Hamburg. Bestimmte Berufsgruppen dürfen sich freuen. Warum der Senat plötzlich Spielräume sieht – und welche Regeln gelten.
Für viele Handwerker, aber auch für Pflegekräfte, Polizisten oder Bäcker dürfte dies eine sehr gute Nachricht sein: Ab sofort können für Schichtarbeitende aller Branchen in Hamburg Ausnahmegenehmigungen beim Bewohnerparken (wie das Anwohnerparken offiziell heißt) beantragt werden.
Anwohnerparken in Hamburg: Ausnahmegenehmigung für 250 Euro
„Wir sehen an Evaluierungen bestehender Parkgebiete, dass wir Spielräume haben“, sagte Dennis Krämer, Sprecher der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM), dem Abendblatt. Den Spielraum wolle die Behörde jetzt nutzen, um für Schichtarbeitende weitere Erleichterungen einzuführen.
Die Kosten für die Ausnahmegenehmigung müssen dabei nicht die Arbeitnehmer tragen. "Die 250 Euro pro Jahr entrichtet der Arbeitgeber für die Beantragung der Ausnahmegenehmigung", so Krämer. Der Arbeitgeber erhalte dann ein Kontingent, das nicht personengebunden ist und das er seinen jeweiligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern je nach Schicht zur Verfügung stellen kann.
Anwohnerparken Hamburg erzielt laut LBV gewünschte Wirkung
Der Landesbetrieb Verkehr (LBV) hatte im Auftrag der Verkehrsbehörde eine Evaluation in zwei weiteren Bewohnerparkgebieten durchgeführt. Die Ergebnisse in den Gebieten Eimsbüttel (Schlump) und St. Georg zeigen laut Krämer deutlich, dass das Bewohnerparken seine gewünschte Wirkung erzielt.
„Die Zahl der verfügbaren Parkmöglichkeiten hat sich nachweislich erhöht, der Parkdruck vermindert. In den beiden untersuchten Gebieten ist die Auslastung nach Einführung des Bewohnerparkens gesunken und liegt deutlich unter 100 Prozent. Es stehen also reguläre Parkplätze zur Verfügung.“
Parkausweise für Schichtarbeiter in Hamburg
Ab sofort besteht laut Krämer für Schichtarbeitende aller Branchen, deren Schicht bis einschließlich 6 Uhr beginnt – da deren Anreise zum Arbeitsplatz vornehmlich in die Zeit zwischen 1 Uhr und 4.30 Uhr und damit in die Betriebspause des schienengebundenen Öffentlichen Personen-Nahverkehrs fallen kann – die Möglichkeit, im Rahmen einer Ausnahmegenehmigung zu parken.
Solche Ausnahmegenehmigungen können vom Arbeitgeber für das gesamte Jahr beantragt werden. Sie gelten für die jeweilige Bewohnerparkzone des Unternehmens sowie eine jeweils daneben liegende (gültig von Montag bis Sonntag). „Betriebe und Einrichtungen, die nachweislich einen entsprechenden Schichtdienst durchführen und nach deren betrieblichem Mobilitätsmanagement zwingender und quantifizierbarer Bedarf für Schichtgenehmigungen besteht, erhalten vom LBV ein jeweils angepasstes Kontingent an Ausnahmegenehmigungen, die sie ihren Beschäftigten als Parkmöglichkeit für den Weg zur Frühschicht zur Verfügung stellen können“, heißt es weiter.
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Einführung des Bewohnerparkens zeigte sich am deutlichsten in Eimsbüttel
Am deutlichsten wirkte sich die Einführung des Bewohnerparkens nach Angaben des Behördensprechers in Eimsbüttel (Schlump) aus. Dort sank die Auslastung tagsüber von durchschnittlich 103 Prozent auf 88 Prozent nach der Einführung im Juli 2021. In der 24-Stundenbetrachtung sank die Auslastung von 104 Prozent auf 90 Prozent. Eine Auslastung über 100 Prozent bedeutet, dass neben den regulären Parkplätzen auch irregulär geparkt wurde.
In St. Georg reduzierte sich die Auslastung tagsüber von durchschnittlich 89 Prozent auf 85 Prozent nach der Einführung im November 2021. In der 24-Stundenbetrachtung blieb die Auslastung bei 85 Prozent (allerdings wurde hier ein Oktobertag 2020, an dem es verschiedene pandemiebedingte Einschränkungen gab, mit einem warmen Augusttag im Jahr 2022 ohne solche Einschränkungen verglichen). „Das zeigt, dass das Bewohnerparken auch die zahlreichen Gastrobesucher im besagten Gebiet gut kompensieren kann“, so Krämer.
