Hamburg. Viele Stromtankstellen entsprechen nicht dem deutschen Eichrecht. Anbieter sind alarmiert. Das sind die Folgen für die Nutzer.
Viele Fahrer von Elektroautos sind genervt. Sie haben aktuell mit höheren Stromkosten zu kämpfen, können nur noch selten kostenfrei an den Ladesäulen parken und finden oft nicht genügend (funktionstüchtige) Stationen, an denen sie ihren Wagen aufladen können. Dabei sind die Ziele im Sinne des Klimaschutzes ehrgeizig: Hamburg möchte die E-Mobilität stärken, allein die städtischen Ladepunkte sollen bis Ende 2025 auf 2000 ausgebaut werden.
Doch jetzt droht der für die Mobilitätswende so dringend benötigten Infrastruktur für die batteriebetriebenen Fahrzeuge ein empfindlicher Rückschlag. Denn die meisten der öffentlichen Schnellladestationen sind nicht gesetzeskonform, etwa die weiß-roten Supercharger von Tesla. Sie entsprechen nicht dem Eichrecht. Das heißt, dass an Hunderten Ladesäulen in Hamburg die Zahl der abgenommenen Kilowattstunden geringer sein kann als abgerechnet.
Elektroautos: Hunderte E-Ladestationen in Hamburg müssen ersetzt werden
Die Folge: Die Anlagen müssen ersetzt oder nachgerüstet werden. „Und das wird noch lange dauern, etwa bis zum nächsten Frühjahr“, sagt Katharina Boesche, Anwältin mit dem Themenschwerpunkt Elektromobilität. Schließlich müssten die Hersteller die gesetzlichen Vorgaben erfüllen und dazu entweder die gesamten Säulen oder Teile ersetzen.
Bislang hätten erst vier Hersteller die entsprechende Zertifizierung bekommen, darunter ABB und Porsche. Bei Tesla, Tritium oder Efatec sei dies nicht der Fall, sagt die Juristin, die auch das Bundeswirtschaftsministerium in Sachen Elektromobilität berät.
E-Ladestationen: Behörden müssen die Umrüstung begleiten
Die Behörden müssen die Umrüstung begleiten – und helfen, wenn nötig, mit Bußgeldern nach, heißt es nun auf Anfrage unserer Zeitung: „Allen Betreibern wurde auferlegt, die bestehenden Ladeeinrichtungen so schnell wie möglich in einen eichrechtskonformen Zustand zu versetzen“, sagt Dominic Völz, Pressereferent der zuständigen Behörde für Wirtschaft und Innovation in Hamburg. Teilweise würden die Stationen umgerüstet, teilweise neu aufgestellt.
Ein teures Vergnügen, denn die besonders leistungsfähigen Ladestationen kosten schnell mehrere Zehntausend Euro. Wenn Hersteller das Thema nicht ambitioniert verfolgen, drohen Strafen: „Sollten sich Anhaltspunkte ergeben, dass die Betreiber den Plan zur Umrüstung nicht mit der notwendigen Konsequenz verfolgen, ahnden die Eichbehörden die Betreiber mit den durch das Mess- und Eichgesetz vorgegeben Möglichkeiten, etwa durch Bußgelder“, ergänzt Behördensprecher Völz.
Falsche Abrechnungen bei E-Ladestationen in Hamburg?
Das Problem: Bei Tests haben Wissenschaftler ermittelt, dass Schnellladesäulen ohne eichrechtliche Prüfung teilweise mehr Kilowattstunden anzeigten, als am Stecker gemessen wurden – manchmal erreichte die Abweichung sogar sieben Prozent. Die Kunden bezahlten also mehr Strom, als sie geliefert bekamen, ist das Ergebnis der Untersuchung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig.
Ursache seien etwa Energieverluste in Form von Wärme – zum Beispiel an den Kabeln der Schnellladestationen, an denen sich E-Autos, je nach Modell, in weniger als einer halben Stunde vollständig aufladen lassen.
