Hamburg. Hamburger Fachhändler klagen über Kaufzurückhaltung und die Online-Konkurrenz. Welche Instrumente nicht betroffen sind.

Die Musikindustrie in Deutschland wächst stabil, aber das bezieht sich nur auf das Hören: Während Streaming-Anbieter immer höhere Umsätze erwirtschaften, melden Musikschulen sinkende Teilnehmerzahlen und auch Musikinstrumente-Händler in Hamburg berichten über schlechtere Geschäfte.

„Instrumente sind keine Notwendigkeit, sondern ein Luxus“, sagt Martin West, Inhaber von Guitar-Nerds in Wandsbek. „Seit Beginn des Ukraine-Krieges sind die Menschen in Sorge über die Energiepreise. Das macht es für uns ziemlich schwierig.“ Nach der Lockerung der Corona-Beschränkungen lief es für den Händler von akustischen Gitarren und Ukulelen zunächst recht gut: „Die Kunden hatten Geld und Interesse.“ Lediglich die Logistik-Engpässe machten Probleme. „Als die Lieferungen dann kamen, blieben die Kunden weg“, sagt West.

Fachhandel Hamburg: Pianohaus Trübger spürt Kaufzurückhaltung

Auch wenn das Pianohaus Trübger in einem ganz anderen Preissegment aktiv ist, macht die Inhaberin Yvonne Trübger ähnliche Erfahrungen. „2020 und 2021 hatten wir sehr gute Zahlen, denn die Menschen haben viel Zeit zu Hause verbracht und kaum Geld für Reisen ausgegeben“, sagt sie. „In diesem Jahr spüren wir klar eine Kaufzurückhaltung bei den Kunden. Auch das Dezember-Geschäft kann bisher nicht an das der guten Vorjahre anschließen.“

Bundesweit sieht es nicht anders aus. „Seit Ende Februar ist die Kundenfrequenz sehr deutlich zurückgegangen“, berichtet Birgit Böcher vom Gesamtverband Deutscher Musikfachgeschäfte. Bei den Umsätzen – sie bewegen sich für die Musikinstrumente in der Größenordnung von etwa 400 Millionen Euro – liege die Branche „noch weit hinter 2019 zurück“. Das gelte auch für das bisherige Weihnachtsgeschäft.

Corona-Lockdowns belasteten Geschäft

Zwar hätten auch die Corona-Lockdowns die Musikfachhändler schon belastet, während etwa Buchläden weitgehend von Schließungen verschont geblieben seien, so Böcher. „Aber manche Händler waren sehr ideenreich und sind zum Beispiel mit fünf Digitalpianos auf einem Lkw zum Kunden gefahren, der die Geräte dann unter Wahrung der Hygiene-Bestimmungen ausprobieren konnte.“

Von den Konzertgitarren zu Preisen von rund 140 bis 2000 Euro, die Guitar-Nerds vorrätig hält, sind nicht alle im gleichen Maße von der Kaufzurückhaltung betroffen. „Der Einsteigerbereich hält sich einigermaßen stabil“, sagt West, „aber auch da sucht man immer noch nach günstigeren Alternativen.“ Auch Yvonne Trübger erkennt je nach Wertklasse der Instrumente deutliche Unterschiede, wenn auch auf einer anderen Preisebene: Im Einstiegssegment der Klaviere bis etwa 12.000 Euro sei das Geschäft nicht stark zurückgegangen, ebenso wenig in der Top-Klasse ab rund 60.000 Euro.

Preise für Instrumente stark gestiegen

Dazu passt, dass der Hamburger Premium-Instrumentenbauer Steinway & Sons in diesem Jahr von wachsender Nachfrage spricht – Menschen, die mehr als 100.000 Euro für einen Flügel ausgeben, machen sich wenig Gedanken über ihre nächste Heizkostenrechnung.

