neu verhandelt werden, oder es kommt zum Verkauf der Immobilie. Erben können den veräußerten Immobilienteil zurückkaufen – zum dann aktuellen Wert.
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Was muss man noch beachten?
Beim Teilverkauf müssen die Bewohner in der Regel für die Instandhaltung der Immobilie selbst aufkommen. Manche Anbieter beteiligen sich zwar in einem gewissen Umfang. Dann fällt aber das Nutzungsentgelt höher aus. In ihren Beispielrechnungen gehen alle Anbieter grundsätzlich von steigenden Immobilienpreisen aus. „Wenn wir von der Wertentwicklung nicht überzeugt sind, kaufen wir die Immobilie nicht an“, sagt Marian Kirchhoff, Geschäftsführer der Deutschen Teilkauf.
Nach einer Untersuchung der Stiftung Warentest ließen sich alle Anbieter zusichern, bei einem späteren Verkauf mindestens ihren Kaufpreis plus einen Aufschlag von bis zu 17 Prozent zu erhalten. Stagnieren oder fallen die Preise, müssen die Bewohner empfindliche Einbußen hinnehmen, zeigt die Stiftung Warentest an einer Beispielrechnung. Außerdem fallen meist weitere Gebühren für Service, Abwicklung oder Makler beim Verkauf an.
„Wir verzichten auf ein Durchführungsentgelt beim Gesamtverkauf“, sagt Kirchhoff. Wer das Nutzungsentgelt nicht mehr zahlen kann, läuft Gefahr, dass er aus der Immobilie ausziehen muss, weil der Teilankäufer den Verkauf einleitet. Verbraucherschützer Krolzik will das Modell nicht komplett verdammen. Es könne in Einzelfällen eine Lösung sein, „ist aber die heikelste alle Varianten“. Dafür sprechen auch die 30 bis 50 Seiten starken Verträge der Anbieter.
Welche Möglichkeiten bietet der Verkauf der Immobilie?
Die Besitzer verkaufen die Immobilie und lassen sich im Gegenzug ein lebenslanges Wohn- oder Nießbrauchrecht zusichern, möglichst im ersten Rang des Grundbuches. Beim Wohnrecht ist der Käufer für die Instandhaltung zuständig, beim Nießbrauch die Bewohner. Allerdings klafft eine große Lücke zwischen dem Verkehrswert der Immobilie und dem, was die Kunden als Rente oder Einmalzahlung bekommen.
Die Höhe der Rente hängt vor allem vom Verkehrswert der Immobilie und vom Alter der früheren Besitzer ab. Je älter die Besitzer, desto höher können die monatlichen Zahlungen ausfallen. WIR ImmobilienRente hat errechnet, was je nach Alter vom Immobilienwert zur Auszahlung kommt (siehe Grafik). Bei einem Ehepaar, beide 75 Jahre alt, wären das gerade einmal 44 Prozent. Die Auszahlung kann als Einmalbetrag oder kombiniert mit einer Rente erfolgen, die allerdings nicht mehr lebenslang fließt. „Lebenslange Renten können nur Versicherungen gewähren“, sagt Doll.
Wie sicher sind die beiden Varianten?
Das Wohnrecht gilt nur für die jeweilige Person und erlischt bei Auszug, etwa ins Pflegeheim. Mit Nießbrauch bleibt man wirtschaftlicher Eigentümer, kann die Immobilie also auch vermieten. Am sichersten ist der Verkauf gegen Einmalzahlung. Leibrenten sollten über das Grundbuch abgesichert sein. Wird ein Teilkäufer insolvent, bleibt das Nießbrauchrecht bestehen, wenn es erstrangig im Grundbuch steht, was aber nicht bei allen Anbietern der Fall ist.
Steht es nur im zweiten Rang nach der finanzierenden Bank, besteht die Gefahr, dass das Nießbrauchrecht bei einer Zwangsversteigerung erlischt. Die Bewohner bekommen zwar den Wert ihres Rechts ausgezahlt, müssen aber ausziehen. Um das zu verhindern, sind noch spezielle Regelungen nötig.
Welche Alternativen gibt es noch?
Neben dem Verkauf mit Rückmietung auf Lebenszeit bleiben noch Kredite, die auf die Immobilie aufgenommen werden können. Bei der Umkehrhypothek handelt es sich um einen Kredit, der erst nach Ende der Laufzeit durch den Verkauf der Immobilie zurückgezahlt wird. Während der Laufzeit fallen keine laufenden Zinsen und keine Tilgung an. Deshalb spricht man auch von einem Immobilienverzehrkredit. Leider gibt es kaum Anbieter dafür.
Der Schuldenstand erhöht sich bis zum Laufzeitende und Zinsen werden nur für den in Anspruch genommenen Betrag berechnet. Zahlt die Bank monatlich einen festen Betrag aus, baut sich der Schuldenstand zunächst nur langsam auf. Nach einer Beispielrechnung könnte ein Mann im Alter von 75 Jahren für 15 Jahre monatlich 1800 Euro bekommen. Voraussetzung: ein Immobilienwert von 700.000 Euro. Die Banken kalkulieren sehr vorsichtig.
„Die Umkehrhypothek ist nicht an die Bonität der Kreditnehmer gebunden“, sagt Doll. „Die Immobilie wird erst bei Auszug oder Tod des Besitzers von der Bank verwertet. Sie allein trägt das Kalkulationsrisiko, wenn die Rentenzahlungen den Wert der Immobilie übersteigen sollte.“ Es kann auch ein Kredit auf die Immobilie aufgenommen werden, bei dem die Tilgung ausgesetzt wird. Der Seniorenkredit erfordert aber eine schuldenfreie Immobilie. Bei einer Laufzeit von 20 Jahren liegen die Zinsen bei rund vier Prozent.