Hamburg. So viele Passagiere wie vor Corona. Tui Cruises und Hapag-Lloyd Cruises wachsen kräftig. Was an Neubauten geplant ist.

Seit einigen Monaten wird am neuen Meeresriesen von Tui Cruises gewerkelt. Mitte Juni 2022 erfolgte auf der Werft Meyer in der finnischen Hafenstadt Turku der erste Stahlschnitt für die „Mein Schiff 7“. Auf dem 315,7 Meter langen und 35,8 Meter breiten Schiff sollen ab dem Sommer 2024 bis zu 2894 Passagiere und etwa 1000 Frauen und Männer als Besatzung auf Kreuzfahrt gehen. Dabei schien es während der Pandemie mit dem Nachfrageeinbruch fraglich, ob man den Neubau überhaupt brauchen würde.

Der Auftrag der Hamburger Reederei für die „Mein Schiff 7“ stammt noch aus einer Zeit, als die Branche nur eine Richtung kannte: Wachstum. Im Jahr 2014 starteten 4,8 Millionen Gäste eine Kreuzfahrt von einem Hafen in der Europäischen Union, ermittelte das Statistische Bundesamt. Fünf Jahre später waren es 7,4 Millionen – plus 54 Prozent. Doch dann kam Corona, das Reisen wurde erschwert bis unmöglich, die Flotten standen über Monate still. 2020 registrierten die Statistiker des Bundesamtes noch 500.000 Passagiere in Europa, ein Jahr später 1,3 Millionen – das war noch ein Minus von 82 Prozent zu 2019.

Kreuzfahrt: Die Nachfrage ist stark gestiegen

Doch im vergangenen Jahr hat die Branche die Trendwende offenbar geschafft. „2022 ist die Nachfrage wieder stark gestiegen“, sagte Helge Grammerstorf, der beim Weltverband der Kreuzfahrtindus­trie (Clia) für Deutschland zuständige Manager: „Alle Schiffe fahren wieder. Einige Reedereien haben das Niveau von 2019 bei den Buchungszahlen bereits erreicht oder sogar überschritten.“

Auch bei Europas größtem Reisekonzern Tui geht es in dem Segment klar aufwärts. Ab April 2022 waren alle 16 Kreuzfahrtliner der drei Marken Mein Schiff, Hapag-Lloyd Cruises sowie die den britischen Markt bedienende Marella Cruises zurück im Einsatz. Im Geschäftsjahr 2022, das beim Hannoveraner Konzern bis zum 30. September 2022 ging, wurde der Umsatz auf 331 Millionen Euro im Vergleich zum (natürlich extrem schwachen) Vorjahreszeitraum mehr als verzwölffacht. Zudem wurde die Rückkehr in die schwarzen Zahlen geschafft. Statt eines Riesenverlustes von 277,5 Millionen Euro fiel nun ein kleiner Betriebsgewinn von 800.000 Euro an.

Kreuzfahrt: Tui Cruises verdiente im vierten Geschäftsquartal 66 Millionen Euro

„Nach zwei Jahren mit coronabedingten Einschränkungen hat Tui Cruises 2022 wieder Fahrt aufgenommen“, sagt Frank Kuhlmann, Finanzchef von Tui Cruises unserer Redaktion. Zu Tui Cruises, dem Gemeinschaftsunternehmen von Tui und dem Branchengiganten Royal Caribbean Group, gehört seit 2020 auch Hapag-Lloyd Cruises. Man habe die vergangenen beiden Geschäftsquartale mit einem positiven Ergebnis nach Steuern abgeschlossen. Im vierten Quartal lag es laut dem vor Kurzem veröffentlichten Geschäftsbericht bei 66 Millionen Euro. Die Kreditfazilitäten seien verlängert worden – das zeige das Vertrauen der Investoren in das Geschäftsmodell und die Strategie, sagte Kuhlmann: „Tui Cruises ist auf Kurs.“

Wie die Erholung konkret aussieht, zeigt sich beim Durchblättern des Geschäftsberichts. Bei der „Mein Schiff“- Flotte wurde die Zahl der Passagiertage auf 3,874 Millionen mehr als verdreifacht. Die Auslastung stieg von 41 auf 69 Prozent. Darin spiegle sich die Rückkehr der Nachfrage bei einem gleichzeitig ausgeprägten Trend zu kurzfristigen Buchungen wider, hieß es. Die Tagesrate legte um 34,8 Prozent auf 178 Euro zu – die Passagiere zahlten also wieder deutlich mehr.

Etwas schwächer stieg die Tagesrate bei Hapag-Lloyd Cruises, dem ebenfalls in Hamburg sitzenden Anbieter für Luxus- und Expeditionskreuzfahrten. Sie legte um 27 Prozent auf 653 Euro zu. Die Tagesrate hätte damit das Niveau von 2019 erreicht, heißt es im Geschäftsbericht. Die Passagiertage legten um das 2,7-Fache auf 307.000 zu. Die Auslastung stieg um 13 Punkte auf 58 Prozent. „Wir freuen uns sehr, dass wir im vergangenen Jahr wieder mit ausgebuchten Expeditions- und Luxusschiffen weltweit unterwegs waren und Kurs auf Rentabilität nehmen konnten“, sagte Hapag-Lloyd-Cruises-Chef Julian Pfitzner auf Anfrage: „Auch die Vorausbuchungsnachfrage für unsere Saison 2023/2024 sieht sehr erfreulich aus.“

Kreuzfahrt: Auch bei Aida Cruises zeigt man sich optimistisch

Bei Tui insgesamt lag die Auslastung im vierten Quartal über alle Kreuzfahrtmarken zwischen 80 und 93 Prozent, zeigt der Geschäftsbericht. Für das laufende Jahr rechne man mit „Auslastungen, die an das Geschäftsjahr 2019 heranreichen“, sagte eine Reedereisprecherin. Bei Tui Cruises lag sie damals bei rund 100 Prozent, bei Hapag-Lloyd Cruises bei 78,9 Prozent.

