Hamburg. Vom 1. Januar 2023 an ist viel weniger Guthaben pro Kunde abgesichert als bisher versprochen. Auch der Bestandsschutz hat Tücken.

Die Deutsche Bank möchte gar nicht über das Thema sprechen: die Reform der privaten Einlagensicherung in Deutschland. Selbst harmlose Fragen, ob die Kunden schon informiert worden sind und wie hoch die Sicherungsgrenze pro Kunde aktuell bei dem Institut ist, beantwortet das größte deutsche Geldhaus nicht.

Dabei sind gerade vermögende Kunden, also eine Kernklientel der Deutschen Bank, von der Reform betroffen, ebenso Firmen, die hohe Beträge an liquiden Mitteln bei ihrer Bank parken. Sie wurden bisher durch extrem hohe, zum Teil aber auch unrealistische Einlagen­sicherungen, nicht selten im Milliardenbereich verwöhnt.

Einlagensicherung: Antworten auf die wichtigsten Fragen

Doch vom 1. Januar 2023 an sind bei der freiwilligen Einlagensicherung nur noch maximal fünf Millionen Euro pro Kunde einheitlich abgesichert – und der Betrag wird in den kommenden Jahren noch geringer werden. Ein enormer Absturz, gemessen am bisherigen Sicherungsniveau. Bei der Deutschen Bank liegt es noch bei 6,38 Milliarden Euro pro Kunde.

Was hat es mit dieser Reform der privaten Einlagensicherung auf sich? Was sind die Gründe? Wer ist betroffen? Gibt es einen Bestandsschutz? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

100.000 Euro oder Absicherung in Milliardenhöhe – was gilt?

Bankkunden dürfen sich nicht verwirren lassen, denn es geht um unterschiedliche Sicherungssysteme. Die 100.000 Euro pro Kunde resultieren aus der gesetzlichen Absicherung, die einheitlich in ganz Europa geregelt ist.

Die privaten Banken haben eine zusätzliche Einlagensicherung, die bisher andere, enorm hohe Beträge versprochen hat. Das gilt nur für Institute, die Mitglied im Einlagensicherungsfonds des Bundesverbandes deutscher Banken (ESF) sind, was auf die meisten privaten Institute aber zutrifft.

Bisher wird diese Sicherungsgrenze pro Kunde nach dem haftenden Eigenkapital der Bank berechnet. 15 Prozent davon ergeben je nach Institutsgröße die unterschiedlich hohen Beträge. So liegt die Sicherungsgrenze bei der M.M. Warburg CO Bank bei 53,6 Millionen Euro und bei der Berenberg-Bank bei 51,2 Millionen Euro. Das sind jene In­stitute in Hamburg, die besonders vermögende Kunden haben.

Welche Anlagen fallen unter die Einlagensicherung?

Dazu gehören die Guthaben auf Girokonto und Tagesgeldkonto, ebenso Sparbuch und Festgeldanlagen. Außerdem fallen noch auf den Namen lautende Sparbriefe und Namensschuldverschreibungen unter den Anlegerschutz.

Was ändert sich jetzt?

In drei Stufen von 2023 an bis zum Jahr 2030 wird die Absicherung der freiwilligen Einlagensicherung radikal gesenkt. Ab 1. Januar 2023 entschädigt der ESF private Sparer bei Verlust ihrer Einlagen bis zu einer Höhe von fünf Millionen Euro. 2025 sinkt die Grenze dann auf drei Millionen, 2030 auf eine Million Euro.

Die Beträge gelten für private Sparer, rechtsfähige Stiftungen und Gesellschaften bürgerlichen Rechts. „Für Unternehmenskunden – im Statut des ESF werden diese als nicht finanzielle Unternehmen bezeichnet – liegt die Obergrenze bei 50 Millionen Euro“, sagt ein Sprecher der Berenberg-Bank.

Allerdings sinkt auch bei dieser Gruppe später der maximale Entschädigungsbetrag auf 10 Millionen Euro (siehe Grafik). Das gilt auch für andere Kundengruppen wie Kammern und Verbände, Träger der Sozialversicherung oder gemeinnützigen Organisationen. Wohneigentumsgemeinschaften werden wie Privatpersonen behandelt.

Was sind die Gründe?

Es ist die zweite Reform der freiwilligen Einlagensicherung der deutschen Privatbanken innerhalb weniger Jahre. Dass die absurd hohen Sicherungsgrenzen bei der Pleite eines großen Kreditinstituts tatsächlich ohne Probleme zu erfüllen sind, galt schon länger als ungewiss.

