Hamburg. Die “AidaNova“ und andere Schiffe der Reederei können mit emissionsarmem Flüssigerdgas fahren. Doch das ist dem Unternehmen zu teuer.
- Reederei Aida Cruises ließ Kreuzfahrtschiffe als erste mit Flüssigerdgas fahren
- Doch LNG ist durch die Energiekrise zu teuer geworden
- Auch andere Reederei kehren zu schmutzigem Schiffsdiesel zurück
Als die Kreuzfahrtreederei Aida Cruises vor etwa vier Jahren die „AIDAnova“ auf den Markt brachte, wurde sie für ihre Fortschrittlichkeit und Nachhaltigkeit bewundert. Denn es handelte sich um das weltweit erste Kreuzfahrtschiff, das vollständig mit emissionsarmen Flüssigerdgas (LNG) betrieben werden kann. Feinstaub und Schwefeloxiden kommen bei der Verbrennung fast gar nicht mehr durch den Schornstein, und der Ausstoß von Stickoxiden sowie Kohlendioxid wird reduziert. Die „AIDAnova“ wurde mit dem Blauen Engel – einem Umweltschutzsiegel – ausgezeichnet. Der Erfolg war so groß, dass vor einem Jahr auch das Nachfolgeschiff der Helios-Klasse, die „AIDAcosma“ mit einem Dual-Fuel-Motor ausgestattet wurde, der mit LNG betrieben werden kann.
Doch wer jetzt eine Reise auf einem der beiden Kreuzfahrtschiffen bucht und glaubt, damit die Umwelt weniger zu schädigen, sieht sich getäuscht. Denn die angeblich klimafreundlichen Traumschiffe werden nicht mit dem emissionsarmen Flüssigerdgas betrieben, sondern mit Marinediesel. Das hat Aida Cruises dem Abendblatt jetzt bestätigt. Grund seien die hohen Energiepreise.
Aida: Kreuzfahrtschiffe fahren offenbar schon seit Monaten mit Schiffsdiesel
„Neben der anhaltenden Energiekrise, welche weiterhin zu Beeinträchtigungen in der Gesamtversorgung mit Flüssigerdgas (LNG) führt, erleben auch wir als Unternehmen steigende Verbraucherpreise. Um den reibungslosen und sicheren Betrieb unserer Kreuzfahrtschiffe jederzeit zu gewährleisten, setzen wir die Verwendung von LNG für unsere Kreuzfahrtschiffe bis auf weiteres aus“, erklärte das Unternehmen mit Sitz in Rostock und Hamburg auf Anfrage. Die Schiffe würden nun vorübergehend mit dem schwefelarmen Treibstoff Marine Gas Oil (MGO) betrieben. „Sobald sich der Energiemarkt stabilisiert, werden wir den LNG-Betrieb wieder aufnehmen.“
Seit wann diese Regelung gilt, will Aida nicht mitteilen. Offenbar fahren die Schiffe aber schon seit Monaten mit Dieselkraftstoff anstatt mit LNG. Dem Vernehmen nach soll der Ölkonzern Shell der Kreuzfahrtreederei den emissionsärmeren Kraftstoff im Rahmen einer Kooperation, die zwischen den Unternehmen besteht, angeboten haben, doch AIDA war der Preis dafür zu hoch. Der weltgrößte LNG-Händler Shell lehnt eine Stellungnahme ab. „Wir äußern uns nicht zu unseren Kundenbeziehungen“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage.
Klar ist aber, dass die Gaspreise im Jahr 2022 extrem gestiegen sind, seitdem aus Russland kein Gas mehr nach Europa geliefert wird. Das gilt umso mehr für Flüssigerdgas, das etwas teurer ist als normales Erdgas, weil die Verflüssigung unter niedrigen Temperaturen von minus 161 Grad zusätzlich Energie verschlingt. Kostete eine Megawattstunde LNG in der Vergangenheit noch 30 Euro sind es derzeit zwischen 150 und 180 Euro. Hinzu kommen noch Kosten, um das verflüssigte Erdgas wieder in seine Ursprungsform zu bringen und zu verteilen.
Kreuzfahrt: Fjord Line will Motoren auf Dieselbetrieb umrüsten
Das Problem trifft nicht allein Aida Cruises. Die Reederei Fjord Line will auf ihren Fährverbindungen zwischen Norwegen und Dänemark zwei Schiffe kurzzeitig aus dem Verkehr nehmen. Die Fähren „MS Stavangerfjord“ und „MS Bergensfjord“ werden im Frühjahr für den Umbau ihrer Motoren ausgesetzt, teilte das Unternehmen vor zwei Tagen mit. Die Schiffe wurden in den vergangenen Jahren komplett mit Flüssiggas (Liquified Natural Gas, LNG) betrieben, doch das sei angesichts der Preise nicht mehr wirtschaftlich. „Durch die Umstellung können die Schiffe zusätzlich zu LNG auch mit MGO (Marine Gas Oil) fahren, was einen wirtschaftlich nachhaltigen Betrieb sicherstellt, bis sich die LNG-Preise wieder auf einem normalisierten Niveau befinden“, heißt es in einer Pressemitteilung der Reederei. Der Umbau sei zwingend notwendig, um Arbeitsplätze zu sichern.