Auch beim norddeutschen Konkurrenten Aida Cruises zeigt man sich optimistisch. „Aktuell erleben wir eine große Nachfrage nach unseren Reisen für den Sommer 2023 und den Winter 2023/24“, sagte eine Sprecherin der Reederei mit Sitz in Rostock und Hamburg. Fragen zur Auslastung, Zahl der Passagiere und Tagesrate beantwortete sie nicht. Beliebt bei den Gästen seien Reisen im westlichen und östlichen Mittelmeer. Im Fokus stünden aber Fahrten ab den deutschen Häfen Hamburg, Kiel und Warnemünde in Richtung Baltikum, Skandinavien, Norwegens Fjorde mit Lofoten und dem Nordkap. Zudem sei das Interesse an der atlantischen Westküste sowie England und Schottland hoch.

Solche Reisen mit Beginn quasi vor der eigenen Haustür seien während der Corona-Krise aufgelegt und gut von den Kunden angenommen worden, sagte Clia-Deutschland-Direktor Grammerstorf: „Die während der Pandemie entwickelten Initiativen haben gezeigt, dass man ganzjährig von nordeuropäischen Häfen wie Hamburg attraktive Routen anbieten kann.“ Er sieht die Branche auch für die Zukunft auf Wachstumskurs: „Für dieses Jahr gehen wir davon aus, das Passagierniveau von 2019 wieder zu erreichen oder teilweise zu überschreiten.“ Vor vier Jahren wurden weltweit 29,7 Millionen Kreuzfahrtgäste gezählt. Ein Jahr später waren es nur noch 5,8 Millionen. Für 2021 und 2022 gebe es noch keine Zahlen. Im Oktober ging der Verband in seinem Ausblick davon aus, dass im Jahr 2026 die Passagierzahlen mindestens zwölf bis 28 Prozent höher liegen als 2019.

Zwei weitere Neubauten für die Flotte von „Mein Schiff“ sind geplant

Als größte Märkte gelten die USA vor Europa. Einige Reedereien rüsten sich für den Aufschwung mit Neubauten. Als wichtigster für den deutschen Markt gilt in diesem Jahr die „MSC Euribia“ der Schweizer Reederei MSC. Das 331 Meter lange Schiff kann bis zu 6327 Passagiere an Bord nehmen und fährt im Sommer viel ab Kiel und im Winter ab Hamburg. Die neue Premiumreederei Explora Journeys von MSC feiert ihr Debüt am 17. Juli, wenn in Southampton der erste Luxus-Törn startet. Die 248 Meter lange und für maximal 1473 Gäste ausgelegte „Explora I“ kommt am 21. August erstmals nach Hamburg und sticht dann gen Niederlande, Belgien und Großbritannien in See.

Etwa eine Handvoll neuer Schiffe wollen US-Reedereien in Dienst stellen. Darunter ist mit der „Carnival Jubilee“ von Carnival Cruise Line auch ein Neubau der Meyer Werft in Papenburg. Den Bauslot für das Schiff hatte Aida Cruises an den US-Mutterkonzern Carnival Corporation abgegeben. Die norddeutsche Reederei sieht sich für die Zukunft gut aufgestellt. „Derzeit ist kein Aida-Neubau fix geplant“, sagte die Sprecherin. Als letzter Zugang wurde die „Aidacosma“ im April 2022 in Hamburg getauft, zwölf Schiffe umfasst die Flotte.

Auch bei Hapag-Lloyd Cruises vertraut man weiterhin auf die Flotte von fünf Schiffen, die noch sehr jung seien. Die auf Exkursionen eingesetzten „Hanseatic Nature“ und „Hanseatic Inspiration“ sind 2019 in Dienst gestellt worden, die „Hanseatic Spirit“ zwei Jahre später. Für die „Hanseatic Inspiration“ sei 2023 ein großes Jahr, weil sie erstmalig die Großen Seen in Nordamerika besuche, so die Sprecherin. Wegen der besonderen Bauweise, die für die Schleusenfahrten nötig sei, würden nur sehr wenige Schiffe diese Gewässer befahren. Die „Europa 2“ feiert im Mai ihren zehnten Geburtstag.

Was bei Tui Cruises noch geplant

Sozusagen noch schwanger ist Tui Cruises mit weiteren Neubauten. Momentan besteht die Flotte aus sieben Stahlkolossen. Neben der „Mein Schiff 1“ bis „Mein Schiff 6“ gehört auch die „Mein Schiff Herz“ dazu, die allerdings im Frühjahr zu Marella wechseln wird. Die Flotte soll auf neun Schiffe wachsen. Die Voraussetzungen dafür wurden nur eine Woche nach dem Produktionsstart der „Mein Schiff 7“ in Turku gelegt, deren Bau laut einer Sprecherin im Zeitplan liegen soll. Für Tui-Cruises-Chefin Wybcke Meier ging es weiter nach Norditalien: erster Stahlschnitt für zwei weitere Kreuzfahrtschiffe der „Mein Schiff“-Flotte.

Mit einer Bruttoraumzahl (BRZ) von 160.000 werden die baugleichen Schwestern noch ein deutliches Stück größer sein als die sich in Finnland im Bau befindliche „Mein Schiff 7“ mit ihren 111.500 BRZ. Zu weiteren Details über die Meeresriesen hüllt sich die Reederei noch in Schweigen. Klar ist nur, dass die Fincantieri-Werft in Monfalcone den ersten Kreuzfahrtliner 2024 abliefern soll und den zweiten 2026.