Hamburg. Konzernchef Faury fürchtet Wasserstoff-Knappheit und erhöht Druck auf Politik sowie Industriepartner. Flunder-Design steht vor dem Aus.
Es ist ein ambitioniertes Ziel, das Airbus verfolgt. Bis zum Jahr 2035 will der europäische Konzern ein emissionsfreies Flugzeug auf den Markt bringen. Statt mit Kerosin soll es mit „grünem“, also durch regenerative Energien hergestellten Wasserstoff angetrieben werden.
Der Zeitplan könnte sich aber nach hinten verschieben, so Vorstandschef Guillaume Faury am Mittwoch, als er aus Paris zu einer Journalistenveranstaltung in Toulouse per Livestream zugeschaltet ist.
Faury fordert klaren regulatorischen Rahmen
Beim Flugzeugbauer selbst sieht der Franzose weniger das Problem. Ein entsprechendes Flugzeug zu bauen und fertig zertifiziert zu haben sei bis dahin möglich. „Das liegt in unseren Händen“, sagt Faury.
Die Schwierigkeiten lauerten im Umfeld. Man brauche einen klar festgelegten regulatorischen Rahmen, wie solche Flieger zertifiziert werden und wie Wasserstoff transportiert und genutzt werden soll. Also sei die Politik gefragt.
Zu wenig Wasserstoff könnte Programmstart verschieben
Wenn die Rahmenbedingungen klar wären, seien die Industriepartner an der Reihe. Sie müssten die Infrastruktur auf „grünen“ Wasserstoff umstellen und dafür sorgen, dass dieser in großen Mengen und zu vernünftigen Preisen vorhanden ist.
„Wenn es bei der geplanten Indienststellung 2035 nicht genügend Wasserstoff gibt, könnte dies ein Grund sein, den Launch des Programms zu verschieben“, sagt Faury. Man nehme das Energiethema sehr ernst.
Faury sitzt bei seiner Rede ab und an im Dunkeln
Immer wieder sitzt er bei seiner Rede im Pariser Büro für kurze Zeit im Dunkeln. Wenn er sich länger nicht bewegt, schaltet sich die Lampe automatisch aus – Stromsparen ist angesagt.
„Die Zeit für Ausreden ist vorbei, es ist Zeit fürs Handeln“, so Faury angesichts der Klimaerwärmung und führt aus, dass man die „2020er-Jahre zur Dekade des Wandels machen“ müsse.
Nachhaltiges Kerosin wichtig für Emissionsreduzierung
Damit die Luftfahrt die Emissionen wie gewünscht herunterfahren kann (Ziel ist null im Jahr 2050), müssten mehrere Schritte unternommen werden, so der Airbus-Chef: Alte, mehr Sprit verbrauchende Flieger müssten gegen neue ausgetauscht werden.
Nachhaltig erzeugtes Kerosin (Sustainable Aviation Fuel, SAF) müsse zunehmend normales Kerosin ersetzen. Alle Airbus-Jets sollen bis 2030 zu 100 Prozent mit SAF fliegen können, derzeit sind es 50 Prozent – tatsächlich verwendet wird es derzeit zu weniger als einem Prozent.
Blending-Wing-Body unwahrscheinlichste Variante
Digitalisierung und Automatisierung können auf dem Weg ebenso helfen – der große Durchbruch soll aber der mit Wasserstoff angetriebene Flieger sein. Die Revolution wird dabei wohl ausbleiben.
Als Airbus im September 2020 drei verschiedene mögliche Modelle vorstellte, erregte vor allem der „Blended-Wing-Body“ die Aufmerksamkeit, der an einen B2-Kampfbomber erinnert und auch mal als „fliegende Flunder“ bezeichnet wurde. Doch so wird das neue Flugzeug wohl nicht aussehen.
Schritt zur „fliegenden Flunder“ wäre zu groß
„Es ist die am wenigsten wahrscheinliche von uns in Umlauf gebrachte Variante, um 2035 in den kommerziellen Flugbetrieb zu gehen“, sagt der für das Null-Emissions-Flugzeug zuständige Manager Glenn Llewellyn. Sie sei zwar sehr interessant, weil man den voluminösen Wasserstoff in dieser geometrischen Form gut unterbringen könne und die Aerodynamik effizient sei.
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Aber: „In einem einzigen Schritt das Antriebssystem und die Flugzeugkonfiguration zu verändern, das wäre einfach zu viel und würde den Eintritt in den Flugbetrieb um einige Jahre verschieben“, so Llewellyn. Es werde also auf eine klassische Flugzeugform hinauslaufen. Wahrscheinlich würden zwei Tanks im hinteren Bereich des Flugzeuges den Wasserstoff speichern.
Airbus will mit Renault zusammen forschen
Airbus verkündete auf dem Event eine Reihe von Partnerschaften: Zusammen mit dem Autobauer Renault will man zur Elektrifizierung forschen. Unter anderem mit dem Energiekonzern Engie wird am Flughafen in Toulouse eine Wasserstofftankstelle errichtet, die rund 50 Bodenfahrzeuge befüllen kann. Bis 2025 soll dort mit der 50-Prozent-Tochter Ariane eine Flüssigwasserstoff-Betankungsanlage für Flugzeuge entstehen.
Und der Konzern selbst steigt erstmals in den Motorenbau ein und will ein wasserstoffbetriebenes Brennstoffzellentriebwerk herstellen. In Hamburg wurde gerade ein Brennstoffzellensystem gebaut, das nun auf dem Weg nach München zum Testen sei.