Bewohnerparken wird von Anwohnern stark nachgefragt
Das Bewohnerparken werde von Bewohnerinnen und Bewohnern stark nachgefragt. Insbesondere nachts wurden Auslastungen von rund 93 Prozent in Eimsbüttel (Schlump) und rund 87 Prozent in St. Georg gemessen. Ein Großteil dieser parkenden Fahrzeuge sei während der Erhebung überhaupt nicht bewegt worden – in St. Georg etwa 37 Prozent der geparkten Fahrzeuge und in Eimsbüttel (Schlump) 39 Prozent. Im Klartext: Viele haben ein Auto, ohne es täglich zu nutzen.
Erste Evaluationen der Bewohnerparkgebiete Altona-Altstadt, St. Pauli, Rotherbaum und Ottensen aus dem Jahr 2022 hatten laut Krämer gezeigt, dass sich die Parksituation vor Ort verbessert hat: „Das Ziel, nutzbare Parklücken für Bewohner, aber beispielsweise auch für Besucher und Besucherinnen sowie Handwerksbetriebe zu schaffen, wurde in allen untersuchten Bewohnerparkgebieten erreicht. Hierdurch reduziert sich auch der Parksuchverkehr, was dem Verkehrsfluss, der Umwelt und dem Portemonnaie hilft.“ Die regulär verfügbaren Parkplätze minimierten zudem das irreguläre Parken.
Die Straßenverkehrs-Ordnung erlaubt Ausnahmeregelungen
Laut Dennis Krämer stehen die neuen Erleichterungen für Handwerksbetriebe und Schichtarbeitende durchaus im Einklang mit der bundesweit geltenden Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), obwohl diese keine regelhafte Möglichkeit zum Beantragen von Anwohnerparkausweisen vorsehe, sondern den im Gebiet gemeldeten Anwohnern vorbehalten sind.
Handwerksbetriebe können aber bereits heute Ausnahmegenehmigungen für betriebsnotwendige Werkstatt- oder Montagefahrten (Genehmigungsquote 95 Prozent), Notfalldienste (Genehmigungsquote 99 Prozent) und Parken am Betriebssitz (Genehmigungsquote bei rund 72 Prozent) erhalten. Im Jahr 2022 wurden laut Krämer von 29 Anträgen von Handwerksbetrieben auf Ausnahmegenehmigung 21 positiv beschieden. Hierfür gebe es eingespielte Verfahren.
Es liegen mehrere Klagen gegen das Anwohnerparken vor
In der Vergangenheit hatten bereits mehrere Betroffene gegen das Anwohnerparken geklagt. Laut Verwaltungsgericht gibt es bislang neun Klagen (Stand Freitag). Das Altonaer Kinderkrankenhaus (AKK) etwa hatte beispielsweise vorgetragen, dass eine Kinder-Krankenpflegerin oder Kinderärztin auf dem Arbeitsweg aus dem Umland auf das Auto angewiesen sei. Und ausreichend Parkplätze könne die Klinik nicht zur Verfügung stellen. Ähnliches gilt für Polizeiwachen in dicht besiedelten Stadtteilen.
Eine Sprecherin des AKK sagte dem Abendblatt zu der Neuregelung: „Uns liegen diese Informationen bisher nicht vor. Wir begrüßen die Ausnahmeregelungen der Verkehrsbehörde, allerdings lösen sie die Probleme nur teilweise. Der Dienstbeginn in der Pflege ist flexibilisiert: Die Ausnahmeregelungen bieten aufgrund der Wechselschicht nur denjenigen Mitarbeitern einen Vorteil, die in der Frühschicht mit Dienstbeginn vor 6 Uhr arbeiten. Die personalstärksten Zeiten liegen immer in den Übergabe-Phasen des Früh- und Spätdienstes, zu diesen Zeiten gilt die künftige Ausnahmeregelung nicht mehr.“
So funktioniert Bewohnerparken in Hamburg
In Hamburg gibt es bislang 15 Bewohnerparkgebiete mit insgesamt 62 Zonen im Innenstadtbereich und rund um den Flughafen.
Vom 6. März 2023 an startet in Uhlenhorst, Hohenfelde und Borgfelde ein neues Bewohnerparkgebiet mit sechs Bewohnerparkzonen (N109–N113 und M111). Bewohnerinnen und Bewohner dort können online (für 65 Euro/Jahr) oder an allen Standorten des Landesbetriebs Verkehr (70 Euro/Jahr) einen Bewohnerparkausweis beantragen. Damit sind sie vom Bezahlen der Parkgebühr und der Höchstparkdauer, die üblicherweise drei Stunden beträgt, ausgenommen. Eine Garantie auf einen freien Platz erwerben sie allerdings nicht.
Wer nicht dort wohnt, muss bis zu 3 Euro pro Stunde bezahlen.
Ziel des Bewohnerparkens ist die Minderung des Parkdrucks und die Erhöhung der Verkehrssicherheit durch Reduzierung von Parksuchverkehren und Falschparken.