E-Ladestationen fehlerhaft: Anbieter in Hamburg alarmiert
Wie viele der gut 10.000 Schnellladesäulen in Deutschland fehlerhaft abrechnen, ist unbekannt. Allerdings betont Fachanwältin Katharina Boesche, dass die Kunden nicht wirklich mit hohen finanziellen Einbußen rechnen müssten. Dafür seien die Ungenauigkeiten zu gering. Auch Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer beruhigt: „Die Eichung ist eine Vorschrift, um falsche Stromabrechnungen auszuschließen. Ich gehe aber davon aus, dass die Super-Charger sehr wohl saubere Abrechnungen ermöglichen, denn sie stehen ja weltweit. Es ist eher eine Art deutscher Tüv-Stempel, der hier fehlt“, sagt der Direktor vom Car-Center Automotive Research in Duisburg.
In Hamburg reagiert aber nun nicht nur die Stadt als Anbieter von 1400 Stationen. Denn noch einmal 600 Ladepunkte sind bei privaten Betreibern untergebracht, etwa auf Supermarkt-Parkplätzen oder in den Tiefgaragen der Hotels. Auch hier sind Anbieter alarmiert und tauschen die Geräte aus.
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Hamburger mit privaten Ladesäulen haben kein Problem
„Wir haben uns dazu entschlossen, die E-Ladeinfrastruktur auszubauen“, sagt Axel Bethke, Direktor des Hotels Grand Elysée. „Zu diesem Zweck werden wir die Ladestationen von Tesla außer Betrieb nehmen und durch mehrere einheitliche Stationen, die dem deutschen Eichrecht entsprechen, ersetzen.“ Den Gästen sei aber kein Schaden entstanden. Denn diese können die Ladestationen „aktuell kostenfrei nutzen“, sagt Bethke über die fünf Säulen in der Parkgarage an der Rothenbaumchaussee.
Andere Betreiber der betroffenen Tesla-Säulen sind etwa die Hotels der Gruppen Lindner und Relexa sowie das Privathotel Lindtner in Heimfeld. Sie äußerten sich auf die Abendblatt-Anfrage nicht zu dem Thema. Auch von Tesla gibt es dazu keine Stellungnahme.
Private Ladesäulen, die Hamburger in ihrer eigenen Garage nutzen, kommen mit dem Gesetz dagegen nicht in Konflikt: „Sie hängen ja hinter einem eichrechtskonformen Zähler im Haus“, argumentiert Katharina Boesche.
E-Ladesäulen in Hamburg: Weitere Herausforderung droht
Die Pflicht zum Austausch wird nun auf jeden Fall die Geschwindigkeit begrenzen, mit der die Zahl der Ladepunkte erhöht werden soll. Schließlich müssen Verwender nicht konformer Ladesäulen sich selbst anzeigen und einen Umrüstplan vorlegen. Dabei wird für die Umstellung von Ladepunkten vor allem eine passende Hardware benötigt. Und hier finden sich Engpässe. „In der Vergangenheit gab es eine vergleichsweise geringe Zahl zugelassener Hardwaretypen“, weiß Behördensprecher Völz über die Hindernisse zu berichten. Und neben der generellen Marktverfügbarkeit müssten die entsprechenden Ladesäulen-Typen in ausreichendem Maße lieferbar sein.
Schon bald droht zudem eine weitere Herausforderung für das Netz der Stromtankstellen. Hersteller und Betreiber müssen ab Juli 2023 mindestens eine kontaktlose Zahlung mittels gängiger Debit- und Kreditkarte als Mindeststandard anbieten. Das schreibt die Ladesäulenverordnung vor.
„Auch diese Vorschrift wird nicht zu einem schnellen Ausbau beitragen“, schätzt Katharina Boesche mit Blick auf die Verbraucher, die sich weitere Möglichkeiten zum Stromtanken wünschen. Doch die Maßgabe, auch ein sogenanntes Pinpad für Kreditkarten an den Säulen nutzen zu können, ist nicht verhandelbar: Hiermit wird erneut geltendes Recht umgesetzt, in diesem Fall gehen die Bestimmungen auf Vorgaben der Europäischen Union zurück.