Zum Nachfragerückgang in der mittleren Kategorie könne auch die zuletzt ungewöhnlich kräftige Verteuerung der Ins­trumente beigetragen haben, vermutet Trübger: „Während Preiserhöhungen von drei bis vier Prozent normal sind, haben die Hersteller nun schon zwei Jahre in Folge ihre Preise um jeweils acht bis zehn Prozent hochgesetzt“, sagt Trübger. „Ein Flügel, der noch 2020 für 30.000 Euro verkauft werden konnte, kostet jetzt 37.000 Euro.“ Einen Trost zumindest gibt es: „Bei unseren rund 600 Miet-Klavieren sehen wir überhaupt keine Einbußen. Aktuell stehen nur ganz wenige zur Verfügung“, so Trübger.

Kunden lassen sich vor Ort beraten und kaufen im Internet

Andererseits macht ihr eine Entwicklung Sorgen, die sich schon seit längerer Zeit abzeichnet, die aber aktuell umso mehr schmerzt: Immer mehr Menschen kaufen Musikinstrumente bei Online-Händlern, wo sie in der Regel etwas weniger Geld dafür ausgeben müssen. Tatsächlich liefen die Geschäfte zum Beispiel beim Musikhaus Thomann aus der Nähe von Bamberg, dank seiner starken Internetpräsenz mit 1,2 Milliarden Euro der umsatzstärkste Musikalienhändler weltweit, zuletzt glänzend.

Selbst das Pianohaus Trübger spürt derartige Konkurrenz, in diesem Fall bezieht sich das auf Digitalklaviere im Bereich vierstelliger Euro-Beträge. „Eigentlich müssten wir im Kundengespräch nach zehn Minuten sagen: Ab jetzt kostet die Beratung Geld“, sagt Yvonne Trübger. „Das tun wir natürlich nicht. Aber von einigen Kunden wird es tatsächlich nicht als unfair empfunden, qualifizierte Beratung im stationären Handel in Anspruch zu nehmen, eine Auswahl der Instrumente auszuprobieren, um dann geringfügig günstiger beim Online-Händler ohne Service zu kaufen.“

Auch Guitar-Nerds spürt den Trend

Auch Guitar-Nerds ist offensichtlich von diesem Phänomen betroffen. Auf der Internetseite des Ladens heißt es jedenfalls: „Bei uns gibt es ihn – den echten Service“. Dieser bestehe aus „viel Ruhe, Know-how, Zeit, Individualität und einer einmaligen Atmosphäre“.

Birgit Böcher weist ebenfalls auf die Vorteile der Musikinstrumente-Geschäfte vor Ort hin. Sie ermöglichten eine Art der Auswahl, die ein Online-Händler so nicht biete: „Man bestellt nicht fünf Gitarren im Internet, probiert sie aus und schickt sie dann zurück.“ Dabei hätten stationäre Fachhändler zuletzt mit dem Anstieg der Mieten und anderer Kosten zu kämpfen gehabt: „Sie müssen mit immer weniger Kunden immer mehr Umsatz erzielen, um das auszugleichen.“

Fachhandel Hamburg: Zahl der Händler geht zurück

Schon seit Jahren gehe die Zahl der Fachgeschäfte zurück, was aber häufig darauf zurückzuführen sei, dass kein Nachfolger gefunden werden konnte, erklärt Böcher: „In den 1970er-Jahren gab es viele Neugründungen, auch ausgelöst durch die damals stark wachsende Popularität legendärer Pop- oder Rockgruppen. Jetzt kommen die Inhaber dieser Geschäfte ins Rentenalter.“

Um die Nachfolgefrage muss sich Yvonne Trübger, die das vor 150 Jahren von ihrem Urgroßvater gegründete Hamburger Traditionshaus seit 1997 führt, zwar noch nicht sorgen. Sie hat aber die Befürchtung, dass die Geschäfte nicht so bald wieder besser laufen werden als 2022: „Es kann sein, dass die Kaufzurückhaltung im nächsten Jahr, wenn die höheren Energiepreise bei vielen Menschen erst wirklich ankommen, noch ausgeprägter sein wird.“