Sowohl Aida Cruises wie auch Fjord Line sprechen von vorübergehenden Maßnahmen, bis sich der Gaspreis wieder stabilisiert hat. Doch was geschieht, wenn er so hoch bleibt? Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sagte zum Jahreswechsel, er rechne mit dauerhaft hohen Energiepreisen. Die sei der neue Normalzustand. Die derzeit in verschiedenen Häfen in Bau befindlichen LNG-Terminals zeigen, dass der Hunger nach Flüssigerdgas weiter steigen wird. Problematisch ist aber, dass etliche Reedereien derzeit Schiffe in Bau oder bereits in Betrieb genommen haben, die mit LNG fahren sollen – zum Beispiel die französische Großreederei CMA CGM. Auch Hapag-Lloyd lässt derzeit Großfrachter bauen, die mit LNG betrieben werden sollen. Und die Hamburger Kreuzfahrtreederei TUI Cruises will 2024 bis 2026 zwei neue Traumschiffe an den Start bringen, die ebenfalls auf Flüssiggas als Treibstoff setzen. LNG gilt für die gesamte maritime Branche als Brückentreibstoff auf dem Weg zur emissionsfreien Schifffahrt, bis komplett CO2-freie Kraftstoffe zur Verfügung stehen.
Kreuzfahrt: Reederverband in Sorge
Auch der Verband Deutscher Reeder sieht die Entwicklung mit Sorge: „Sofern LNG in den vergangenen Monaten als Schiffskraftstoff in den Häfen verfügbar war, bedeuteten die gestiegenen Preise im Energiemarkt zeitweise eine Vervierfachung der Kraftstoffkosten für die Schifffahrt.
Dies führte zeitweise dazu, dass einige LNG-betriebene Schiffe, die mit einem Dual-Fuel-Motor ausgestattet sind, nicht mehr wirtschaftlich mit LNG angetrieben werden konnten und aus diesem Grund mit konventionellem Schiffskraftstoff betrieben wurden“, sagte ein Sprecher. Es gebe aber aktuell Anzeichen für eine Normalisierung der Preise.
Kreuzfahrt: LNG dreimal so teuer wie Marinediesel
LNG sei aus mehreren Gründen kein schlechter Treibstoff, sagt Richard von Berlepsch, Chefkapitän und Direktor des Flottenmanagements bei Hapag-Lloyd. Zum einen würden bei seinem Einsatzgegenüber anderen fossilen Brennstoffen etwa 20 Prozent weniger Kohlendioxid und 90 Prozent weniger andere Schadstoffe freigesetzt. Zum zweiten habe man beim Einsatz von LNG die notwendigen Motoren auf den Schiffen, um später mit synthetischen Kraftstoffen zu fahren, die gar keine Emissionen mehr freisetzen. Drittens habe Flüssiggas im Vergleich etwa zu Diesel einen relativ hohen Energiegehalt.
Das Tankvolumen an Bord könne also geringer ausfallen. Das Problem sei derzeit der Preis. „LNG muss ein wettbewerbsfähiger Brennstoff werden, ist derzeit aber etwa dreimal so teuer wie Marinediesel.“ Hapag-Lloyd habe mit der „Brüssel Express“ derzeit einen Containerfrachter in der Flotte, der auf den Betrieb von LNG umgebaut wurde. „Das Schiff fährt auch weiter damit – trotz der hohen Preise.“
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Aida: Rückkehr zu Schiffsdiesel – Umweltschützer sehen sich bestätigt
Völlig anders sehen dies die Naturschutzverbände, die LNG als Treibstoff der Zukunft ohnehin aufgrund des Methan-Schlupfes ablehnen. Denn das den Schiffen beim Einsatz von LNG entweichende Methan habe eine 86 Mal stärkere Klimawirkung als CO2. Die Klimabilanz von LNG verschlechtert sich durch diesen Effekt grundlegend und kann laut einer Studie des International Council for Clean Transportation (ICCT) mit Schweröl und Marinediesel auf eine Stufe gestellt werden.
„Die aktuelle Entwicklung in der Schifffahrt zeigt doch nur eines“, sagt Malte Siegert, Vorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) Hamburg: „Alle die schönen Versprechen der Branche zu mehr Nachhaltigkeit und Umweltschutz waren nichts als Gerede. In Wahrheit zählt für sie nur eines, der Preis.“ Als die Gaspreise noch unter denen für Marinediesel gelegen haben, habe sich die Branche darauf gestürzt. Jetzt flüchten sie wieder. „Das demaskiert die wahren Intentionen der Reedereien.“ Siegert kann dem ganzen aber auch etwas Positives abgewinnen. „Die Gaspreise werden hoch bleiben. LNG ist damit erledigt und wird nicht längerfristig zur Anwendung kommen.“