Hamburg. Jan Rabe hat Angebot speziell für Elektroauto- und Wärmepumpen-Besitzer konzipiert. Die Hintergründe.

Von Januar bis Ende Oktober sind in Hamburg mehr als 5600 reine Elektroautos und fast 7500 von außen aufladbare Hybridfahrzeuge neu zugelassen worden. Wenn vorher vom entsprechenden Besitzer kein Elektroauto genutzt wurde, kann sich der Stromverbrauch eines Zweipersonenhaushalts durch die Neuanschaffung ohne Weiteres verdoppeln. Doch spezielle Stromtarife für das Aufladen an der eigenen Wallbox sind häufig entweder nicht wesentlich günstiger als der normale Haushaltsstrom oder sie lohnen sich erst bei relativ hohen Fahrleistungen.

Auf genau diese wachsende Kundengruppe zielt der Hamburger Unternehmer Jan Rabe, der bereits im Jahr 2016 den Ener­giepreisspar-Dienstleister Wechsel­pilot gründete, jetzt mit seinem Start-up Rabot Charge. Die Idee dahinter: Kunden zahlen nicht mehr einen festen Strompreis, sondern sie sollen über eine App auf dem Handy von den im Tagesverlauf zeitweise wesentlich niedrigeren Preisen an der Strombörse profitieren. So sei es möglich, die Kosten für die Aufladung des E-Autos mindestens zu halbieren, beim übrigen Haushaltsstrom sei eine Einsparung von zehn bis 20 Prozent realistisch, sagt er.

Stromsparen: Hamburger Unternehmer entwickelt App

„Die Idee zu Rabot Charge gab es schon lange, nur war der Markt noch nicht groß genug“, so Rabe im Gespräch mit dem Abendblatt. Anfang 2021 habe sich das geändert. „Inzwischen gibt es eine hinreichend große Zahl von Menschen, die entweder ein Elektroauto, eine Solaranlage oder eine Wärmepumpe haben und damit bei einem gewissen Anteil ihres Stromverbrauchs zeitlich flexibel sind – für diese Kundengruppe sind Fixpreise nicht mehr zeitgemäß“, sagt der Gründer, der zunächst Physik und später Nachhaltige Unternehmensführung studierte, bevor er für mehrere Jahre in der Energiewirtschaft arbeitete.

Dabei kommt Rabot Charge noch eine andere Markttendenz außer dem Wachstum der Kundenzielgruppe zugute: „Wir hatten damit gerechnet, dass sich durch die zunehmende Einspeisung von Solar- und Windstrom in das Netz auch stärkere Preisschwankungen ergeben würden“, erklärt Rabe. „Diese großen Schwankungen sind durch die Folgen des Ukraine-Krieges dann noch schneller eingetroffen als von uns erwartet.“

Stromspar-App: Kunden können ihre Prämissen eingeben

Da Rabot Charge einen eigenen Zugang zur Strombörse habe, könne man die Tagesschwankungen nutzen – und die sind enorm: „Preise zwischen zehn und 60 Cent je Kilowattstunde sind im Tagesverlauf nicht unüblich, nachts können sich sogar negative Preise ergeben.“ Von den Stromkunden erhält das Start-up als erfolgsabhängige Prämie 20 Prozent der realisierten Stromkostenersparnis, wobei der jeweilige Grundversorgerpreis die Vergleichsgröße ist. Außerdem bezahlen Kunden für die Nutzung des automatisierten Energiemanagements monatlich 5 Euro. Große Nachteile könnten sich durch den variablen Tarif nicht ergeben, heißt es, denn der Preis des Grundversorgers bilde in jedem Fall die Obergrenze.

Und so arbeitet Rabot Charge: Kunden können in der App ihre Prämissen eingeben – zum Beispiel, dass sie jeden Morgen um 8 Uhr einen Füllstand der E-Auto-Batterie von 70 Prozent haben möchten. „Wir ermitteln dann mithilfe von künstlicher Intelligenz, wie viel Strom wir einkaufen müssen und wann wir das am günstigsten tun können“, erklärt Rabe das Prinzip. „Dazu nutzen wir unter anderem Preisprognosemodelle, die auch auf Wetterdaten beruhen. Auf diese Weise wissen wir, wann gegebenenfalls ein Überangebot günstiger Windenergie besteht.“

Rabot Charge für Besitzer von E-Autos und Wärmepumpen

Um einen noch günstigeren Preis zu ermöglichen, könne es sinnvoll sein, den Ladevorgang um einen Tag zu verschieben oder den angepeilten Ladestand von 80 Prozent auf 60 Prozent zu verringern. „Wir arbeiten derzeit daran, den Kunden über die App solche Empfehlungen zu geben, basierend auf ihrem Nutzungsverhalten und individuellem Bedarf“, so Rabe. Aktuell habe Rabot Charge 18 Beschäftigte, im Laufe des kommenden Jahres soll die Zahl auf 35 steigen. „Bisher haben wir einige Hundert Kunden, aber das Marketing ist auch erst Mitte November gestartet“, erklärt der Unternehmer.

„Wir setzen auf Onlinemarketing, etwa über die Google-Suche nach günstigen E-Auto-Lade-Tarifen. Außerdem lassen wir uns auf Vergleichsportalen listen.“ Die Zielmarke liege bei 10.000 Kunden bis Ende des kommenden Jahres. Nachdem das Start-up im April zunächst eine Million Euro für die Finanzierung der Produktentwicklung eingesammelt hat, kamen vor wenigen Tagen weitere zwei Millionen Euro herein.

Stromspar-App: Drei Unternehmen geben Geld für Produktentwicklung

Zu den Geldgebern gehören der Münchner Frühphasen-Investor Yabeo Impact, das Schweizer Risikokapitalunternehmen Arsago Ventures und ein Hamburger „Family Office“, also das Vermögensverwaltungsbüro einer reichen Privatperson. Derzeit bereite man eine neue Finanzierungsrunde vor, so Rabe: „Damit sind wir dann für die nächsten Jahre ausreichend finanziert.“

Zwar ist Rabe gemeinsam mit Maximilian Both und Oliver Dannenberg auch weiter Geschäftsführer von Wechselpilot, einem Dienstleister, der Ersparnisse durch den automatisierten regelmäßigen Wechsel des Strom-, Gas- oder Internetanbieters verspricht. Künftig soll sich aber Both auf die Leitung dieses Unternehmens fokussieren, während Rabe das neue Geschäftsmodell entwickelt. „Es gibt eine gewisse Schnittmenge zwischen den Kunden von Wechselpilot und denen von Rabot Charge“, sagt Rabe. Ein E-Auto oder eine Wärmepumpe sollte jedoch vorhanden sein, um Rabot Charge sinnvoll zu nutzen.

Aufgrund der drastischen Gas- und Strompreisanstiege ist das Interesse an Einsparmöglichkeiten generell offenbar hoch. „Bei Wechselpilot hatten wir im Jahr 2022 die bisher bei Weitem höchste Kundennachfrage“, so Rabe. „Allerdings waren die Neuverträge nicht so attraktiv, doch das kehrt sich gerade wieder um. Inzwischen kann man für die Kunden wieder eine Wechselmöglichkeit finden.“