Hamburg. In der Hamburger Innenstadt herrscht Streit um eine Markise – oder sind die Vorgaben der Stadt ein Ausbremsen von Kaufleuten?
Die Gerhofstraße in der Hamburger Innenstadt gehörte lange Zeit zu den Sorgenkindern in der City. Leerstand prägte die wichtige Verbindungsmeile zwischen Gänsemarkt und Poststraße. Die Schließung des großen Esprit-Ladens an der Ecke sowie Umzüge von Geschäften wie L’Tur ließen die Einkaufsstraße mit hässlichen Bauzäunen für die Passanten unattraktiv wirken. Wer geht schon gerne an abgeklebten Schaufenstern vorbei, die daran erinnern, dass der Onlinehandel den stationären Shops das Leben schwer macht und die Innenstädte auszubluten drohen?
Jetzt ist in der Gegend auch noch ein Streit mit der Stadt entbrannt - über die Ästhetik der Geschäfte. Der Vorwurf eines Kaufmanns: Es wird ihm bis ins Detail in die Außengestaltung seines Ladens hineingeredet. „Uns werden Steine in den Weg gelegt“, sagt René Westphal mit Blick auf die Behörden, die in der City für die Baumaßnahmen zuständig sind. Der Hamburger spricht über seine New York Bagel Bar im Zentrum der Gerhofstraße.
Bagelbistro in der Hamburger Innenstadt: Ärger um Markise
Anders als am Mühlenkamp, wo Westphal seit Jahren ebenfalls eine solche Bagel Bar betreibt und Gebäck und Kaffee anbietet, darf sein Bistro in der City keine dem gewünschten Design des Ladenkonzepts entsprechende Optik haben. Die schwarze Markise, die dem Geschäft gemäß seinen Vorbildern in den USA ein großstädtisches Design geben soll, muss weg.
Die Stadt schlägt ein helles Modell vor. Die Behörde argumentiert zudem, dass es am Geschäft zu viel Werbung gebe. Dazu sagt Westphal: Wir haben den Vorschlag unterbreitet, die Werbeanlagen zu reduzieren, sodass hier keine „störende Häufung“ mehr gegeben ist. „Diese Maßnahme würden wir jederzeit umsetzen.“
Eine helle Markise aber sehe schnell „schmutzig und ungepflegt“ aus. „Uns geht es um den maßgeblichen Punkt der Farbe der Markise und die Folierung der Fenster- und Türrahmen, die nicht genehmigt wurden.“ Im Schriftwechsel zwischen Firma und Bezirksamt Mitte hatte es von der Behörde geheißen: „Die schwarze Bespannung der Markisen wird abgelehnt. Hier ist eine wollweiße Bespannung zu wählen.“
Hamburg will „Erscheinungsbild des öffentlichen Raumes aufwerten“
Es werde das Ziel verfolgt, die Gegend optisch aufzuwerten, argumentiert das Bezirksamt Hamburg-Mitte: „Für einige Innenstadtbereiche gelten Gestaltungsmerkblätter für Werbeanlagen.“ Neben dem Neuen Wall und dem Passagenviertel werde bald auch für den Gänsemarkt ein solches „Merkblatt“ gelten, das es bereits in den anderen so genannten BID (Business Improvement Districts) gebe, also in den Bereichen, wo Grundeigentümer das Stadtbild verschönern sollen. Darin sei die Gerhofstraße eingeschlossen.
„Das Ziel dieser Gestaltungsmerkblätter ist, das Erscheinungsbild des öffentlichen Raumes aufzuwerten und mit den hochwertigen Immobilien und ansässigem Gewerbe in Einklang zu bringen. Um den homogenen Gesamteindruck für diesen anspruchsvollen Ort zu bewahren, gelten für neu beantragte Werbemaßnahmen an den Gebäuden und im öffentlichen Raum bestimmte Vorgaben.“
Nur helle Markisen sind erlaubt
Neben Ausrichtung, Gestalt, Größe, zurückhaltender Farb- und Lichtgebung der Werbeanlagen würden auch Angaben zu Markisen gemacht. „In Ausnahmefällen erforderliche Markisen sind nur in hellen Farben zulässig, um ein möglichst homogenes Erscheinungsbild des Straßenzuges mit hohem Wiedererkennungswert zu erhalten. Ein Werbeschriftzug auf dem Volant der Markise darf maximal den Firmennamen oder das Logo in der Corporate Identity des Geschäftes enthalten“, teilte eine Sprecherin mit.
Westphal betont, er habe über die Optik nicht im Alleingang entschieden. „Wir haben die Farbe der Fenster- und Türrahmen bewusst auf das Bild unserer Nachbarn und des Gebäudes abgestimmt und ein Anthrazit gewählt“, ergänzt der Firmenchef. „Die Gestaltung unseres Außenbereiches, inklusive Fassade und Markise, ist in Absprache und im Interesse des Eigentümers des Hauses geschehen.“
Im Bezirk Nord hat die erste Filiale solche Probleme nicht
Westphal hat den Eindruck, dass er von der Stadt schlechter behandelt wird als andere Geschäfte in der Gegend, weil er den bürokratischen Weg gegangen ist und eine Genehmigung beantragt hat. Doch nun solle er die Außengestaltung der Bar ändern, was mit hohen Kosten verbunden sei. Dagegen hätten andere Shops, die ohne die Einwilligung der Behörden ihre Fassade verändert haben, keine derartigen Sorgen. „Das ist ungerecht.“
Die Behördensprecherin räumt ein: „Der pinke Ausstecker von L’tur würde heute wohl nicht mehr genehmigt werden. Andere Werbeanlagen in der Straße könnten noch Bestandsschutz genießen oder sind ohne Genehmigung angebracht worden.“
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Für Westphal ebenfalls nicht nachvollziehbar ist, dass es am Mühlenkamp für das dortige Stammhaus der Kette mit ebenfalls dunkler Außenoptik keine Probleme gibt. Klar ist, in Winterhude gibt es eine andere Zuständigkeit, hier ist es nicht der Bezirk Mitte, der mit den Kaufleuten in Kontakt steht. Vom Bezirk Mitte heißt es dazu: „Warum die schwarze Markise in Winterhude anstandslos genehmigt wurde, können wir hier nicht beurteilen. Wahrscheinlich gibt es dort keine Gestaltungsmerkblätter für Werbeanlagen.“
Vergrault die Stadt Geschäftsleute aus dem Zentrum?
Dabei wird es gerade rund um den Gänsemarkt auch angesichts zahlreicher neuer Einzelhandelsflächen am Alten Wall, in den Stadthöfen sowie im Überseequartier in der HafenCity immer schwieriger, passende Mieter zu finden. Westphal fühlt sich hier nun aber nicht mehr so recht wohl: „Wir werden in Zukunft eher andere Standorte präferieren,“ bilanziert der Mitgründer der Snackkette. „Das ist schade, da wir in der City eigentlich sehr gerne weiter wachsen würden und es uns als Hamburger am Herzen liegt, dass die Innenstadt nicht ausstirbt und weiterhin attraktiv für junge Menschen bleibt.“
Bei der New York Bagel Bar in Winterhude werden seit Mitte 2021 verschiedene Bagels mit süßen und salzigen Toppings angeboten. Die zweite Filiale in der Innenstadt soll seit Frühjahr vergangenen Jahres ebenfalls etwas US-Flair an die Alster bringen - Mitglieder des Gründerteams aus vier jungen Hamburgern hatten bei einem Auslandssemester in New York den dortigen Lifestyle kennen und schätzen gelernt.