Das zeigte sich bei der Pleite der Lehman Bank in der Finanzkrise 2008. Der ESF war durch den deutschen Ableger Frankfurter Lehman Brothers Bankhaus AG betroffen, und es drohten Forderungen von bis zu sechs Milliarden Euro, während damals das Volumen des Sicherungsfonds laut Bundesfinanzministerium auf 4,6 Milliarden Euro beziffert wurde. Am Ende kam der ESF zwar mit dem Schrecken davon, weil alle Forderungen aus der Insolvenzmasse gedeckt waren. Aber zur Entschädigung der Profianleger musste er in Vorleistung gehen.

Die jüngste Reform ist eine Folge der Pleite der Greensill Bank. Sie hatte die gesetzliche Einlagensicherung und den ESF mit rund drei Milliarden Euro belastet. Ein wesentlicher Teil der ausgezahlten Gelder floss dabei nicht an private Sparer, sondern an professionelle Anleger. Dazu gehörte auch der NDR. Auch daraus wurden Konsequenzen gezogen.

Welche Konsequenzen sind das?

Viele Einrichtungen sind nicht mehr schutzwürdig. Ihnen sei zuzutrauen, dass sie ihre Anlageentscheidung selbst beurteilen können, heißt es. Dazu gehören öffentlich-rechtliche Anstalten und Körperschaften wie ARD und ZDF, Unternehmen der Finanzbranche, Pensionskassen, Pensionsfonds und auch vermögensverwaltende Gesellschaften reicher Privatleute wie Family Offices, sofern sie keine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) sind.

Einlagen von Kommunen, Bund und Ländern sind schon seit 2018 nicht mehr abgesichert. Indirekt kann das auch Auswirkungen für Privatkunden haben, wenn etwa ein Pensionsfonds bei einer Bank anlegt, die später in die Insolvenz rutscht.

Was ändert sich noch?

Einlagen von Kunden deutscher Mitgliedsbanken im Ausland werden vom 1. Januar 2023 an vom ESF nicht mehr gesichert. An der gesetzlichen Einlagensicherung von 100.000 Euro pro Kunde ändert das allerdings nichts. Unternehmen, Verbände und Organisationen können ihr Geld nur noch für maximal zwölf Monate anlegen, eine längere Anlage ist nicht mehr abgedeckt.

Was ist mit einem Bestandsschutz?

Den gibt es, der hat aber seine Tücken. „Für Alteinlagen gilt ein Bestandsschutz, solange die betreffende Verbindlichkeit unter anderem nicht fällig oder gekündigt wird oder anderweitig zurückgefordert werden kann“, sagt ein Sprecher des Bankenverbands. Also werden auch von 2023 an bei einer Pleite höhere Guthaben als fünf Millionen Euro erstattet, sofern sie zu einer Altanlage gehören und für einen bestimmten Zeitraum angelegt sind. „Aber täglich fällige Sichteinlagen oder Tagesgeld unterliegen vom 1. Januar 2023 an der neuen Regelung, sind also bei Privatpersonen bis maximal fünf Millionen Euro geschützt“, sagt der Sprecher des Bankenverbands.

Mehr als fünf Millionen Euro sollten also auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto vom 1. Januar 2023 an nicht mehr liegen. Hat der Kunde in diesem Jahr sechs Millionen Euro als Tagesgeld angelegt und stockt den Betrag 2023 um weitere zwei Millionen Euro auf, so bekommt er im Schadenfall dennoch nicht mehr als fünf Millionen Euro zurück.

„Ist dieser Höchstbetrag bereits durch den Bestandsschutz ausgeschöpft, so findet darüber hinaus keine weitere Sicherung statt. Dies gilt so lange, bis die Summe des Bestandsschutzes wieder unter die fünf Millionen sinkt“, sagt der Sprecher des Bankenverbands. Ewig lassen sich alte Ersparnisse ohnehin nicht sichern. Ab dem 1. Januar 2025 wird es keinerlei Bestandsschutz mehr geben.

Gibt es noch Banken mit unbegrenzter Einlagensicherung?

Große Summen lassen sich jetzt nur noch bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken bunkern. Beide Bankengruppen haben keinen Höchstbetrag für eine Entschädigung und versprechen, dass keines ihrer Institute pleitegehen kann. Gerät eine Sparkasse oder VR-Bank in Schieflage, so muss sie von anderen Instituten aufgefangen werden, um eine Insolvenz zu vermeiden.

Bei der Hamburger Sparkasse haben die Kundeneinlagen von 30 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr um rund eine Milliarde Euro zugelegt. Einen Zusammenhang mit der Reform der freiwilligen privaten Einlagensicherung will die Sparkasse aber nicht herstellen.