Hamburg. Viele haben sich bereits mit dem Edelmetall eingedeckt. Wie wird sich der Preis nun entwickeln? Wichtige Tipps.

Zehn Prozent Inflation, aber der Goldpreis verharrt deutlich unter der Marke von 2000 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm). Die Hamburger sehen diese Tatsache aber eher als Chance und kaufen so viel Gold wie nie zuvor. Allein die Kunden der Hamburger Sparkasse (Haspa) haben dieses Jahr schon rund 100 Millionen Euro in Barren und Münzen angelegt.

Die Haspa ist Marktführer beim Goldverkauf in der Hansestadt. Aber auch andere Händler in der Stadt melden eine steigende Nachfrage und sogar Schlangen in den Filialen. Warum hat Gold bisher nicht von der hohen Inflation profitiert? Wie sind die Perspektiven für das Edelmetall im nächsten Jahr? Was ist beim Kauf zu beachten? Lohnt auch der Kauf von Silber? Das Abendblatt sprach mit Experten und beantwortet die wichtigsten Fragen.

Hohe Inflation – soll man jetzt Gold kaufen?

Wie ist die Nachfrage?


„Im laufenden Jahr erwarten wir einen Goldumsatz von mehr als 100 Millionen Euro – so viel wie noch nie“, sagt Stefan Rose, Leiter des Goldhandels der Haspa. Das sind zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Der Edelmetallhändler Pro Aurum nennt zwar keine Zahlen, Unternehmenssprecher Benjamin Summa sagt aber: „In den vergangenen Monaten hat die Gold- und Silbernachfrage sehr stark angezogen. In unseren Filialen gab es teilweise lange Warteschlangen.“ Bestandskunden nutzten Kursrückgänge in Euro für Nachkäufe, und Neukunden stiegen angesichts niedrigerer Preise in den Markt ein.

Was sind die Gründe für diese Entwicklung?


„Die Kunden suchen einen sicheren Hafen für ihr Geld“, sagt Rose. Die alles überlagernden Themen in der Beratung sind nach Einschätzung von Pro Aurum die deutlich beschleunigte Inflation und die geopolitische Gefahrenlage. „Knapp 90 Prozent der Kunden sind aktuell auf der Käuferseite. Die durchschnittliche Ordergröße liegt derzeit bei ca. 10.000 Euro“, sagt Summa. Für 10.125 Euro bekam man am Donnerstag bei der Haspa einen 100-Gramm-Barren (5560 Euro), einen 50-Gramm-Barren (2802 Euro) und einen Krügerrand (1763 Euro). Zusammen sind das rund 181 Gramm Gold, also 56 Euro pro Gramm Feingold.

Wie sieht die Bilanz für 2022 aus?

In Dollar gerechnet steht seit Jahres­beginn ein Minus von 1,5 Prozent. „Wegen des starken Dollars hat sich der Preisrückgang des Goldpreises in Euro aber deutlich geringer ausgewirkt“, sagt Summa. Gemessen am Börsenpreis schneiden Euro-Anleger mit einem Plus von 6,1 Prozent seit Jahresanfang besser ab. Der Wertzuwachs bleibt aber unter der bisherigen Inflationsrate von acht Prozent für die Monate Januar bis November. Berücksichtigt man noch den Preisunterschied zwischen Kauf- und Verkaufskurs des Edelmetalls fällt die Jahresbilanz eher bescheiden aus.

„Eine Anlage in physische Edelmetalle ist aus unserer Sicht grundsätzlich nur mit einem langfristigen Ansatz sinnvoll“, sagt Summa. Die Haspa rät, bis zu zehn Prozent des liquiden Vermögens in Gold anzulegen. Langfristig kann Gold schon eher überzeugen. In 23 Jahren seit 2000 gab es nur fünf Jahre mit einer negativen Wertentwicklung (s. Grafik). Die Inflationsrate hat Gold in 16 Jahren von 23 Jahren geschlagen. Anfang Januar 2000 konnte man einen Krügerrand, die bekannteste Goldmünze, für 285 Euro kaufen und am Donnerstag bei Pro Aurum für 1702 Euro verkaufen. „Gold hat die Aufgabe, Kaufkraftverluste durch Inflation über lange Zeiträume hinweg auszugleichen“, sagt Summa.

Warum hat Gold bishernicht von der hohen Inflation profitiert?


Ob Kunden in Deutschland viel oder wenig Gold kaufen, ist für die Preisfindung nicht entscheidend. Auch die Notenbanken haben in diesem Jahr mit rund 700 Tonnen so viel Gold gekauft wie seit 1967 nicht mehr, ohne dass das dem Goldpreis geholfen hat. „Doch die Preisfindung findet weniger am physischen Markt, sondern vielmehr an den Spot- und Futures-Märkten in den USA statt“, sagt Summa. Spekulativ orientierte Profianleger trennten sich von Goldpositionen.

„Darüber hinaus haben sich nordamerikanische Investoren in großem Stil von ihren Beständen in entsprechenden Goldfonds getrennt, was zusätzlichen Druck auf den Goldpreis ausübte“, sagt Summa. Ein Grund für diese Entwicklung sind die steigenden Anleihezinsen. Die Anleger hätten außerdem darauf vertraut, dass die Zentralbanken in der Lage sein werden, die Inflation auf zwei Prozent zu senken, sagt Ole Hansen, Leiter der Rohstoff­strategie bei der dänischen Saxo Bank.


Wie sind die Perspektiven für 2023?


„In Zeiten des anhaltenden Ukraine-Krieges, der hohen Inflation und der wachsenden Rezessionssorgen bleibt Gold im Fokus vieler Anleger“, sagt Henrik Marx vom Edelmetallkonzern Heraeus. Der Goldpreis könnte nach seiner Einschätzung im kommenden Jahr in Euro gerechnet auf ein Rekordhoch steigen. In Dollar wird für das Edelmetall mit einer Spanne zwischen 1620 Dollar und 1920 Dollar erwartet. Aktuell notiert die Feinunze bei 1794 Dollar. Banken wie die schweizerische UBS, die Deutsche Bank und die niederländische ABN Amro sehen den Goldpreis Ende 2023 bei 1900 Dollar.

Das World Gold Council, die Lobbyorganisation der Goldbergbauindustrie, rechnet mit Rückenwind für das Edelmetall. Eine leichte Rezession und schwächere Gewinne seien seit jeher positiv für Gold, heißt es in einem Ausblick für 2023. Ein stärkeres chinesisches Wirtschaftswachstum soll dort die Goldnachfrage der Verbraucher wieder ankurbeln. Die für ihre ungewöhnlichen Prognosen bekannte Saxo Bank hält es für möglich, dass Gold im nächsten Jahr bis auf 3000 Dollar steigt. „2023 ist das Jahr, in dem der Markt endlich erkennt, dass die Inflation auf absehbare Zeit brennend hoch bleiben wird“, sagt Hansen voraus.

Eignet sich Gold auch als Weihnachtsgeschenk?


„In den vergangenen Jahren haben sich Edelmetalle in Deutschland zu beliebten Weihnachtsgeschenken entwickelt“, sagt Summa. Aber kleine Stückelungen von nur wenigen Gramm haben einen hohen Aufpreis auf den Materialwert, warnen Verbraucherschützer. Das gilt insbesondere für Ein-Gramm-Barren mit Motiv, die bei der Haspa rund 70 Euro kosten. Bei einem Zehn-Gramm-Barren sinkt der Grammpreis auf rund 58 Euro.

Wo kaufe ich Gold und was ist dabei zu beachten?


Das Edelmetall gibt es bei Banken und Edelmetallhändlern wie Pro Aurum oder Degussa, die beide Filialen in Hamburg unterhalten. Je kleiner die Stückelung von Münzen wie Wiener Philharmoniker oder Maple Leaf, desto größer sind die Unterschiede zwischen An- und Verkaufspreis und desto teurer kauft man Gold ein. So liegt der Unterschied für einen 100-Gramm-Barren bei etwa drei Prozent. Aber bei einem Fünf-Gramm-Barren sind es schon zwölf Prozent Aufschlag. Das gilt auch für Anlagemünzen. Die Differenz für eine Unze beträgt gut fünf Prozent. Erwirbt man aber nur ein Viertel davon (7,78 Gramm) sind es schon 14 Prozent. Als Geldanlage sind Barren eher als Münzen geeignet, denn Münzen sind durch die Prägung oft teurer als Goldbarren mit dem gleichen Gewicht.

Wo verwahre ich Gold?


Für das Aufbewahren von Goldmünzen oder Goldbarren sollte nach den Empfehlungen der Stiftung Warentest ein Wandtresor oder ein Bankschließfach genutzt werden. Wird das Edelmetall zu Hause aufbewahrt, sollte überprüft werden, wie der Schutz über die Hausratversicherung geregelt ist. In den meisten Tarifen werden Wertsachen nur zu 20 Prozent der Versicherungssumme abgesichert.


Lohnt auch der Kauf von Silber?


Silber gilt als „Gold des kleinen Mannes“, weil es deutlich günstiger als Gold ist. Im laufenden Jahr hat es in Euro 6,6 Prozent an Wert gewonnen. Doch während Gold mehrwertsteuerfrei erworben werden kann, gilt das für Silber nicht. Die etwas günstigere sogenannte Differenzbesteuerung für Silbermünzen wird im Bankenhandel schon nicht mehr angewendet, aber bei Pro Aurum noch bis Jahresende. Die Unterschiede zwischen Kauf- und Verkaufspreis liegen bei Silber bei Pro Aurum zwischen 26 Prozent (Münzen, differenzbesteuert) und 34 Prozent (Barren, voll besteuert). Das Edelmetall muss also erst einen großen Kurssprung machen, bevor der Anleger überhaupt in die Pluszone kommen kann. Wer von einem steigenden Silberpreis ausgeht, kann die Anlage mit einem Silber-ETC wesentlich kostengünstiger gestalten.

Dabei handelt es sich um einen Fonds, der den allgemeinen Silberpreis abbildet und auch mit physischen Edelmetallbeständen besichert ist, wie zum Beispiel der iShares Physical Silver ETC. Die Kostenquote liegt bei 0,20 Prozent. Heraeus geht für 2023 von einer Bandbreite zwischen 17 bis 25 Dollar je Feinunze Silber aus. Aktuell liegt der Preis bei 23 Dollar. Silber schwankt deutlich stärker als Gold, doch rund 50 Prozent der Nachfrage kommen von der Industrie. Langfristig kann Silber vom Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere der Solarbranche, profitieren.